Mit dieser Frage hat sich das Arbeitsgericht Mainz in einem Eilverfahren auseinandergesetzt.
Förderunterricht während der Corona-Pandemie
Ein 62-jähriger Diplompädagoge ist an einer Berufsschule angestellt. Er erteilt Förderunterricht für benachteiligte Schüler. Die Schule verlangt von ihm, diesen Unterricht trotz der Corona-Pandemie weiter im Klassenzimmer zu halten.
Ein Lehrer wehrt sich
Damit war der Lehrer nicht einverstanden. Er vertrat die Auffassung, es sei ihm nicht zumutbar, die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken auf sich zu nehmen. Schließlich sei er wegen seines Alters besonders gefährdet. Außerdem bestehe gar kein Bedürfnis für einen Präsenzunterricht.
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wandte der Lehrer sich an das Arbeitsgericht.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Arbeitsgericht gab der Schule recht. Sie habe einen Ermessensspielraum, wie sie den Gefahren der Corona-Pandemie begegnen wolle. Es sei nicht die Aufgabe der Gerichte, darüber zu entscheiden, welcher Lehrer wie einzusetzen sei.
Außerdem komme hinzu, dass das Klassenzimmer über 25 m² verfüge. Es sei also sichergestellt, dass der Lehrer hinreichend Abstand zu seinen Schülern halten könne.
Auch das Argument des Lehrers, der Förderunterricht sei gar nicht erforderlich, erkennt das Arbeitsgericht nicht an. Vielmehr stammten die benachteiligten Schüler typischerweise nicht aus Akademikerhaushalten, wo sie problemlos und Internetzugang und Unterstützung durch ihre Eltern hätten.
ArbG Mainz 08. Juni 2020; 4 Ga 10/20
Das sagen wir dazu:
Das meinen wir dazu
Es ist bedauerlich, dass diese Entscheidung überhaupt notwendig war. Allein wegen seines Alters gehört der Lehrer zu einer Risikogruppe. Dass er deshalb Präsenzunterricht vermeiden wollte, ist nachvollziehbar. Unverständlich ist jedoch, warum die Schule trotzdem genau darauf bestand. Es stellt sich vielmehr die Frage, warum es nicht möglich gewesen sein soll, den Förderunterricht sicherzustellen, ohne den Lehrer dafür einsetzen zu müssen. Zumindest vorübergehend hätte ein Einsatz jüngere Kolleg*innen oder von Vertretungskräften – etwa freiwillig dazu bereite Referendare oder Lehramtsstudenten – Vorrang vor einem Zwangseinsatz des 62-jährigen gehabt. Außerdem ist nicht ersichtlich, warum nicht eine der vielen Formen von digitalisierten Unterricht möglich gewesen sein soll. Hier wäre eine größere Gesprächsbereitschaft der Schule wünschenswert gewesen.
Aber auch die Entscheidung selbst überzeugt nicht. Der Verweis auf die Quadratmeterzahl verkennt die spezifische Situation in einem Klassenzimmer während des Unterrichts. Dass sich Lehrer und Schüler „näherkommen“, ist in der konkreten Unterrichtssituation häufig unvermeidlich. Und dies gilt unabhängig davon, wie groß das Klassenzimmer ist.
Das sagen wir dazu