Eine Großkanzlei "tritt nach" und streitet bis in die zweite Instanz um das Wort „selbständig“ im Zeugnis einer ehemaligen Mitarbeiterin.
Eine Großkanzlei "tritt nach" und streitet bis in die zweite Instanz um das Wort „selbständig“ im Zeugnis einer ehemaligen Mitarbeiterin.


Die Klägerin war zweieinhalb Jahre als Assistentin in einer internationalen Anwaltskanzlei für einen der Partner tätig. Sie schied nach einer längeren Arbeitsunfähigkeit aus. 

Arbeitnehmerin und Arbeitgeber stritten danach um Urlaubsabgeltung und den Inhalt des Arbeitszeugnisses. 

Zeugnisberichtigungsklage in erster Instanz erfolgreich

Im Klageverfahren wegen Zeugnisberechtigung ging es auch darum, ob die Klägerin von der beklagten Kanzlei verlangen kann, dass diese das Wort "selbständig" bei der Arbeitsweise in das Arbeitszeugnis aufnimmt. Nein, meinen die Richter beim Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf, nachdem die Richter beim Arbeitsgericht die Frage noch bejaht hatten. 

Zu diesem Ergebnis kommt das LAG nach einer Prüfung, was für das Tätigkeitsfeld der Klägerin üblicherweise im Zeugnis zu stehen hat.  

Allgemeiner Zeugnisbrauch

Der Arbeitgeber kann im Rahmen der Zeugnisklarheit - und in den Grenzen der Zeugniswahrheit - entscheiden, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere. Aber: Ist es für Arbeitnehmer einer Branche oder einer Berufsgruppe üblich, bestimmte positive Eigenschaften oder Leistungen hervorzuheben, dann muss diesem Brauch auch im Zeugnis Rechnung getragen werden. 

Die Klägerin hatte vorgetragen, dass in Nordrhein-​Westfalen für eine Assistentin mit Sekretariatsaufgaben eines Partners einer Rechtsanwaltskanzlei mit internationaler Ausrichtung eine tatsächliche Übung bestehe, die Arbeitseigenschaft "selbstständig" zu erwähnen. 

Eine solche allgemeine Übung hatte das Arbeitsgericht Düsseldorf angenommen und die Großkanzlei verurteilt, das Wort „selbständig“ im Zeugnistext zu ergänzen. 

Erwähnung selbstständiger Arbeitsweise kein Zeugnisbrauch

Das LAG hat zu der Frage einer solchen Übung Auskünfte der Rechtsanwaltskammern Düsseldorf, Köln und Hamm eingeholt. Ein Zeugnisbrauch für die Erwähnung der Arbeitseigenschaft selbstständig ergab sich daraus für das Berufsbild der Klägerin nicht. 

Deshalb die endgültige gerichtliche Entscheidung: Die Klägerin kann von der Beklagten nicht verlangen, dass sie ihr in dem Arbeitszeugnis Selbständigkeit bescheinigt.

LAG bestätigt Anspruch auf Abänderung des Führungsverhaltes 

Bei der erstinstanzlichen Entscheidung verblieb es in Bezug auf die Beurteilung des Führungsverhaltens. Das Arbeitsgericht hatte der Klägerin Recht gegeben, dass es für sie nachteilig ist, wenn ihr direkter Vorgesetzter nicht erwähnt wird. Die Formulierung "Ihr Verhalten gegenüber den Rechtsanwälten, Kollegen und Mandanten war zu jeder Zeit einwandfrei" ließ den Partner als Vorgesetzten vermissen, der aber im Zeugnis sonst hervorgehoben war. 

Diese unvollständige und damit nachteilige Bewertung muss der Arbeitgeber nun endgültig um den Vorgesetzten ergänzen. 

Namhafte Großkanzlei tritt nach!

Wir können aufgrund des Ortes Düsseldorf, der Angaben im Urteil zu Standorten etc. sowie der Abkürzung C&C, sehr gut mutmaßen, um welche internationale Sozietät es hier geht. Da man dort aber augenscheinlich die nötigen Ressourcen für „Rachefeldzüge“ hat, nennen wir den Namen hier nicht.

Offenbar sind dort tatsächlich so viele Anwälte beschäftigt, dass sich jemand findet, um wegen zwei Wörtern im Arbeitszeugnis einer ehemaligen Assistenzkraft ein Berufungsverfahren zu führen. Man sollte doch wirklich meinen, dass es auch in Großkanzleien sinnvolleres zu tun gebe. 

Auch die Arbeitsgerichte kann man sicher besser beschäftigen, als mit einer solchen Zeugnisberichtigungsklage. Es ist nicht die feine Art, seinen Beschäftigten durch die Formulierung des Arbeitszeugnisses unnötig Steine in den Weg zu legen. Wenn die Rechtsanwälte schon nicht dem Wunsch der ehemaligen Mitarbeiterin auf Änderung des Zeugnisses nachgeben konnten, so hätten sie es ja zumindest mit dem Urteil des Arbeitsgerichts gut sein lassen können. Aber nein, es musste noch die zweite Instanz bemüht werden. Dabei ging es nicht einmal um die Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage, sondern doch wohl eher darum, möglichst zum Schluss als Gewinner dazustehen. Nachtreten nennt man sowas!

LINKS:

Hier können Sie das vollständige Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf einsehen


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