Klauseln, die eine Schriftform fordern, sind nach der Neuregelung unwirksam.
Vertragliche Ausschlussfristen
Viele Arbeitsverträge enthalten sog. Ausschlussfristen. Sie bewirken, dass Arbeitnehmer*innen Forderungen gegenüber ihrem Arbeitgeber innerhalb bestimmter Fristen geltend machen müssen. Geschieht dies nicht fristgerecht, verfallen sie, gleich, ob sie berechtigt waren oder nicht.
In Arbeitsverträgen sind Ausschlussfristen nur zulässig, wenn die Frist mindestens 3 Monate beträgt. Sollen Arbeitnehmer*innen in kürzerer Frist ihre Ansprüche dem Arbeitgeber mitteilen, ist das unzulässig. Die Vertragsklausel ist dann unwirksam und die Frist gilt nicht. Kürzere Fristen dürfen nur Tarifverträge vorsehen.
Schriftliche Geltendmachung
Vertragliche Ausschlussfristen sind so formuliert, dass die Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden müssen. Darunter könnte man ein Schreiben an den Arbeitgeber verstehen, welches auch unterschrieben ist. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jedoch entschieden, dass eine solch strenge Form nicht notwendig ist. Arbeitnehmer*innen können ihrem Arbeitgeber ihre Forderungen vielmehr wirksam auch per Fax oder Mail übermitteln und damit den Verfall ihrer Ansprüche vermeiden (BAG Urteil vom 07.07.2010, 4 AZR 549/08, unter III.).
Aus einer Verfallklausel, die pauschal "Schriftform" verlangt, geht dies aber nicht verständlich genug hervor.
Gesetzesänderung
Deshalb hat der Gesetzgeber nun durch Gesetz vom 17.02.2016 klargestellt, dass aus vertraglichen Bestimmungen die Textform als ausreichend hervorgehen muss und damit (Computer)-Fax oder Mail genügen. Es muss kein persönlich unterschriebener Text sein.
Der Gesetzgeber hat dazu eine Vorschrift geändert, die sich mit der Zulässigkeit von so genannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Verträgen befasst (§ 309 Nr. 13 BGB). Verbraucher, und das sind auch Arbeitnehmer*innen, sollen besonders geschützt werden, wenn sie von ihrem Vertragspartner vorformulierte Vertragsbedingungen vorgelegt bekommen, die sie nicht verhandeln und beeinflussen können. Diese Situation ist auch typisch bei Arbeitsverträgen, bei denen der Arbeitgeber die vertraglichen Regelungen in der Regel vorgibt und Arbeitnehmer*innen nur noch unterzeichnen können. Deshalb unterliegen derartige Vertragsklauseln einer strengen rechtlichen Prüfung. Sie müssen z. B. verständlich formuliert sein.
Ausschlussfristen, die Schriftform verlangen, sind unwirksam
Die Gesetzesänderung gilt für alle Arbeitsverträge, die ab dem 01.10.2016 geschlossen werden. Eine vertragliche Klausel über Ausschlussfristen darf ab diesem Zeitpunkt nicht mehr die Regelung enthalten, dass Forderungen schriftlich erklärt werden müssen. Soll in der Klausel überhaupt eine Form vorgegeben werden, darf das als „strengste“ Form nur noch die Textform sein. Damit reicht jeder Text aus, aus dem die Forderung und der Absender klar hervorgehen, was bei einem Fax oder einer Mail der Fall ist.
Die Geltendmachung per Mail erfordert auch keine qualifizierte Signatur; die einfache Mail reicht aus. Nur eine mündliche Erklärung ist nicht wirksam, wenn die Klausel Textform verlangt. Ausschlussklauseln in neu abgeschlossenen Arbeitsverträgen, die dagegen weiterhin Schriftform fordern, sind unwirksam.
Unwirksame Ausschlussfristen - Geltendmachung nach Fristablauf möglich
Beachtet der Arbeitgeber das neue Gesetz nicht und schreibt weiterhin die schriftliche Geltendmachung vor, können Arbeitnehmer*innen ihre Forderungen auch noch geltend machen, wenn die Frist eigentlich schon abgelaufen ist. Hier gilt das Gleiche, wie etwa bei einer zu kurz (unter 3 Monaten) bemessenen Ausschlussfrist.
Alt-Verträge und Tarifverträge
Die Neuregelung gilt nach einer gesetzlichen Übergangsregelung nur für Vertragsverhältnisse, die nach dem 30.09.2016 abgeschlossen worden sind. Ungeklärt ist, ob sie auch auf bloße Vertragsänderungen anzuwenden ist. Die Neuregelung erfasst dagegen Ausschlussfristen in Tarifverträgen ausdrücklich nicht (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB).
Zugangsnachweis bei Mail
Wollen Arbeitnehmer*innen Ansprüche gegenüber ihrem Arbeitgeber per Mail geltend machen, sollten sie auf folgendes achten: Aus der Mail muss unmissverständlich erkennbar sein, von wem die Erklärung kommt, z. B. durch eine Grußformel und Namensangabe am Ende der Mail. Anders als beim Fax durch den Sendebericht enthält die Mail üblicherweise keinen Nachweis darüber, dass und wann sie dem Empfänger zugegangen ist. Deshalb sollte man eine Lesebestätigung anfordern oder in der Mail darum bitten, dass der Zugang mitgeteilt wird.
Das Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts kann hier eingesehen werden.
Einen Auszug aus dem Artikel 1 zur Änderung des § 309 BGB gibt es in unserem Praxistipp.
Rechtliche Grundlagen
Änderung des § 309 BGB
Artikel 1
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42,2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 203) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 309 Nummer 13 wird wie folgt gefasst:
„
13. (Form von Anzeigen und Erklärungen) eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, gebunden werden
a) an eine strengere Form als die schriftliche Form in einem Vertrag, für den durch Gesetz
notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist oder
b) an eine strengere Form als die Textform in anderen als den in Buchstabe a genannten
Verträgen oder
c) an besondere Zugangserfordernisse.
„