Die Versetzung des Klägers in das Lager seines Arbeitgebers hielt das Arbeitsgericht für unwirksam. © Adobe Stock: Kadmy
Die Versetzung des Klägers in das Lager seines Arbeitgebers hielt das Arbeitsgericht für unwirksam. © Adobe Stock: Kadmy

Der von Martin Tecza vom DGB Rechtsschutzbüro Wiesbaden vertretene Kläger stritt um die Unwirksamkeit einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Versetzung und seine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen als Einrichter.

 

Der Kläger war seit über zehn Jahren als Einrichter tätig

 

Der Mann hatte 1978 eine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik bei der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin absolviert.

 

In seinem Arbeitsvertrag hieß es:

 

„Die Firma behält sich vor, dem Mitarbeiter auch andere zumutbare Aufgaben zu übertragen, soweit diese seiner Qualifikation, seinen Erfahrungen und seinen Kenntnissen angemessen sind.“

 

Im April 2021 versetzte die Beklagte den Kläger in die Logistik. Er sollte dort als Fachkraft für Lagerlogistik eingesetzt werden. Ein neuer Betriebsleiter habe wohl „aufräumen“ wollen, meint der gewerkschaftliche Prozessbevollmächtigte Tecza.

 

Die Tätigkeit des Klägers bestand fortan darin, nichts anderes zu tun, als Paletten mit der Ware der Beklagten vom Fließband zu nehmen, zu verpacken und dies in ein Softwareprogramm umzutragen. Anschließend sollte er die verpackten Paletten für verschiedene Speditionen zu vereinbarten Uhrzeiten bereitstellen. Seiner Auffassung nach bedurfte es keiner Ausbildung für diese Tätigkeit.

 

Der Arbeitgeber mühte sich, dem Kläger die neue Arbeit schönzureden. Er – der Arbeitgeber - trage damit zum Arbeitsschutz bei, denn der Kläger müsse nun keine Nachtschichten mehr leisten.

 

Der Kläger hielt die Versetzung für unwirksam

 

Die Jurist*innen vom DGB Rechtsschutzbüro Wiesbaden vertraten den Kläger anschließend im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Sie beantragten, ihren Mandanten als Einrichter mit den bisherigen Tätigkeiten zu beschäftigen, hilfsweise die Versetzung in die Abteilung Logistik als Fachkraft für Logistik für unwirksam zu erklären.

 

In ihrer Klagebegründung argumentierten sie damit, die Beklagte habe im Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel verwandt, die der gerichtlichen Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht standhalte. Aus ihr ginge weder hervor, dass billiges Ermessen einzuhalten sei noch enthalte sie einen Hinweis darauf, dass die Versetzung nur auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz erfolgen könne.

 

Auch die Versetzung selbst sei unbillig, da sie den Interessen des Klägers, der bislang für komplexe Vorgänge verantwortlich gewesen sei, keine Rechnung trage.

 

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt

 

Weil die Beklagte dem Kläger aufgrund des Arbeitsvertrages keinen Arbeitsplatz in der Logistik zuweisen konnte, habe der Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen als Einrichter, so das Arbeitsgericht. Die Versetzung sei unwirksam.

 

Je enger die Tätigkeit sowie die Einzelheiten der Beschäftigung im Arbeitsvertag festgeschrieben seien, umso geringer falle der Spielraum des Arbeitgebers zur Ausübung seines Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO aus.

 

Die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag benachteilige den Kläger gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es handele sich dabei um eine vorformulierte Vertragsbedingung. Diese unterliege einer Inhaltskontrolle nach den Bürgerlichen Gesetzbuch.

 

Erweiterungen des Weisungsrechts sind nicht uneingeschränkt möglich

 

Die Versetzungsklausel enthalte eine Erweiterung des Weisungsrechts des Arbeitgebers insofern, als die Firma sich vorbehalte, dem Mitarbeiter auch andere zumutbare Aufgaben zu übertragen, soweit diese seiner Qualifikation, seinen Erfahrungen und seinen Kenntnissen angemessen sind.

