Mit dieser Frage hat sich das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 26.09.2018 beschäftigt.
Vorstellungsgespräch plus Assessment-Center
Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen schrieb eine Stelle zur "Fachbereichsleitung Marketing und Kommunikation in der Zentrale" aus.
Darauf bewarb sich ein schwerbehinderter Mann, der bisher im Landesjustizministerium Nordrhein-Westfalen beschäftigt war. Er erhielt als einer von sechs Kandidaten ein Einladungsschreiben zu einem Vorstellungsgespräch. In diesem Schreiben war zu lesen, dass nach dem Gespräch eine Potenzialanalyse für Führungskräfte in Form eines Assessment-Centers folge, wenn es dem Bewerber gelinge, im Auswahlgespräch zu überzeugen.
Keine Einladung zum Assessment-Center
Nach dem Vorstellungsgespräch erhielt der schwerbehinderte Bewerber keine weitere Einladung für das Assessment-Center. Er sah darin eine Benachteiligung aufgrund seiner Schwerbehinderung. Deshalb klagte er beim Arbeitsgericht auf Ersatz seines immateriellen Schadens nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
Die Begründung der Klage
Der Kläger stützte seinen Antrag unter anderem darauf, dass
- das beklagte Land die Reichweite der Einladungspflicht öffentlicher Arbeitgeber nach dem Sozialgesetzbuch IX verkannt habe; es habe ihn auch zum Assessment-Center einladen müssen.
und
- das Vorstellungsgespräch nur eine Stunde gedauert habe; demgegenüber sei nur im fünfstündigen Assessment-Center die Eignung für die Stelle aussagekräftig überprüfbar.
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Ersatz des immateriellen Schadens
Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz kommt ein solcher Anspruch in Betracht, sollte ein Arbeitgeber gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen. Ein solcher Verstoß liegt unter anderem vor, wegen die Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung erfolgt. Ob eine solche Benachteiligung vorliegt oder nicht, müssen grundsätzlich die Arbeitnehmer*innen darlegen und ggfls. nachweisen. Aber das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sieht eine Beweiserleichterung vor. Gelingt es Arbeitnehmer*innen, Indizien vorzutragen und nachzuweisen, die für eine Benachteiligung sprechen, muss der Arbeitgeber vortragen und ggfls. nachweisen, dass trotz der Indizien keine Benachteiligung vorliegt.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, legte der Kläger Berufung ein. Aber auch das Berufungsgericht gab dem beklagten Land Recht.
Das erste Argument des Klägers
Die Richter*innen der zweiten Instanz sahen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass eine Diskriminierung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung vermutet werden könnte. Dass das beklagte Land den Kläger nicht zu der zweiten Stufe des Auswahlverfahrens eingeladen habe, lasse nicht die Vermutung einer Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung zu. Das beklagte Land sei seiner Einladungspflicht durch die Einladung zum Vorstellungsgespräch nachgekommen. Damit habe es sichergestellt, dass der Kläger nicht bereits nach der "Papierform" aus dem Rennen sei. Vielmehr habe er die Chance erhalten, persönlich zu überzeugen. Eine Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, einen schwerbehinderten Bewerber durch das gesamte Auswahlverfahren zu schleusen, selbst wenn dieser im Vorstellungsgespräch nicht überzeugt habe, lasse sich weder dem Wortlaut des Sozialgesetzbuches IX noch dem Sinn und Zweck der entsprechenden der Norm entnehmen. Außerdem sei der Einladung zum Vorstellungsgespräch zu entnehmen gewesen, dass eine Einladung zum Assessment-Center nur für Bewerber in Frage kommt, die im Vorstellungsgespräch überzeugen. Dazu habe der Kläger wie alle anderen Bewerber auch Gelegenheit gehabt.
Das zweite Argument des Klägers
In diesem Zusammenhang ist das Landesarbeitsgericht der Auffassung, entscheidend sei, dass der Kläger sich im Vorstellungsgespräch nicht für die Teilnahme am Assessment-Center-Verfahren qualifiziert habe. Da das beklagte Land deshalb nicht verpflichtet war, den Kläger zum Assessment-Center einzuladen, spiele es keine Rolle, wie lange Vorstellungsgespräch und Potenzialanalyse gedauert haben.
Ergebnis
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz seines immateriellen Schadens nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Es ist ihm nicht gelungen, Indizien vorzutragen, die für eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung sprechen.
Vergleiche dazu auch:
Mehrfachbewerbung schwerbehinderter Menschen
Rechtliche Grundlagen
§ 165 Soizialgesetzbuch IX
Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber
Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 156). Mit dieser Meldung gilt die Zustimmung zur Veröffentlichung der Stellenangebote als erteilt. Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Einer Inklusionsvereinbarung nach § 166 bedarf es nicht, wenn für die Dienststellen dem § 166 entsprechende Regelungen bereits bestehen und durchgeführt werden.