Es gibt Situationen, da gilt nicht einmal der abgeschlossene Vertrag. Copyright by Adobe Stock/nmann77
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Anlass des Rechtsstreits beim Landesarbeitsgericht war eigentlich eine Kündigung. Dabei stellte sich heraus, dass der Kläger vorher auch noch einen weiteren Arbeitsvertrag bei einem anderen Arbeitgeber abgeschlossen hatte. Dieses Arbeitsverhältnis bestand auch noch fort. Insgesamt arbeitete der Kläger mehr als 48 Stunden pro Woche.
 

Was sagt das Arbeitszeitgesetz?

Nach den Regeln des Arbeitszeitgesetzes darf ein Arbeitnehmer wöchentlich nur 48 Stunden arbeiten. Mehr lässt das Gesetz nicht zu. Ausnahmsweise sind auch 10 Stunden am Tag zulässig. Innerhalb von sechs Monaten bzw. 24 Wochen müssen Beschäftigte den Durchschnitt von 8 Stunden werktäglich jedoch einhalten.
 
Der Kläger meinte, er dürfe seine Arbeitsverhältnisse mindestens mit der zulässigen Stundenzahl pro Woche fortführen. Nur der Teil, der über 48 Stunden liege, sei möglicherweise nicht zulässig. Das mache dann aber allenfalls diesen Teil nichtig und nicht etwa eines der beiden Arbeitsverhältnisse komplett.
 

Was ist ein Verbotsgesetz?

Das sahen die Gerichte anders. Insbesondere das Landesarbeitsgericht führt aus, dass es sich bei der Bestimmung im Arbeitszeitgesetz hinsichtlich der höchsten, wöchentlich zulässigen Arbeitszeit um ein sogenanntes „Verbotsgesetz“ handele. Diese Vorschrift diene dem Schutz der Arbeitnehmer. Darauf könnten weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer verzichten. Pro Arbeitstag dürfe niemand mehr als 8 Stunden arbeiten. Das sei verboten.
 
Arbeite ein Beschäftigter in mehr als einem Arbeitsverhältnis, müssten die Arbeitszeiten, die er bei seinen Arbeitgebern erbringe, zusammengerechnet werden. Der Kläger habe in keinem der beiden Arbeitsverhältnisse jeweils die zulässige Höchstdauer der Arbeitszeit überschritten. Zusammengerechnet arbeite er jedoch mehr als 48 Stunden.
 

Welcher Arbeitsvertrag ist betroffen?

Ist eine Überschreitung der zulässigen Arbeitszeit nicht das Ergebnis eines einzelnen Arbeitsvertrages, sondern mehrerer Arbeitsverträge, sei der zeitlich zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag nichtig, so das Landesarbeitsgericht. Dieser Arbeitsvertrag existiere damit nicht mehr.
 
Das müsse aber nicht zwingend den gesamten zweiten Arbeitsvertrag betreffen. Denkbar sei auch, dass nur der Teil des Arbeitsvertrages nichtig sei, der über 48 Stunden liege. Schließlich dienten die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften dem Schutz des Arbeitnehmers. Der wolle normalerweise aber am Rest des Arbeitsverhältnisses festhalten, soweit dieses nämlich zulässig sei.
 

Was liegt im Interesse des Arbeitnehmers?

Erkläre man den gesamten Arbeitsvertrag für nichtig, liege das nicht unbedingt im Interesse des Arbeitnehmers und diene auch nicht seinem Schutz. Im Regelfall wäre es besser, den Vertrag an das geltende Recht anzupassen.
 
Die Vereinbarung könne in einen wirksamen und in einen unwirksamen Teil aufgespaltet werden. Das setze jedoch voraus, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer das so gewollt hätten, wenn ihnen bekannt gewesen wäre, dass der Vertrag teilweise nichtig ist. Diesen hypothetischen Willen müsse das Gericht im Verfahren ermitteln. Das sei jedoch häufig schwierig.
 

Wie lässt sich der hypothetische Willen ermitteln?

