Reicht der Zeitablauf allein, um eine einstweilige Verfügung zu begründen? © Adobe Stock Nuthawut
Reicht der Zeitablauf allein, um eine einstweilige Verfügung zu begründen? © Adobe Stock Nuthawut

Geklagt hat eine Mutter, die sich nach der Geburt ihres Kindes ab Juni 2020 in Elternzeit befindet. Im April 2022 soll die Elternzeit enden. Im Februar diesen Jahres beantragte sie bei ihrem Arbeitgeber, sie ab Mai mit 30 Stunden pro Woche zu beschäftigen. Der Arbeitgeber stimmte nicht zu: Angeblich gebe es keine Möglichkeit, sie zu beschäftigen.

 

Deshalb klagte sie beim Arbeitsgericht und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung, um die Beschäftigung in Teilzeit durchzusetzen.

 

Erfolg für die Arbeitnehmerin erst in der Berufung

 

Die Klägerin, die als Head of Customer Strategy & Salesforce direkt den Geschäftsführern unterstellt ist, war auch bereit, während der Elternzeit eine andere, geringwertigere Tätigkeit zu übernehmen.

Der Arbeitgeber, der ein Onlineportal betreibt, verfüge über mehrere freie Stellen, die sie ausfüllen könne.

 

Das Arbeitsgericht Köln hat den Antrag ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen und auch der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) änderte in zweiter Instanz die Entscheidung teilweise ab. Das beklagte Unternehmen wurde verurteilt, die Klägerin bis zum Ende der Elternzeit im April 2022 im Umfang von 30 Wochenstunden in gleicher Position wie zuvor zu beschäftigen.

 

Anforderungen an den Erlass einer einstweiligen Verfügung erfüllt

 

Das LAG bejaht Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund. Die Klägerin habe die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit glaubhaft gemacht. Der Arbeitgeber hingegen habe nicht glaubhaft gemacht, dass dringende betriebliche Gründe gegen die Beschäftigung in Teilzeit sprechen würden. Hier genüge die bloße Behauptung, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit nicht. Um schlüssig darzulegen, warum die Zustimmung verweigert wurde, seien vielmehr die Tatsachen zu bezeichnen, die der befristeten Beschäftigung mit der gewünschten verringerten Arbeitszeit entgegenstehen.

 

Bei der Prüfung, ob ein Verfügungsgrund vorliegt, also der Anspruch im einstweiligen Rechtsschutz zügig durchgesetzt werden muss, hat das LAG die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmerin abgewogen. Dabei reiche der Hinweis auf den bloßen Zeitablauf oder dass der Arbeitnehmer dringend auf den Verdienst angewiesen sei, nicht, so das LAG. Die teilweise Vorwegnahme der Hauptsache schließe den Erlass einer einstweiligen Verfügung aber auch nicht aus. Regelmäßig komme als Verfügungsgrund nur ein konkretes ideelles Interesse des Arbeitnehmers an seiner Beschäftigung in Betracht. Und dieses habe die Klägerin glaubhaft gemacht. Sie müsse bei einer weiteren Abwesenheit konkret befürchten, dass an ihrer Stelle andere Arbeitnehmer gefördert würden und sie auf ein Abstellgleis gerate.

 

Einstweilige Verfügung zur Sicherung des Anspruchs auf Teilzeit möglich

 

Das LAG stellte klar, dass die Besonderheiten des Teilzeitanspruchs einer einstweiligen Verfügung nicht entgegenstehen.

Die Regelung im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz ist besonders konzipiert: Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Zustimmung des Arbeitgebers zur Änderung des Arbeitsvertrages, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Der Arbeitgeber muss dann der reduzierten Stundenzahl zustimmen. Weigert er sich, kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch im Klagewege durchsetzen. Der Antrag ist darauf gerichtet, dass der Arbeitgeber das Angebot des Arbeitnehmers auf Änderung des Vertrages annehmen muss. Dabei tritt die angestrebte Vertragsänderung erst ein, wenn eine endgültige und rechtskräftig gerichtliche Entscheidung vorliegt.

 

Aus dieser gesetzlichen Regelung wird in der Literatur zum Teil geschlossen, im Teilzeitrecht komme eine einstweilige Verfügung nicht in Betracht. Diesen Schluss zieht das LAG nicht. Denn ansonsten würde der Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit praktisch vollständig entwerten, könne gar nicht umgesetzt werden, heißt es im Urteil. Daher gelte vielmehr umgekehrt: Dem einstweiligen Verfügungsverfahren komme für alle Teilzeitansprüche und insbesondere für die Teilzeit während der Elternzeit, die von vornherein nur vorübergehend ausgeübt werden kann, eine besondere Bedeutung zu. 

 

LINKS:

Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 4. Juni 2021 (5 Ta 71/21) im Volltext

Allgemeine Infos zur Elternteilzeit

 

 

Das sagen wir dazu:

Im Teilzeitrecht kommt es erst dann zu einer Vertragsänderung, wenn das der Klage stattgebende Urteil rechtskräftig ist. Diese Regelung zur Vollstreckung hindert Arbeitnehmer*innen daran, den Teilzeitwunsch schnell zu realisieren. Diesen Aspekt hat das LAG als Ausgangspunkt für seine Überlegungen genommen. Es kommt damit zu dem guten Ergebnis, dass eine einstweilige Verfügung zur Sicherung des Anspruchs auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit möglich sein muss. Denn ansonsten würde dem Betroffenen die Möglichkeit genommen, seinen Teilzeitanspruch während der Elternzeit praktisch umzusetzen.

