Die Freistellungszeit in besonderen Fällen gilt auch für Beschäftigte, die im Schichtsystem arbeiten. Copyright by Adobe Stock/bluedesign
Die Freistellungszeit in besonderen Fällen gilt auch für Beschäftigte, die im Schichtsystem arbeiten. Copyright by Adobe Stock/bluedesign

Ab 2019 gilt in der Metall- und Elektroindustrie der Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld (TV-T ZUG). Wer statt der jährlichen Sonderzahlung (27,5 % vom Monatseinkommen) mehr freie Zeit braucht, kann die tarifliche Freistellungszeit beantragen. Diese richtet sich nach dem Manteltarifvertrag (MTV) der Branche. Nimmt man die freien Tage in Anspruch, entfällt das tarifliche Zusatzgeld. Ein Antrag ist bis Ende Oktober für das Folgejahr zu stellen.
 
Die Voraussetzungen der tariflichen Freistellungszeit sind:

  • Dreischicht oder Dauernachtschicht seit mindestens drei Jahren sowie fünf Jahre Betriebszugehörigkeit bzw. Wechselschicht seit mindestens fünf Jahren sowie sieben Jahre Betriebszugehörigkeit oder
  • Kind unter acht Jahren im Haushalt und zwei Jahre Betriebszugehörigkeit oder
  • häusliche Pflege eines Angehörigen (Eltern, Schwiegereltern, Kinder, Partner), der mindestens Pflegegrad 1 hat, sowie mindestens zwei Jahre Betriebszugehörigkeit.

 

Freistellung aufgrund Schichtarbeit

Der DGB Rechtsschutz Düren vertrat einen Werker aus einem Unternehmen des Miele-Konzerns. Dieser arbeitet im Dreischichtsystem. Damit fällt er unter die Personen, für die der MTV eine Freistellungszeit in besonderen Fällen vorsieht.
 
Für das Jahr 2019 wollte der Werker eine Freistellung für acht Tage. Der Arbeitgeber lehnte das ab. Warum? Es hatten von 440 Beschäftigten 156 eine Freistellung beantragt. Ein solch zusätzliches Arbeitsvolumen könne man nicht ausgleichen.
 

Gespräche mit dem Betriebsrat ohne Ergebnis

Nach dem Tarifvertrag müssen Arbeitgeber und Betriebsrat bis Jahresende beraten, wie das Arbeitsvolumen auszugleichen ist, das durch die beantragten Freistellungen entfällt.
 
Der Arbeitgeber wollte alle Anträge auf Freistellung wegen Pflege und Kinderbetreuung bewilligen. Was die Freistellung wegen des Einsatzes im Dreischichtsystem angehe, könne man über 10% der Anträge sprechen. Der Betriebsrat sah auf dieser Basis keine Möglichkeit den Tarifvertrag einvernehmlich umzusetzen.
 
99 der Anträge auf Freistellung endeten mit einer Ablehnung.
 

Freistellungstage nicht zu kompensieren?

Der Werker  - und auch weitere betroffene IGM Mitglieder  - erhoben über den gewerkschaftlichen Rechtsschutz Klage beim Arbeitsgericht Bonn. Doch der Arbeitgeber muss die Mitarbeiter nicht an acht Arbeitstagen im Jahr 2019 freistellen.
 
Anspruchsberechtigt sei der Kläger schon. Aber der Arbeitgeber könne das entfallende Arbeitsvolumen nicht betriebsintern ausgleichen.
Als adäquate Mittel zur Kompensation sah das Gericht dabei nur den Weg über Mehrarbeit oder Arbeitszeitkonten. Weitere Möglichkeiten sehe der Tarifvertrag nicht vor. So falle der vorübergehende Einsatz von Leiharbeitnehmern nicht unter die tarifliche Regelung. Das gelte auch für die Entfristung befristeter Beschäftigter bzw. die Neueinstellung über befristete Verträge.
 

Das Arbeitsgericht Bonn weist die Klage ab.

Letztlich habe der Arbeitgeber den Antrag auf Freistellung ablehnen dürfen. Dabei sei es auch rechtens, wenn wie hier ein Ranking erfolgt, wonach die Anträge wegen Kindererziehung und Pflege vorrangig zu bewilligen sind.
 
LINKS:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn ist hier im Volltext nachzulesen.
 
Weitere Antworten zum tariflichen Zusatzgeld und der tariflichen Freistellungszeit gibt es bei der IGM

Das sagen wir dazu:

Erst wenn die Betriebsparteien bis zum 31. Dezember eines Jahres keine Lösung erzielen können, darf der Arbeitgeber Anträge für das folgende Jahr ablehnen. Zumindest bis zum Stichtag 31.12.18 wollte der Betriebsrat hier nur den Weg über vorübergehende Leiharbeit gehen. Vielleicht nicht das taktisch beste Vorgehen seitens der Arbeitnehmervertretung. So wurde einer von Miele beantragten Samstagsarbeit nicht zugestimmt und auch kein Ergebnis über eine Auszahlung von Arbeitszeitguthaben erzielt. Das Ende vom Lied war, dass der eingeschlagene Weg über Leiharbeit nicht zum Ziel führte und andere Wege verbaut waren.

Wenn der Arbeitgeber hier sagt, er habe nicht mehr als 10% der Freistellungen wegen des Einsatzes im Dreischichtsystem bewilligen können, kann man das nicht so recht glauben. Wäre der Wille, die tariflichen Freistellungstage zu realisieren, wirklich da gewesen, hätte sich auch eine Möglichkeit gefunden. Und zwar unabhängig davon, ob sie ein adäquates Mittel zur Kompensation entsprechend des Tarifvertrages gewesen wäre.

Bundesweit wurden nur 7% der Anträge für 2019 abgelehnt

Es scheint aber keineswegs so zu sein, dass die Anträge auf die tariflichen Freistellungstage häufig auf Ablehnung bei den Arbeitgebern der Metall- und Elektrobranche stoßen. Nach Angaben der IGM wurden von den 260.000 Anträgen für 2019 satte 93 Prozent genehmigt.