Tätowierung kann Job kosten
Tätowierung kann Job kosten


Der Polizeipräsident in Berlin hatte einen Bewerber auf eine Stelle für den Zentralen Objektschutz der Berliner Polizei aufgrund einer Tätowierung an seinem Unterarm abgelehnt. Die Tätowierung zeigte  die Göttin Diana mit entblößten Brüsten. Der Objektschutz ist eine besondere Einrichtung der Berliner Polizei und dient dem Schutz von diplomatischen und jüdischen Einrichtungen sowie von Landeseinrichtungen im Rahmen des Postendienstes sowie des Fuß- und motorisierten Streifendienstes.

Das Arbeitsgericht Berlin hat den Antrag des Bewerbers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Der Antragsteller wollte mit dem Antrag die anderweitige Besetzung der Stelle verhindern.

Das Gericht verwies auf den Beurteilungsspielraum der Berliner Polizei und konnte

Ermessenfehler bei ihrer Entscheidung nicht erkennen. Es sei jedenfalls gut vertretbar, dass

eine solche Abbildung auf dem Arm eines Mitarbeiters des Polizeipräsidenten von Bürgerinnen und Bürgern als sexistisch wahrgenommen werden könne.

Rechtlicher Hintergrund

Der Antragsteller hatte sich für eine Arbeitsstelle als Objektschützer bei der Berliner Polizei beworben. Das Land Berlin als Arbeitgebern trifft grundsätzlich nach eigenem Ermessen die Entscheidung über die Auswahl des Bewerbers. Allerdings ist ein Bundesland kein gewöhnlicher Arbeitgeber. Es geht um die Einstellung in den öffentlichen Dienst. Deshalb wird im vorliegenden Fall nicht nur eine Arbeitsstelle besetzt, sondern zugleich ein öffentliches Amt vergeben. Gemäß Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz (GG) hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Art. 33 Abs. 2 GG hat ein unter Verstoß gegen die Grundsätze der Bestenauslese abgelehnter Bewerber die Möglichkeit, vor Gericht die Beachtung seines Rechts effektiv durchzusetzen. Dazu gehört auch, dass ein benachteiligter Bewerber zur Abwehr einer drohenden Vergabe des Amtes an einen Konkurrenten auf Unterlassung klagen kann. Es besteht aber nur ein Anspruch auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Bewerbungsverfahrens. Das Gericht kann den öffentlichen Arbeitgeber also nur dazu verurteilen,  das Auswahlverfahren nach fehlerfreiem Ermessen durchzuführen.

Der Bewerber in unserem Fall hatte wegen der Ablehnung seiner Bewerbung eine Klage auf Unterlassung der Stellenbesetzung durch einen anderen Bewerber erhoben. Zugleich hatte er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt mit dem Ziel, die Besetzung der Stelle bis zur Entscheidung über seine Klage zu verhindern. Diesen Antrag hatte das Arbeitsgericht Berlin abgelehnt.

Eine einstweilige Verfügung kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um eine dringliche Angelegenheit handelt und deswegen die Entscheidung im Eilverfahren erforderlich ist, etwa weil ansonsten die Verwirklichung eines Rechtes vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Das ist hier der Fall, weil der Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Bewerbungsverfahren nur solange besteht, bis die entsprechende Stelle besetzt ist. 

Kann eine sichtbare Tätowierung einen Mangel an persönlicher Eignung darstellen?

Im Beamtenrecht wird seit Jahren eine kontroverse Diskussion darüber geführt, ob Uniformträger sichtbar tätowiert sein dürfen oder es sich erlauben können,  Nasenschmuck oder Ohrringe zu tragen. Zwei wesentliche Argumente gibt es für die Erlaubnis: zum einen sind in einem demokratischen Rechtsstaat auch Polizisten, Soldaten oder andere Uniformträger Bürger, die aus der Mitte der Gesellschaft kommen und keine Elite. Zum anderen ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Artikel 2 Absatz 1 GG geschützt. Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt.

