Verlangt ein JAV-Mitglied vom Arbeitgeber fristgemäß die Weiterbeschäftigung, ist grundsätzlich ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet. Copyright by Adobe Stock/Pixelot
Verlangt ein JAV-Mitglied vom Arbeitgeber fristgemäß die Weiterbeschäftigung, ist grundsätzlich ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet. Copyright by Adobe Stock/Pixelot

 Auszubildende, die sich im Betriebsrat, Personalrat oder in der Jugend- und Ausbildungsvertretung (JAV) engagieren, genießen nach dem Gesetz einen besonderen Schutz: sie können vom Arbeitgeber verlangen,  dass er sie nach Abschluss der Ausbildung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernimmt. Die Arbeit der Auszubildenden in der Arbeitnehmervertretung soll nicht dadurch beeinträchtigt sein, dass sie sich nicht trauen, Positionen zu vertreten, die dem Arbeitgeber wohlmöglich missfallen.
 
Das gilt sowohl für Ausbildungsverhältnisse in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst. Wenn die/der Azubi muss innerhalb der letzten drei Monate, bevor das Ausbildungsverhältnis beendet ist, vom Arbeitgeber verlangen, dass er sie/ihn weiterbeschäftigt. Damit wird dann grundsätzlich im Anschluss an die Ausbildung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet. Im öffentlichen Dienst gilt das allerdings nur, wenn die Ausbildung auch erfolgreich abgeschlossen wurde.
 

Will der Arbeitgeber ein Mitglied der JAV nicht übernehmen, muss er ein Gericht einschalten

Ein Arbeitgeber, der den Azubi nicht weiterbeschäftigen will, kann gerichtlich dagegen vorgehen, in der Privatwirtschaft vor dem Arbeitsgericht, im öffentlichen Dienst vor dem Verwaltungsgericht. spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beantragen,
 

  1. festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis nicht begründet wird, oder

  2. wenn es bereits begründet ist, es aufzulösen

 
Den Antrag muss der Arbeitgeber allerdings begründen. Das Gericht wird ihm nur stattgeben, wenn dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. Das betrifft vor allem Fälle, in denen Dauerarbeitsplätze für ehemalige Azubis fehlen.
 
Den Schutz dieser Vorschriften genießt indessen nur, wer Mitglied in der Arbeitnehmervertretung bzw. in der JAV ist. Er gilt für Ersatzmitglieder zunächst einmal nicht. Sie werden ja erst Mitglied im Gremium, wenn sie nachrücken. Dann haben sie den Schutz allerdings auch, insofern das Berufsausbildungsverhältnis innerhalb eines Jahres nach dem letzten Vertretungsfall abgeschlossen wird.
 
Das Bundesverwaltungsgericht (BverwG) hat darüber hinaus bis vor kurzem zusätzlich verlangt, dass der Vertreter der Personalvertretung oder der JAV über einen längeren, in sich geschlossenen Zeitraum angehört hat. Oder dass in einer großen Zahl von Einzelfällen ein Mitglied vertreten hat. Damit wollte das BVerwG Missbrauch ausschließen. Der Personalrat oder die JAV könnte im letzten Jahr der Ausbildung ein Ersatzmitglied „nachrücken lassen“, ohne dass wirklich ein Vertretungsfall vorliegt.
 

BVerfG und BAG sind sich einig: es spielt keine Rolle, wie häufig und wie lange die JAV ein Ersatzmitglied zur Vertretung heranzieht

Diese Rechtsprechung hat das BVerwG indessen aufgegeben und sich insoweit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) angeschlossen. Danach kommt es für den Schutz insoweit gar nicht darauf an, wie lange ein jemand Mitglied des Gremiums gewesen ist. Die Obergerichte sind sich nunmehr darin einig, dass der Schutz ähnlich ausgestaltet ist wie der Kündigungsschutz eines Nachrückers im Betriebsrat, der ja auch nicht erst beginnt, wenn er häufig oder über einen längeren Zeitraum „nachgerückt“ ist.
 
Unser Büro in Berlin kürzlich vor dem Oberverwaltungsgericht einen Fall vertreten, in dem es darum ging, ob das unbefristete Arbeitsverhältnis schon dann entsteht, wenn der Azubi nur in geringem Umfang ein Mitglied der JAV vertreten hat. Das Verwaltungsgericht Potsdam hat den Antrag abgewiesen. Das OVG Berlin-Brandenburg wies jetzt die Beschwerde des Landes als unbegründet zurück.
 
Peter Schmidt (Name von der Redaktion geändert)war Auszubildender beim Land Brandenburg und schloss die Ausbildung Anfang Juli 2018 erfolgreich ab. Im Mai 2017 war er zum Ersatzmitglied der JAV gewählt worden. Insgesamt viermal nahm er an Sitzungen der JAV und des örtlichen Personalrates teil, zuletzt im April 2018. Am 1.Juni 2018 verlangte er vom Land, ihn in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis nach Abschluss seiner Ausbildung zu übernehmen.
 

