Die Marktleiterin im Einzelhandel arbeitete nicht nur administrativ, sie räumte auch Regale ein. © Adobe Stock: Beaunitta V W/peopleimages.com
Die Marktleiterin im Einzelhandel arbeitete nicht nur administrativ, sie räumte auch Regale ein. © Adobe Stock: Beaunitta V W/peopleimages.com

Seit über 20 Jahren im Einzelhandel, zuletzt als Marktleiterin in Nordwestmecklenburg beschäftigt, sah sich die Klägerin einer für sie nicht nachvollziehbaren Ablehnung ihres Arbeitgebers ausgesetzt, der bundesweit über 340 Filialen betreibt. Der behauptete, Marktleiter*innen könnten nur in Vollzeit arbeiten. Teilzeittätigkeiten kämen nicht in Betracht, schließlich sei die Öffnungszeit des jeweiligen Marktes sicherzustellen.

 

Der Arbeitgeber legt die Öffnungszeiten des Marktes dar

 

Die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit im Einzelhandel betrage 39 Stunden, äußerte sich der Chef im nachfolgenden Prozess. Diese werde in der Regel auf 5 Werktage in der Woche von Montag bis Samstag verteilt. Der Markt der Beklagten, in welchem die Betroffene arbeite, sei an den Werktagen von Montag bis Samstag jeweils in der Zeit von 07:00 Uhr bis 20:00 Uhr geöffnet. Die regelmäßige Arbeitszeit der dort eingesetzten Mitarbeiter*innen beginne um 6:00 Uhr. Mindestens zwei Mitarbeiter*innen müssten vor Ort anwesend sein. Zwischen 6:00 Uhr und der Öffnung des Marktes um 7:00 Uhr würden täglich die in der Nacht angelieferten Waren eingeräumt.

 

Neben der Klägerin arbeiteten regelmäßig fünf weitere Mitarbeite*rinnen im Markt vor Ort. Zwei davon würden mit 30 Stunden je Woche und drei mit je 25 Stunden in der Woche eingesetzt. Es gebe auch geringfügig Beschäftigte.

 

Der Wunsch der Klägerin, ihre Arbeitszeit auf 32 Stunden je Woche zu reduzieren und die Arbeitstage so festzulegen, dass der Dienstag frei bleibe, sei nicht umsetzbar. Je Filiale gebe es nur eine*n Marktleiter*in. Eine Stellvertretung halte man vor Ort nicht vor.

 

Die Klägerin erledigte nicht nur Führungsaufgaben

 

Die Jurist*innen vom DGB Rechtsschutzbüro Schwerin hielten dem entgegen, die Klägerin arbeite nicht nur im administrativen Bereich, sondern erledige auch Aufgaben, die andere wahrnehmen könnten. Von diesen Aufgaben könne der Arbeitgeber sie teilweise entbinden.

 

Hauptargument war dabei, dass die Klägerin auch bei einer 39-Stunden-Woche planmäßig an einem Tag nicht im Markt sei. Vollzeitbeschäftigte Marktleiter*innen könnten die gesamten Öffnungszeiten nicht abdecken.

 

Der Arbeitgeber beharrte darauf, in seinem Unternehmen bestünde ein Konzept, Märkte nur durch Vollzeitkräfte führen zu lassen. Die Klägerin trage immerhin die Gesamtverantwortung für ihren Markt. Sie führe Personalgespräche, mache die Personalplanung, arbeite neues Personal ein und sei insbesondere auch für das Coaching und die Motivation der übrigen Beschäftigten verantwortlich. Das könne sie nur in Vollzeit leisten.

 

Das Arbeitsgericht sah das anders

 

Die Voraussetzungen zur Umsetzung des Teilzeitwunsches der Klägerin seien erfüllt. Betriebliche Gründe, die das Gesetz für eine Ablehnung vorgebe, stünden dem nicht entgegen.

 

Der Wortlaut des Gesetzestextes fordere keine dringenden betrieblichen Gründe, sondern nur betriebliche Gründe, so das Arbeitsgericht. Daraus folge, dass geringere Anforderungen an eine Ablehnung auf Grund betrieblicher Gründe zu stellen seien, als in den Fällen, in den das Gesetz dringende betriebliche Gründe verlange. Diese fordere beispielsweise das Kündigungsschutzgesetz in § 1 Absatz 2. Danach sei eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Gründe bedingt werde.

 

Andererseits schreibe das Teilzeit- und Befristungsgesetz vor, dass betriebliche Gründe dann beispielsweise vorlägen, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigten oder unverhältnismäßige Kosten verursachten. Damit stelle das Gesetz klar, dass es sich bei den betrieblichen Gründen trotz Beachtung der unternehmerischen Gestaltungsfreiheiten nicht um eine reine Missbrauchskontrolle handele.

 

Der Arbeitgeber muss ein Organisationskonzept haben

 

Der Arbeitgeber müsse insofern nachvollziehbare, rationale und hinreichend wichtige Gründe haben, um einer Verringerung der Arbeitszeit nicht zuzustimmen. Dazu müsse er ein Organisationskonzept vorweisen können. Daran habe das Gericht im Fall der Beklagten erhebliche Zweifel.

 

Auch Vollzeitkräfte könnten die gesamte Öffnungszeit des Marktes nicht abdecken. Es seien bei der Beklagten auch nur die Marktleiter*innen in Vollzeit beschäftigt, sämtliche weiteren Mitarbeiter*innen arbeiteten in Teilzeit. Die Beklagte habe zu ihrem Organisationskonzept im Übrigen nicht genau vorgetragen. Insbesondere erscheine nicht klar, wie die Vertretung vor Ort in Urlaubs- oder sonstigen Abwesenheitsfällen erfolge.

 

Schlagworte reichen nicht aus

 

Zwar sei in Anbetracht einer freien unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers nicht zu prüfen, ob das jeweilige Konzept sinnvoll oder zweckmäßig sei. Hier beschränke sich das Konzept jedoch schlagwortartig auf eine größtmögliche Präsenz der Marktleiter*innen. Welche Beeinträchtigungen der Organisation durch eine Verringerung der Arbeitszeit der Klägerin auftreten könnten, bleibe weitgehend offen.

 

Das Gericht erkenne keine hinreichenden Gründe für eine Ablehnung der Beklagten, die sich aus dem behaupteten Organisationskonzept ergebe. Erforderlich wäre insoweit gewesen, dass die unternehmerische Aufgabenstellung durch die von der Klägerin gewünschte Abweichung in der Arbeitszeitverteilung wesentlich beeinträchtigt würde. Insoweit trage die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast, der sie nicht genügt habe.

 

Die Beklagte muss dem Reduzierungswunsch der Klägerin zustimmen

 

Grund dafür sei das Fehlen eines Organisationskonzepts, welches betriebliche Gründe näher beleuchte. Zumindest die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Öffnungszeiten und den Einsatzzeiten von Vollzeitbeschäftigten fordere eine Vertretung. Weil die Beklagte neben der Marktleitung ausschließlich Teilzeitkräfte beschäftige, erfolge die Vertretung naturgemäß ohnehin bereits jetzt nur in Teilzeit.

 

Das spreche dagegen, die Marktleitung auf Vollzeitkräfte zu beschränken.

 

Die Beklagte müsse schließlich dem Wunsch der Klägerin auf Verteilung der Arbeitszeit entsprechen und ihr den Dienstag freigeben. Konkrete Einwände hiergegen habe sie nämlich nicht vorgebracht.