Biometrische Zeiterfassung zulässig? Copyright by Adobe Stock / Mikko Lemola
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Der Kläger ist als Medizinisch-Technischer Assistent (MTA) in einer radiologischen Praxis tätig. Sein beklagter Arbeitgeber hat ein Zeiterfassungssystem eingeführt, das mit einem Fingerabdruck-Scanner bedient wird. Das eingeführte Zeiterfassungssystem verarbeitet nicht den gesamten Fingerabdruck, sondern nur die Fingerlinienverzweigungen. Der MTA lehnte diese Form der Zeiterfassung ab. Hieraufhin erteilte ihm der Arbeitgeber eine Abmahnung. Der Arbeitnehmer erhob Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.

Sind Fingerlinienverzweigungen biometrische Daten?

Mit seiner Entscheidung vom 4.6.2020 bestätigte das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin, das der Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte des Klägers stattgab.
Auch das LAG bestätigte die Rechtsauffassung des Klägers, dass er nicht verpflichtet sei, das Zeiterfassungssystem zu nutzen. Das Argument des Arbeitgebers, dass das System nur Fingerlinienverzweigungen, nicht aber den gesamten Fingerabdruck verarbeite, überzeuge nicht. Auch wenn das System nur Fingerlinienverzweigungen erfasse, handle es sich um biometrische Daten. Eine Verarbeitung solcher Daten, so das Berufungsgericht, sei datenschutzrechtlich nur in Ausnahmefällen möglich. Von einem gesetzlich geregelten Ausnahmefall sei nicht auszugehen, denn es könne nicht festgestellt werden, dass im Rahmen einer Arbeitszeiterfassung die Erfassung biometrischer Daten erforderlich sei.
Aus alledem ergebe sich, dass eine Erfassung biometrischer Daten ohne Einwilligung des Arbeitnehmers nicht zulässig sei. Die Weigerung des Klägers, den Fingerabdruck-Scanner zu nutzen, stelle deshalb keine Pflichtverletzung dar. Die dem Kläger ausgesprochene Abmahnung sei aus dessen Personalakte zu entfernen.

 

Hier finden Sie das vollständige Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 4.6.2020:

Rechtliche Grundlagen

Art. 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Art. 9 DSGVO Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten
1. Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.

2. Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen:
1. Die betroffene Person hat in die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt, es sei denn, nach Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten kann das Verbot nach Absatz 1 durch die Einwilligung der betroffenen Person nicht aufgehoben werden,
2. die Verarbeitung ist erforderlich, damit der Verantwortliche oder die betroffene Person die ihm bzw. ihr aus dem Arbeitsrecht und dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erwachsenden Rechte ausüben und seinen bzw. ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommen kann, soweit dies nach Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten oder einer Kollektivvereinbarung nach dem Recht der Mitgliedstaaten, das geeignete Garantien für die Grundrechte und die Interessen der betroffenen Person vorsieht, zulässig ist,
3. die Verarbeitung ist zum Schutz lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person erforderlich und die betroffene Person ist aus körperlichen oder rechtlichen Gründen außerstande, ihre Einwilligung zu geben,
4. die Verarbeitung erfolgt auf der Grundlage geeigneter Garantien durch eine politisch, weltanschaulich, religiös oder gewerkschaftlich ausgerichtete Stiftung, Vereinigung oder sonstige Organisation ohne Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen ihrer rechtmäßigen Tätigkeiten und unter der Voraussetzung, dass sich die Verarbeitung ausschließlich auf die Mitglieder oder ehemalige Mitglieder der Organisation oder auf Personen, die im Zusammenhang mit deren Tätigkeitszweck regelmäßige Kontakte mit ihr unterhalten, bezieht und die personenbezogenen Daten nicht ohne Einwilligung der betroffenen Personen nach außen offengelegt werden,
5. die Verarbeitung bezieht sich auf personenbezogene Daten, die die betroffene Person offensichtlich öffentlich gemacht hat,
6. die Verarbeitung ist zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich,
7. die Verarbeitung ist auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats, das in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht, den Wesensgehalt des Rechts auf Datenschutz wahrt und angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vorsieht, aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich,
8. die Verarbeitung ist für Zwecke der Gesundheitsvorsorge oder der Arbeitsmedizin, für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten, für die medizinische Diagnostik, die Versorgung oder Behandlung im Gesundheits- oder Sozialbereich oder für die Verwaltung von Systemen und Diensten im Gesundheits- oder Sozialbereich auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats oder aufgrund eines Vertrags mit einem Angehörigen eines Gesundheitsberufs und vorbehaltlich der in Absatz 3 genannten Bedingungen und Garantien erforderlich,
9. die Verarbeitung ist aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit, wie dem Schutz vor schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren oder zur Gewährleistung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Gesundheitsversorgung und bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats, das angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person, insbesondere des Berufsgeheimnisses, vorsieht, erforderlich, oder
10. die Verarbeitung ist auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats, das in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht, den Wesensgehalt des Rechts auf Datenschutz wahrt und angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vorsieht, für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1 erforderlich.

3. Die in Absatz 1 genannten personenbezogenen Daten dürfen zu den in Absatz 2 Buchstabe h genannten Zwecken verarbeitet werden, wenn diese Daten von Fachpersonal oder unter dessen Verantwortung verarbeitet werden und dieses Fachpersonal nach dem Unionsrecht oder dem Recht eines Mitgliedstaats oder den Vorschriften nationaler zuständiger Stellen dem Berufsgeheimnis unterliegt, oder wenn die Verarbeitung durch eine andere Person erfolgt, die ebenfalls nach dem Unionsrecht oder dem Recht eines Mitgliedstaats oder den Vorschriften nationaler zuständiger Stellen einer Geheimhaltungspflicht unterliegt.

4. Die Mitgliedstaaten können zusätzliche Bedingungen, einschließlich Beschränkungen, einführen oder aufrechterhalten, soweit die Verarbeitung von genetischen, biometrischen oder Gesundheitsdaten betroffen ist.