 

Erfreulich klar spricht das LAG dem einstweiligen Verfügungsverfahren für alle Teilzeitansprüche eine besondere Bedeutung zu. Manchmal muss es eben schnell gehen und hier hätte der Klägerin eine rechtskräftige Entscheidung in ein oder zwei Jahren nur noch wenig oder gar nichts genutzt.

 

Zeitablauf oder besonderes Beschäftigungsinteresse?

 

Das LAG spricht sich jedoch auch deutlich dafür aus, dass der drohende Zeitablauf an sich die einstweilige Verfügung nicht begründen könne. Das wird rechtlich unterschiedlich gesehen. Das LAG hat hier eine mittlere Position und sagt, die teilweise Vorwegnahme der Hauptsache schließe den Erlass einer einstweiligen Verfügung ebenso wenig aus wie sie der bloße Zeitablauf zwingend gebiete. Der Arbeitnehmer müsse ein besonderes Interesse an der Beschäftigung darlegen.

 

Das LAG Hamm beispielsweise hat das anders entschieden. Der Leitsatz zum Urteil vom 5. Februar 2021 (Az. 12 SaGa 1/21) lautet:

Macht der Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis im Wege eines Antrags auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung seinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung geltend, muss er im Hinblick auf den Verfügungsgrund kein besonderes Beschäftigungsinteresse darlegen, wenn der Anspruch unzweifelhaft besteht.

Rechtliche Grundlagen

Auszüge aus § 15 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) - Anspruch auf Elternzeit

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Elternzeit, wenn sie
1. a) mit ihrem Kind, (…) in einem Haushalt leben und
2. dieses Kind selbst betreuen und erziehen.
(…)
(2) Der Anspruch auf Elternzeit besteht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes. Ein Anteil von bis zu 24 Monaten kann zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes in Anspruch genommen werden. (…)
(3) Die Elternzeit kann, auch anteilig, von jedem Elternteil allein oder von beiden Elternteilen gemeinsam genommen werden. (…)
(4) Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin darf während der Elternzeit nicht mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats erwerbstätig sein. (…)
(5) Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin kann eine Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung beantragen. Über den Antrag sollen sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin innerhalb von vier Wochen einigen. Der Antrag kann mit der schriftlichen Mitteilung nach Absatz 7 Satz 1 Nummer 5 verbunden werden. Unberührt bleibt das Recht, sowohl die vor der Elternzeit bestehende Teilzeitarbeit unverändert während der Elternzeit fortzusetzen, soweit Absatz 4 beachtet ist, als auch nach der Elternzeit zu der Arbeitszeit zurückzukehren, die vor Beginn der Elternzeit vereinbart war.
(6) Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin kann gegenüber dem Arbeitgeber, soweit eine Einigung nach Absatz 5 nicht möglich ist, unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal eine Verringerung seiner oder ihrer Arbeitszeit beanspruchen.
(7) Für den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gelten folgende Voraussetzungen:
1.
Der Arbeitgeber beschäftigt, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung, in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen,
2.
das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen besteht ohne Unterbrechung länger als sechs Monate,
3.
die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit soll für mindestens zwei Monate auf einen Umfang von nicht weniger als 15 und nicht mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats verringert werden,
4.
dem Anspruch stehen keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen und
5.
der Anspruch auf Teilzeit wurde dem Arbeitgeber
a)
für den Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes sieben Wochen und
b)
für den Zeitraum zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes 13 Wochen vor Beginn der Teilzeittätigkeit schriftlich mitgeteilt.
Der Antrag muss den Beginn und den Umfang der verringerten Arbeitszeit enthalten. Die gewünschte Verteilung der verringerten Arbeitszeit soll im Antrag angegeben werden. Falls der Arbeitgeber die beanspruchte Verringerung oder Verteilung der Arbeitszeit ablehnen will, muss er dies innerhalb der in Satz 5 genannten Frist mit schriftlicher Begründung tun. Hat ein Arbeitgeber die Verringerung der Arbeitszeit
1.
in einer Elternzeit zwischen der Geburt und dem vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes nicht spätestens vier Wochen nach Zugang des Antrags oder
2.
in einer Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes nicht spätestens acht Wochen nach Zugang des Antrags
schriftlich abgelehnt, gilt die Zustimmung als erteilt und die Verringerung der Arbeitszeit entsprechend den Wünschen der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers als festgelegt. Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer über die Verteilung der Arbeitszeit kein Einvernehmen nach Absatz 5 Satz 2 erzielt und hat der Arbeitgeber nicht innerhalb der in Satz 5 genannten Fristen die gewünschte Verteilung schriftlich abgelehnt, gilt die Verteilung der Arbeitszeit entsprechend den Wünschen der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers als festgelegt. Soweit der Arbeitgeber den Antrag auf Verringerung oder Verteilung der Arbeitszeit rechtzeitig ablehnt, kann die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer Klage vor dem Gericht für Arbeitssachen erheben.