In zahlreichen Erlassen ist hinsichtlich der Einstellung von Beamtinnen und Beamten allerdings sogar ein Verbot von sichtbaren Tätowierungen und Körperschmuck geregelt. Danach soll das Vertrauen der Bürger in eine neutrale und seriös auftretende Polizei geschützt werden. Es soll in der Amtswahrnehmung jede Individualität hinter die neutrale Erfüllung des dienstlichen Auftrages zurücktreten. Die sich aus der Uniform ergebende Legitimation und Autorität eines Beamten soll nicht durch Körperschmuck beeinträchtigt werden. Ein Staatsdiener repräsentiert den Staat und soll neutral sein. Ein entsprechender Erlass der Berliner Polizei ist allerdings kürzlich gelockert worden. Dort gibt es kein allgemeines Verbot für Polizeibeamte mehr, sichtbar Tätowierungen zu tragen.

Die Gesellschaft hat sich gewandelt

Während vor einigen Jahren Tätowierungen oder Ohrringe bei Männern noch selten waren und mit gesellschaftlichen Randgruppen verbunden wurden, lassen sich einiger Zeit immer mehr junge und ältere Menschen in auffälliger Weise für alle sichtbar tätowieren. Auch Ohrringe oder Piercings weisen nicht mehr auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu hin. Der Körperschmuck als solcher verletzt also offensichtlich das Neutralitätsgebot nicht mehr.

Zu Recht hat deshalb etwa das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einer Entscheidung vom 24.08.2017 festgestellt, die Einstellung eines Polizeibeamten könne nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die Tätowierung auf der Innenseite des linken Unterarms einen absoluten Eignungsmangel darstelle. Die Annahme, eine sichtbare Tätowierung könne eine dem Neutralitätsgebot unvereinbare Botschaft transportieren und das seriöse und neutrale Auftreten des Bewerbers beeinträchtigen, sei nicht belegt. Es sei auch nicht offenkundig, dass großflächige Tätowierungen dazu führten, dass ein Polizeivollzugsbeamter von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt werde.

Auf die Aussage kommt es an

Die Tätowierung als solche kann in der heutigen Zeit keinen Eignungsmangel mehr darstellen. Allerdings sind dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Artikels 2 Absatz 1 GG Grenzen gesetzt: es dürfen nicht die Rechte anderer verletzt und es darf nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen werden. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte am 17.11.2017 einen Polizeibeamten aus dem Dienst entfernt, weil er Tätowierungen mit verfassungsfeindlichem Inhalt trug. Das BVerwG wies darauf hin, dass eine Tätowierung zunächst zwar nur eine Körperdekorierung sei, durch die der Körper indessen bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt werde. Mit einer Tätowierung sei eine plakative Kundgabe verbunden, zu der sich der Träger schon angesichts ihrer Dauerhaftigkeit in besonders intensiver Weise bekenne.

Entsprechendes muss auch für Tätowierungen gelten, die die Rechte anderer verletzen. Das Grundgesetz schützt in Artikel 1 die Würde aller Menschen. Entscheidend ist also im vorliegenden Fall, ob die Tätowierung geeignet ist, die Würde von Frauen zu verletzen. Insoweit kommt es indessen auf den Empfängerhorizont an und nicht auf die Absicht des Trägers. Wesentlich ist also, wie die Darstellung in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Es ist insoweit ein großer Unterschied, ob die Göttin Diana mit entblößter Brust auf einem ästhetischen Gemälde in einer Galerie dargestellt wird oder in Form einer Tätowierung auf dem Unterarm eines Mannes.

Es spricht vieles dafür, dass eine Tätowierung, die eine Frau mit entblößter Brust darstellt, in der Öffentlichkeit als sexistisch wahrgenommen wird. Damit ist die Eignung des betreffenden Bewerbers in der Tat fraglich. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen Bewerber um einen Beamtendienstposten handelt oder um einen Bewerber für eine Stelle beim Objektschutz im Angestelltenverhältnis. In der Öffentlichkeit wird auch letzterer als Vertreter des Staates wahrgenommen.

Zur Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Berlin

 

Hier geht es zu weiteren Entscheidungen zum Thema "Tätowierung":

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 24. August 2017  - 2 L 3279/17 

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.11.2017 - 2 C 25.17

 

Zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2017 siehe auch:

"Durch eine Tätowierung kann ein Körper bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt werden und ein verfassungswidriges Bekenntnis dokumentieren"