 

Für eine echte Erweiterung des Weisungsrechts gebe es Beschränkungen. Diese umfasse nicht die Befugnis des Arbeitgebers zur Versetzung auf einen Arbeitsplatz mit einer geringwertigeren Tätigkeit, und zwar auch dann, wenn die bisherige Vergütung fortgezahlt werde. Eine Versetzungsklausel, die die Zuweisung von gleichwertigen Tätigkeiten erlaube, begegne demgegenüber keinen rechtlichen Bedenken.

 

Im Fall des Klägers lasse die Versetzungsklausel offen, ob die Beklagte dem Kläger auch geringwertigere Tätigkeiten zuweisen konnte.

 

Zumutbarkeit ist nicht gleichbedeutend mit Gleichwertigkeit

 

Auch nach Vergütung und dem Arbeitsinhalt nicht gleichwertige Tätigkeiten könnten zumutbar sein. Der Begriff der Zumutbarkeit wiederhole lediglich die nach § 106 GewO an die Klausel zu stellenden Anforderungen. Damit würden die Anforderungen jedoch nicht näher konkretisiert.

 

Die Klausel im Arbeitsvertrag des Klägers lasse die Auslegung zu, dass eine einseitige Änderung der Tätigkeitsart nur dann zulässig sei, wenn diese Änderung in der Zuweisung einer anderen, gleichwertigen Tätigkeit bestehe. Es komme aber auch die Auslegung in Betracht, wonach das auch dann gelten solle, wenn die zugewiesene Tätigkeit nicht gleichwertig sei.

 

Blieben Zweifel über den Inhalt der Klausel, gingen diese zulasten des Arbeitgebers als Verwender. Zu wählen sei die für den*die Arbeitnehmer*in günstigste Auslegungsvariante. Das sei vorliegend diejenige Auslegung, wonach die Klausel unangemessen und damit unwirksam sei.

 

Die gesetzlichen Vorschriften bleiben maßgeblich

 

Führe die Kontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Unwirksamkeit eines Versetzungsvorbehaltes, richte sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften. Eine Reduktion der Bestimmungen auf das angemessene Maß finde nicht statt. Vorliegend sei maßgeblich das gesetzliche Weisungsrechts des Arbeitgebers wie es sich aus § 106 GewO ergebe.

 

§ 106 GewO berechtige den Arbeitgeber nicht, die Art der Beschäftigung unbegrenzt abzuändern. Die Übertragung einer anderweitigen Tätigkeit als der bisherigen Tätigkeit sei Kraft Weisung nur zulässig, wenn die geänderte Tätigkeit gleichwertig sei. Das Arbeitsverhältnis genieße Bestandsschutz auch gegen eine inhaltliche Änderung der Tätigkeit.

 

Der Arbeitgeber könne deshalb auch dann keine niedrige zu bewertende Tätigkeit zuweisen, wenn er die höhere Vergütung zahle, die der bisherigen Tätigkeit entspreche. In diesem Fall wäre nur eine sogenannte Änderungskündigung möglich.

 

Eine Gleichwertigkeit ist nicht gegeben

 

Die dem Kläger zugewiesene Tätigkeit in der Lagerlogistik sei der früheren Tätigkeit des Klägers als Einrichter nicht gleichwertig. Dort habe er die Befugnis gehabt, mehreren, ihm unterstellten Mitarbeiter*innen Anweisungen zu erteilen.

 

Ein Einrichter durchlaufe eine mindestens dreijährige fachspezifische Ausbildung und mindestens zweijährige Fachausbildung oder langjährige Berufserfahrung. Ob und in wie fern die Tätigkeit in der Lagerlogistik ein qualifiziertes Arbeiten fordere, habe die Beklagte nicht ausreichend dargelegt.

 

Die Gleichwertigkeit der mit der Versetzung übertragenen Tätigkeit im Lager sei damit nicht erwiesen.

 

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden.

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 106 GewO; § 307 Abs. 1 BGB

§ 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

§ 307 Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.