Sozialversicherungspflicht für Programmierer in Heimarbeit? Copyright by Adobe Stock/Africa Studio
Sozialversicherungspflicht für Programmierer in Heimarbeit? Copyright by Adobe Stock/Africa Studio

In den Jahren 1989 bis 1992 war ein Bauingenieur und Programmierer bei einem Baustatik-Softwarehaus angestellt. Er war für die Pflege und Weiterentwicklung der von der Firma vertriebenen Software zuständig. Mit Schreiben vom 4. Mai 1992 kündigte er das Arbeitsverhältnis zum 1. Juli 1992.
Er begründete die Kündigung mit seinem Umzug und bekundete sein Interesse an einer weiteren Beschäftigung als freier Mitarbeiter. Die Parteien setzten ihre Zusammenarbeit fort, wobei diese formal als freies Mitarbeiterverhältnis ausgestaltet war. Der Kläger arbeitete gegen eine Stundenvergütung in seinem Homeoffice, das ca. 180 km vom Betrieb der Beklagten entfernt ist. Als diese 2013 aufgelöst werden sollte, wurden dem Programmierer keine weiteren Aufträge mehr erteilt.
 

Programmierer macht Arbeitnehmereigenschaft geltend

Der Programmierer klagte vor dem Arbeitsgericht. Er vertrat die Auffassung, dass er Arbeitnehmer sei. Jedenfalls aber sei er als Heimarbeiter anzusehen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte 2016 in letzter Instanz fest, dass zwischen der Firma und dem Programmierer zwar kein Arbeitsverhältnis, aber ein Heimarbeitsverhältnis bestanden habe.
 

Sozialgericht verneint abhängiges Beschäftigungsverhältnis

2013 hatte der Programmierer bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status beantragt. Die DRV stellte fest, dass er bei der Firma abhängig beschäftigt gewesen ist. Somit habe er der Sozialversicherungspflicht unterlegen.
Gegen die Entscheidung der Rentenversicherung klagte die Firma vor dem Sozialgericht (SG). Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BAG verneinte das SG ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Tätigkeit als Programmierer in Heimarbeit begründe keine Sozialversicherungspflicht. Gegen diese Entscheidung legte der Programmierer Berufung ein.
 

Landessozialgericht kippt erstinstanzliche Entscheidung

Das Hessische LSG entschied nun, dass der Programmierer als Heimarbeiter sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Heimarbeiter seien Personen, die in eigener Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Gewerbetreibenden, gemeinnützigen Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften erwerbsmäßig arbeiteten.
Gemäß der sozialgesetzlichen Regelung seien Heimarbeiter Beschäftigte und als solche auch sozialversicherungspflichtig. Dies gelte auch für Tätigkeiten, die eine höherwertige Qualifikation erforderten.
Entsprechend sei der Programmierer als sozialversicherungspflichtiger Heimarbeiter zu werten. Er habe 21 Jahre für die gleiche Firma gearbeitet und dieser das alleinige Nutzungs- und Vertriebsrecht für die von ihm entwickelten Programme eingeräumt. Für den allgemeinen Absatzmarkt sei er hingegen nicht tätig gewesen.
 

Nutzung des eigenen Computers nicht relevant

Dass der Programmierer seinen eigenen PC genutzt habe, sei angesichts der Dauer des Vertragsverhältnisses nicht relevant. Zudem habe die Firma Fortbildungskosten übernommen und die für die Fortbildung aufgewandte Zeit vergütet.
 
Hier geht es zur Pressemitteilung des Hessischen Landesozialgerichts vom 2.7. 2020
 
Für Interessierte:
Hier geht es zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.6.2016, Az: 9 AZR 305/15

Rechtliche Grundlagen

Auszüge aus §§ 7 und 7a SGB IV

§ 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

§ 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)
(1) Die Beteiligten können schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. (…)