BVerfG: Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher unzulässig! Copyright by Adobe Stock/N. Theiss
BVerfG: Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher unzulässig! Copyright by Adobe Stock/N. Theiss

Die Beschwerdeführerin, eine Arbeitgeberin in der Unterhaltungsindustrie, wandte sich an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), mit dem Ziel, das 2017 eingeführte und sich aus § 11 Abs. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ergebende Streikbrecherverbot  als verfassungswidrig erklären zu lassen.
 
Durch das Verbot, wonach der Entleiher Arbeitskräfte nicht auf bestreikten Arbeitsplätzen tätig werden lassen darf, wenn sein Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist, fühlte sich die Arbeitgeberin in der Wahl der Mittel eines Arbeitskampfes eingeschränkt.
 
Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.
 

Verfassungsbeschwerde unbegründet

Offengelassen hat das BVerfG die Frage, ob die Beschwerdeführerin als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin in den persönlichen Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) fällt. Klar sei jedoch, dass die angegriffene Regelung mit den sich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebenden Anforderungen vereinbar ist..
Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit, so die Hüter der Verfassung, sei vorbehaltlos zu gewährleisten. Wie jedes andere Grundrecht könne es jedoch, zugunsten anderer Ziele mit Verfassungsrang, durch den Gesetzgeber beschränkt werden. Die Regelung des § 11 Abs. 5 AÜG sei vom Ermessenspielraum des Gesetzgebers gedeckt und sie sei auch verhältnismäßig.
 

Arbeitgeber werden in zumutbarer Weise beschränkt, sich gegen Streiks zu wehren

Die sich aus § 11 Abs. 5 AÜG ergebende Regelung verbiete nicht den generellen Einsatz von Leiharbeitnehmern, sondern nur deren unmittelbaren oder mittelbaren Einsatz als Streikbrecher. Die damit vom Gesetzgeber verfolgten Ziele, Leiharbeitnehmern ein angemessenes Arbeitsverhältnis zu gewähren und eine funktionierende Tarifautonomie zu erhalten, seien von erheblichem Gewicht.
 
Vor Erlass des Verbots, so das Gericht, sei die Arbeitnehmerüberlassung in großem Umfang im Arbeitskampf eingesetzt worden, was zu einer erheblichen Verschiebung der Kräfte im Arbeitskampf zu Lasten der Gewerkschaften geführt habe.
 
Ohne das Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher würde der Streik an Durchsetzungskraft verlieren. Denn dann sei es den Arbeitgebern möglich, die Folgen eines Streiks durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern nahezu folgenlos abzufangen. Durch das Verbot in § 11 Abs. 5 AÜG werde die grundlegende Parität zwischen den Tarifvertragsparteien wieder hergestellt.
 
Hier finden Sie den vollständigen Beschluss des BVerfG vom 19.6.2020

Rechtliche Grundlagen

§ 11 Abs. 5 AÜG, Art. 9 Abs. 3 GG

§ 11 Abs. 5 AÜG

(5) Der Entleiher darf Leiharbeitnehmer nicht tätig werden lassen, wenn sein Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Entleiher sicherstellt, dass Leiharbeitnehmer keine Tätigkeiten übernehmen, die bisher von Arbeitnehmern erledigt wurden, die
1.
sich im Arbeitskampf befinden oder
2.
ihrerseits Tätigkeiten von Arbeitnehmern, die sich im Arbeitskampf befinden, übernommen haben.
Der Leiharbeitnehmer ist nicht verpflichtet, bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist. In den Fällen eines Arbeitskampfes hat der Verleiher den Leiharbeitnehmer auf das Recht, die Arbeitsleistung zu verweigern, hinzuweisen.



Art. 9 Abs. 3 GG

3) 1Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. 2Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. 3Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.