Auch in der Pandemie ist Toilettendienst nicht automatisch Sache der Beschäftigten. Copyright by Adobe Stock/ Robert Kneschke
Auch in der Pandemie ist Toilettendienst nicht automatisch Sache der Beschäftigten. Copyright by Adobe Stock/ Robert Kneschke

Ein Fall mit Seltenheitswert vor dem Arbeitsgericht: Es ging um die Frage, ob ein Arbeitnehmer dazu verpflichtet ist, im Betrieb die Toilette zu reinigen.
 

Arbeitgeber zieht Lagerarbeiter zu Putzdiensten heran

Hierüber hätte es sicherlich keinen Streit gegeben, wenn das Gewerkschaftsmitglied als Reinigungskraft eingestellt gewesen wäre. So war es aber nicht: Gemäß seinem Arbeitsvertrag war er als Arbeiter im Lager eingestellt. Seine Tätigkeit sollte im Wesentlichen das Abfüllen von Tee sowie das Kommissionierung von Ware umfassen.
 
Außerdem hatte er sich verpflichtet, auch andere zumutbare Arbeiten auszuführen, die nicht mit einer Minderung der Arbeitsmethoden verbunden sind.
 
In einer „Hygienebelehrung“ aus dem Jahr 2019 hatte der Arbeitgeber zudem festgelegt, dass alle Räume inklusive Toiletten regelmäßig gereinigt werden müssen. Im September 2020 forderte der Arbeitgeber den Lagerarbeiter auf, sich an den Putzarbeiten im Betrieb zu beteiligen, insbesondere die Toilettenräume zu reinigen. Eine Ablehnung werde als Arbeitsverweigerung angesehen.
 

Streit um Toilettendienst vor dem Arbeitsgericht

Unter dem Eindruck dieser Drohung erklärte sich der Lagerarbeiter unter Vorbehalt bereit, die geforderten Toilettenreinigungen auszuführen. Er wendete sich aber zugleich an den DGB Rechtsschutz Berlin, um vor Gericht klären zu lassen, ob er hierzu tatsächlich verpflichtet ist.
 
Sein Arbeitgeber berief sich auf den Arbeitsvertrag sowie die Hygienebelehrung. Zudem dauere die Reinigung höchstens 5 Minuten. Der Kläger sei mit diesem Dienst auch nur zweimal im Monat „dran“. Daher sei die Arbeit zumutbar.
 
Aufgrund der Corona-Pandemie seien diese Hygienemaßnahmen erforderlich. Sofern sich die Verpflichtung nicht aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebe, müsse er nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angepasst werden.
 

Arbeitsgericht: Toilette reinigen nicht gleichwertig

Die Argumentation überzeugte das Arbeitsgericht Berlin nicht: Der Lagerarbeiter sei nicht verpflichtet, die angeordnete Toilettenreinigung durchzuführen.
 
Denn nach dem Arbeitsvertrag sei er „im Bereich Lager“ beschäftigt und hier vor allem damit, Tee abzufüllen und Ware zu kommissionieren. Die Toilette sei erkennbar nicht Teil des Bereichs Lager: Selbst dann nicht, wenn sie sich in der Nähe des Lagers befände.
 
Außerdem sei das Reinigen der Toilette keine „andere zumutbare Arbeit“ im Sinne des Arbeitsvertrages. Die Arbeit im Lager erfordere eine eigenständige Gedankenleistung. Die Reinigungsarbeiten dagegen könnten ohne besondere Einarbeitung ausgeübt werden.
 

Kein Wegfall der Geschäftsgrundlage

Auch könne sich der Arbeitgeber nicht auf das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berufen. Dies komme nur in Betracht, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend geändert hätten oder sich wesentliche Vorstellungen, die Grundlage des Vertrages geworden sind, als falsch herausstellten.
 
Eine wesentliche Änderung der Situation könne schon deshalb nicht vorliegen, weil der Arbeitgeber ja selbst vorgetragen habe, die Reinigung erfordere nur wenige Minuten und der Kläger müsse sie auch nur zweimal im Monat durchführen.
 
Aus demselben Grund sei der Kläger auch nicht nach dem Grundsatz von „Treu und Glauben“ zum Reinigen der Toilette verpflichtet.
 
Links
 
Urteil des Arbeitsgerichts Berlin
 
Lesen Sie auch
 
Kollegen auf der Toilette eingesperrt  - fristloser Kündigungsgrund?

Kündigung wegen versuchten Prozessbetrugs

Sind Routinegänge wie der Weg zur Toilette oder Kantine versichert?

Das sagen wir dazu:

Auch wenn es gelegentlich anders scheint: Die Pandemie ist kein rechtsfreier Zustand. Auch wenn die meisten Arbeitgeber mit dem Erstellen von Hygienekonzepten zusätzlichen Aufwand hatten, können sie diesen nicht ohne weiteres auf die Beschäftigten abwälzen.

Die Arbeitspflicht richtet sich nach dem Arbeitsvertrag

Und genau so wenig, wie ein Arbeitgeber seine Beschäftigten ohne weiteres ins Home-Office schicken kann, kann er ihnen Aufgaben zuweisen, die nicht vom Arbeitsvertrag gedeckt sind.


Hier war der Kläger als Lagerist angestellt, damit liegt es nicht wirklich nahe, ihn mit der Reinigung der sanitären Einrichtungen zu beauftragen. Das Arbeitsgericht Berlin hat dies in seinem Urteil klar zum Ausdruck gebracht.

Ohnehin erscheint es fragwürdig, dass die Toilette nur in der Pandemie gereinigt werden soll. Um vor Gericht Erfolg zu haben, hätte der Arbeitgeber sicher darlegen müssen, wer die Toilette vorher gereinigt hat und warum er dies nun nicht mehr tut.

Stattdessen hat der Arbeitgeber ein klassisches Eigentor fabriziert, in dem er sich darauf berufen hat, die Tätigkeit sei ja schon allein deshalb zumutbar, weil sie einen geringen zeitlichen Umfang habe. Dies ist die typische Sichtweise vieler Arbeitgeber, ihre Beschäftigten könnten „ja grad mal eben“ Dinge erledigen, die nicht zu ihrem Arbeitsvertrag gehören, weil dies ja zeitlich nicht aufwendig sei.

Zumutbarkeit ist keine Frage der zeitlichen Dauer

Dabei spielt die Frage des Zeitumfangs überhaupt keine Rolle: Wenn Beschäftigte zu einer Tätigkeit nicht verpflichtet sind, müssen sie sie nicht erledigen, egal wie gering der zeitliche Umfang ist. Dies führt keineswegs dazu, dass aus einer nicht zumutbaren Arbeit eine zumutbare wird.

Gleichzeitig ist tatsächlich nicht einzusehen, warum der Arbeitsvertrag des Klägers nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angepasst werden soll, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die sich tatsächlich in 10 Minuten monatlich erschöpft.

Offenbar hatte der Arbeitgeber darauf spekuliert, es reiche die allfällige Begründung aus, es sei aus Gründen der Pandemie erforderlich. In diesem Fall hatte er die Rechnung aber ohne den wehrhaften Lagerarbeiter und seinen gewerkschaftlichen Rechtsschutz gemacht.