Mit Urteil vom 23. November 2015 hat das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden, dass ein Mitarbeiter eines Müllheizkraftwerks verlangen kann, dass ihm die Zeiten, die für das An- und Ausziehen der Arbeitskleidung auf dem Werksgelände und den Weg zwischen Umkleidestelle und
Arbeitsplatz anfallen, als Arbeitszeit vergütet werden.

Wenn das Tragen von Arbeitskleidung Pflicht ist und diese erst im Betrieb angelegt werden darf, gehören Umkleidezeiten nach der Rechtsprechung zur Arbeitszeit, die zu bezahlen ist. Die Richter*innen der 16. Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts haben nun entschieden, dass auch ein Arbeitgeber zahlen muss, der nicht vorgeschrieben hatte, die betriebliche Umkleidestelle zu nutzen. Die Vergütung hat für die Umkleidezeit und die deswegen erforderlichen Wege zu erfolgen.

Landesarbeitsgericht: Arbeitskleidung kann faktisch nur im Betrieb an- und ausgezogen werden

In dem vom Hessischen Landesarbeitsgericht entschiedenen Rechtsstreit enthielt der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Tarifvertrag keine Regelung zur Bezahlung von Umkleidezeiten. Das Tragen von Schutzkleidung war jedoch Pflicht. Unstreitig wurde die notwendige Arbeitskleidung regelmäßig stark verschmutzt, weshalb das Gericht ausschloss, dass der Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz – sei es im eigenen PKW oder sei es in öffentlichen Verkehrsmitteln – in dieser Kleidung zurückgelegt werden könne. Denn dies sei aus hygienischen Gründen weder dem Mitarbeiter selbst noch Mitreisenden in Bussen und Bahnen zuzumuten. Auch wenn der Arbeitgeber es nicht vorgeschrieben habe, könne die Arbeitskleidung faktisch nur im Betrieb an- und ausgezogen werden. Dort organisierte der Arbeitgeber auch die Reinigung der Arbeitskleidung. Überdies war das Firmenemblem sehr auffällig. Auch deswegen sei es für den Mitarbeiter nicht zumutbar, den Weg zur Arbeit in dieser Kleidung zurückzulegen.

Beklagte legte Revision beim Bundesarbeitsgericht ein

Gegen die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts wurde für die Beklagte das Rechtsmittel der Revision zu Bundesarbeitsgericht  zugelassen, wo die Sache unter dem Aktenzeichen 6 AZR 75/16 geführt wird.
Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.

Anmerkung:

Auch wenn durch die Rechtsprechung bisher nur klar gestellt wurde, dass dann, wenn die Pflicht besteht die Arbeitskleidung erst im Betrieb anzulegen und diese Umkleidezeiten zur Arbeitszeit gehören, die zu bezahlen ist, so würde es doch sehr wundern wenn die von der Beklagten eingelegte Revision beim Bundesarbeitsgericht von Erfolg gekrönt wäre. Denn es kann schlechthin nicht sein, dass es aufgrund einer fehlenden arbeits- oder tarifvertraglichen Regelung Mitarbeitern eines Müllheizkraftwerkes zuzumuten ist, sich außerhalb der Arbeitszeiten umzukleiden. Dies insbesondere dann nicht, wenn eine Pflicht besteht Schutzkleidung zu tragen.

Als erfreulich ist anzumerken, dass immer mehr Arbeitnehmer*innen sich dagegen wehren, notwendige Umkleide- und Wegzeiten unbezahlt zu lassen und vor den Arbeitsgerichten die ihnen zustehende Vergütung für eben diese Zeiten einklagen.


Das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 23.11.2015 -  16 Sa 494/15 finden Sie hier im Volltext

Hier finden Sie weitere Entscheidungen zum Thema „Umkleidezeiten“:

Umkleidezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit

Umkleiden ist keine Freizeitbeschäftigung

Umkleiden im Wert von 3.500 €

Tönnies blockiert Rechtsstreit wegen Wege- und Umkleidezeiten

Anlegen von Schutzkleidung zählt als Arbeitszeit

Dienstkleidung