DGB Rechtsschutz Potsdam wendet Rückzahlung von Fortbildungskosten gegen Lokführer ab, Copyright: elmar gubisch.
DGB Rechtsschutz Potsdam wendet Rückzahlung von Fortbildungskosten gegen Lokführer ab, Copyright: elmar gubisch.

 

Der Lokführer war bei einem Infrastrukturunternehmen beschäftigt, dass sich um den Neubau, die Revitalisierung und die Instandhaltung von Bahnanlage kümmert. Mit diesem hatte er einen Fortbildungsvertrag geschlossen. Er sollte für ein Dreivierteljahr an einer Weiterbildung teilnehmen, um den Triebfahrzeugführerschein Klasse B zu erwerben. Die Kosten hierfür beliefen sich auf etwa 26.000 €.

 

Arbeitgeber übernimmt Fortbildungskosten für Triebfahrzeugführerschein

 

Diese Kosten sollte der Arbeitgeber übernehmen. Der Vertrag sah jedoch eine Klausel vor, nach der:

„Der Teilnehmer (…) zur Rückzahlung der von der Gesellschaft übernommenen Kosten der Fortbildungsmaßnahme verpflichtet (ist), wenn er das Arbeitsverhältnis innerhalb von 2 Jahren nach Abschluss der Ausbildung aus einem Grund kündigt, der nicht von der Gesellschaft zu vertreten ist.“

 

Der Lokführer kündigte das Arbeitsverhältnis jedoch ein gutes halbes Jahr nach Ende der Fortbildung. Daraufhin behielt der Arbeitgeber den Lohn für die restlichen beiden Monate des Arbeitsverhältnisses ein, insgesamt gut 7.000 € netto.

 

Er war der Ansicht, ihm stehe gegen den Lokführer noch ein Anspruch auf Rückzahlung der Fortbildungskosten zu, diesen habe er mit dem ausstehenden Lohn verrechnet.

 

Jana Wagner vom Büro Potsdam des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes, die den Lokführer vertrat, wehrte sich gegen diese Argumentation. Die Rückzahlungsklausel benachteilige den Lokführer einseitig und unangemessen. Wagner: „Ein Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, einen Fortbildungsvertrag zu schließen und gleichwohl zu angemessenen Bedingungen aus dem Arbeitsvertrag ausscheiden zu können.“

 

Rückzahlungsvereinbarungen für Aus- und Fortbildungskosten üblich

 

Übernimmt ein Arbeitgeber über das übliche Maß hinaus Kosten für eine Fortbildung seiner Beschäftigten, schließt er in der Regel einen Zusatzvertrag zum Arbeitsvertrag, der im Gegenzug eine gewisse Bindungsfrist vorsieht. Löst die/der Arbeitnehmer*in das Arbeitsverhältnis vor Ende dieser Bindungsfrist, muss sie/er die Kosten ganz oder zeitanteilig zurückzuzahlen.

 

Eine solche Vereinbarung ist grundsätzlich möglich, weil die Rechtsprechung das Interesse des Arbeitgebers anerkennt, von seiner Investition wenigstens eine Zeit lang zu profitieren. Die Vereinbarung darf aber nicht so weit gehen, dass der Arbeitgeber durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch die Belange des/der Beschäftigten hinreichend zu berücksichtigen und ihr/ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren.

 

Deshalb darf das Arbeitsgericht die Klausel daraufhin prüfen, ob sie die Arbeitnehmerseite unangemessen benachteiligt und sie gegebenenfalls für unwirksam erklären. Eine solche Unwirksamkeit liegt beispielsweise vor, wenn die Klausel:

 

  • nicht klar und verständlich ist (Transparenzgebot)
  • nicht regelt, wie das Arbeitsverhältnis nach der Fortbildung fortgeführt wird
  • eine zu lange Bindungsdauer festlegt
  • nicht danach differenziert, wer kündigt und warum

 

Umfassend hierzu: Wirksamkeit von Rückzahlungsvereinbarungen für Aus- und Fortbildungskosten

 

Arbeitsgericht: Rückzahlungsklausel benachteiligt unangemessen

 

Der letzte Punkt war es schließlich, der das Arbeitsgericht Potsdam dazu veranlasste, die Klausel für unwirksam zu erklären. Denn eine Kündigung durch den/die Arbeitnehmer*in führe nur dann nicht zur Rückzahlungspflicht, wenn der Grund für die Kündigung von der Gesellschaft zu vertreten sei.

 

Dies führe im Ergebnis dazu, dass jeder Grund, der aus der Beschäftigten-Sphäre stamme, eine Rückzahlungspflicht begründe. Dies sei jedenfalls dann unfair, wenn Beschäftigte das Arbeitsverhältnis kündigen, weil sie es gesundheitlich nicht mehr bewerkstelligen können.

 

Hierzu stellt das Gericht fest: „Ein Arbeitnehmer, der vor der Frage steht, ob er sein Arbeitsverhältnis vor Ablauf von 2 Jahren wegen des Verlustes seiner medizinischen Tauglichkeit kündigen sollte, kann aus der Regelung (…) des Fortbildungsvertrages nur schlussfolgern, dass er in diesem Fall zur Rückzahlung der Kosten (…) verpflichtet ist.“

 

Da die Klausel diese wichtige Unterscheidung nicht vorgenommen habe, sei sie unwirksam. Der Lokführer muss die Fortbildungskosten also nicht zurückzahlen, sondern hat Anspruch auf den zu Unrecht einbehaltenen Lohn.

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie schwierig es für Arbeitgeber tatsächlich ist, rechtssichere Klauseln zu formulieren. Für Beschäftigte ist das eine gute Nachricht. Denn nicht alles, was schwarz auf weiß in einem Vertrag steht, ist auch wirksam. Im Streitfall empfiehlt es sich daher, juristischen Rat einzuholen und die Klausel genau prüfen zu lassen.

 

Wie auch im vorliegenden Fall kann dies viel Geld sparen. Das Arbeitsgericht Potsdam nimmt in seinem Urteil eine interessengerechte Differenzierung vor. Denn die zu überprüfende Klausel berücksichtigt eine wichtige Fallgestaltung nicht. Denn der/die Arbeitnehmer*in muss es selbst in der Hand haben, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung entgehen zu können. Der Arbeitgeber soll also nicht auch noch die Fortbildungskosten zurückerhalten, wenn er durch sein Verhalten die Kündigung des/der Arbeitnehmer*in (mit)verursacht hat, beispielsweise, weil er den Lohn nicht vollständig und pünktlich zahlt.

 

Nicht schützenswert hingegen sind Beschäftigte, die ihr Arbeitsverhältnis kündigen, nur weil sie eine neue, besser bezahlte Beschäftigung angeboten bekommen haben. Denn dann haben sie es in der Hand und können überlegen, ob sich der Wechsel auch vor dem Hintergrund der Rückzahlung lohnt. Gegebenenfalls können Sie mit dem neuen Arbeitgeber sogar aushandeln, dass dieser die Kosten übernimmt.

 

Wenn aber niemand etwas für die Kündigung „kann“, zum Beispiel, weil aufgrund einer Erkrankung oder anderer persönlicher Umstände das Arbeitsverhältnis nicht weitergeführt werden kann, darf das nicht zulasten des Beschäftigten gehen. Hier ist gewissermaßen Schicksal im Spiel. Diesen Aspekt unterschlägt die vom Arbeitgeber formulierte Klausel und ist deshalb vom Gericht zu Recht für unwirksam erachtet worden.