Bestünden nämlich mehrere Möglichkeiten, eine unwirksame Regelung durch eine zulässige Regelung zu ersetzen, könne das Gericht den hypothetischen Willen nicht ermitteln. Das sei auch dann nicht möglich, wenn nur eine einzige sinnvolle und zulässige Regelung anzunehmen sei, Arbeitgeber und Arbeitnehmer diese jedoch nicht wollten.
 
Der Kläger habe als Wasserwart gearbeitet. Die zulässige Arbeitszeit habe er insbesondere deshalb überschritten, weil er notwendige Wartungsarbeiten, Abmessungen sowie Pflegearbeiten verrichtete. Es handele sich dabei um Arbeitszeiten, die für einen Wasserwart notwendig seien. Reduziere der Kläger seine Arbeitsstunden, könne er die vertraglich geschuldete Arbeit nicht mehr ordnungsgemäß erbringen.
 

Reicht es, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis reduziert fortsetzen möchte?

Der Kläger habe im Verfahren mehrfach darauf beharrt, sein Arbeitsverhältnis auch in reduzierter Form fortsetzen zu wollen. Allerdings habe der Arbeitgeber darauf bestanden, dass der Kläger ihm für die gesamte Zeit, die er vertraglich vereinbart habe, zur Verfügung stehe. Der Arbeitgeber sei darauf angewiesen, dass er auch in Eil- und Notfällen, etwa bei Rohrbrüchen, den Einsatzort schnell erreichen könne. Im Arbeitsvertrag habe man daher geregelt, dass der Kläger für solche Fälle ständig ein Mobiltelefon mit sich führen müsse.
 
Das Landesarbeitsgericht sah sich in dieser Situation nicht in der Lage, festzustellen, ob und welchen Arbeitsvertrag der Arbeitgeber mit dem Kläger abgeschlossen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die vereinbarte Arbeitszeit gegen das Arbeitszeitgesetz verstoße. In diesen Fällen könnte der Vertrag nicht auch nur teilweise fortgeführt werden. Hier müsse das Gericht die nichtige Bestimmung als Ganzes streichen. Damit würde der gesamte zweite Arbeitsvertrag des Klägers nichtig.
 

Wie sieht es mit der Vergütung aus?

Praktisch gesehen ist der Vertrag damit nicht mehr existent. Das Landesarbeitsgericht befasste sich in seiner Entscheidung aber auch mit der Frage, welche Lohnansprüche der Kläger hatte. Immerhin arbeitete er so, wie das der nichtige Arbeitsvertrag vorsah.
 
Für die Zeit, in der der Kläger gearbeitet habe, müsse er auch seine Vergütung erhalten. Das hängt damit zusammen, dass der Arbeitsvertrag selbst letztlich nur die schuldrechtliche Grundlage ist. Das Arbeitsverhältnis als solches hatte aber bestanden, so dass dafür auch eine Gegenleistung durch den Arbeitgeber erbracht werden muss.
 

Muss der Arbeitgeber kündigen?

Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis ende in dem Moment, in welchem der Arbeitnehmer aufgehört habe, zu arbeiten, so das LAG weiter. Einer Kündigung bedürfe es nicht. Es bestehe auch kein Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber könne das fehlerhafte Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist einfach dadurch beenden, dass er sich schlicht davon lossage.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Man mag zunächst annehmen, die Entscheidung sei „ungerecht“. Immerhin geht es um den Schutz des Arbeitnehmers. Meint der, er könne länger arbeiten, versteht man zunächst einmal nicht recht, weshalb das komplette zweite Arbeitsverhältnis nichtig sein soll.

Wer den Schutz der Arbeitnehmer ernst nimmt, muss aber zur Kenntnis nehmen, dass nur eine feste Grenze der Höchstarbeitszeit diesen Schutz gewährleisten kann. Wird davon abgewichen, ist der Ausnutzung von Arbeitnehmern Tür und Tor geöffnet. Deshalb ist es wichtig, dass es sich bei der rechtlichen Bestimmung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche um ein Verbotsgesetz handelt.

Rechtliche Grundlagen

§ 3 ArbZG

Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.