Das Land meint irrtümlich, der Vertretungsfall müsste bis zum Ende der Ausbildung angedauert haben

Das Land beantragte beim Verwaltungsgericht Potsdam, festzustellen, dass kein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden ist. Zur Begründung hat das Land ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelte der Schutz des Ersatzmitglieds zwar nicht mehr nur für die Dauer der Vertretung und es sei auch kein längerer, zusammenhängender Zeitraum mehr erforderlich, der Vertretungsfall müsse jedoch auch bei Ausbildungsende angedauert haben. Dies sei hier nicht der Fall.
 
Das VG hat den Antrag jedoch abgelehnt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass zwischen Herrn Müller und dem Land Brandenburg ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmter Dauer besteht. Das BVerwG sei der Auffassung, dass in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtsprechung des BAG bereits der einmalige Vertretungsfall in den letzten zwölf Monaten vor Ausbildungsende genüge, ohne dass auf die Fortdauer des Vertretungsfalls bis zum Ausbildungsende ankomme.
 
Hiergegen hatte das Land Beschwerde beim OVG eingelegt und argumentiert, nicht jede vorübergehende Vertretung genüge, um den Anspruch auf ein Arbeitsverhältnis auszulösen. Das BVerwG habe bei seiner Entscheidung sicher nicht vor Augen gehabt, dass die Pflicht zur Übernahme auch dann gelten solle, wenn das Ersatzmitglied lediglich einmal an einer Sitzung teilnehmen würde. Das würde nämlich dem Missbrauch Tür und Tor öffnen.
 

OVG Berlin Brandenburg: die Interessenslage der ordentlichen Mitglieder der JAV spricht gegen Schummelei

Das OVG folgte indessen der Argumentation des Herrn Müller und den Prozessbevollmächtigten der DGB Rechtsschutz GmbH.
 
Würde man nämlich darauf abstellen, wie häufig und kontinuierlich ein Mitglied an Sitzungen oder anderen Aktivitäten der JAV teilnimmt, würde das die Unabhängigkeit des Ersatzmitglieds in erheblichem Maße beeinträchtigen. Es gebe auch einen ausreichenden Schutz für Arbeitgeber vor Rechtsmissbrauch. Von einem solchen sei auszugehen, wenn ordentliche Mitglieder und Ersatzmitglieder der Jugendvertretung den Vertretungsbedarf nur vortäuschten, um für das Ersatzmitglied ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu erreichen.
 
Die Interessenslage der Mitglieder der JAV sei aber nicht derart eindeutig, dass ein Rechtsmissbrauch in großen Stil naheliege. Der öffentliche Arbeitgeber lehne es zumeist dann ab, Auszubildende zu übernehmen, wenn er nicht genügend Arbeitsplätze für sie zur Verfügung habe. In diesem Fall hätten aber gerade die ordentlichen Mitglieder der JAV gar kein Interesse daran, für Ersatzmitglieder zu schummeln. Sie stünden ja mit Ihnen in Konkurrenz und würden somit Gefahr laufen, selbst keinen Arbeitsplatz zu bekommen.
 
Der Arbeitgeber müsste also beweisen, dass kein gesetzlicher Fall einer Vertretung vorgelegen habe, wenn er Rechtsmissbrauch befürchte. Im vorliegenden Fall sei ein solcher „Gestaltungsmissbrauch“ aber nicht ersichtlich gewesen.
 
Hier geht es zur Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg
 
Vergleiche auch BVerwG, Beschluss vom 01. Oktober 2013  - 6 P 6/13  -, BVerwGE 148, 89-106

Rechtliche Grundlagen

§ 9 BPersVG
(1) Beabsichtigt der Arbeitgeber, einen in einem Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz, dem Krankenpflegegesetz, dem Pflegeberufegesetz oder dem Hebammengesetz stehenden Beschäftigten (Auszubildenden), der Mitglied einer Personalvertretung oder einer Jugend- und Auszubildendenvertretung ist, nach erfolgreicher Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu übernehmen, so hat er dies drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses dem Auszubildenden schriftlich mitzuteilen.
(2) Verlangt ein in Absatz 1 genannter Auszubildender innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber seine Weiterbeschäftigung, so gilt zwischen dem Auszubildenden und dem Arbeitgeber im Anschluss an das erfolgreiche Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch, wenn das Berufsausbildungsverhältnis vor Ablauf eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit der Personalvertretung oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung erfolgreich endet.
(4) Der Arbeitgeber kann spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beim Verwaltungsgericht beantragen,
1. festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis nach den Absätzen 2 oder 3 nicht begründet wird, oder
2. das bereits nach den Absätzen 2 oder 3 begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen,
wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. In dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ist die Personalvertretung, bei einem Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung auch diese beteiligt.
(5) Die Absätze 2 bis 4 sind unabhängig davon anzuwenden, ob der Arbeitgeber seiner Mitteilungspflicht nach Absatz 1 nachgekommen ist.

§ 78a BetrVG
Schutz Auszubildender in besonderen Fällen

(1) Beabsichtigt der Arbeitgeber, einen Auszubildenden, der Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Betriebsrats, der Bordvertretung oder des Seebetriebsrats ist, nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu übernehmen, so hat er dies drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses dem Auszubildenden schriftlich mitzuteilen.
(2) Verlangt ein in Absatz 1 genannter Auszubildender innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung, so gilt zwischen Auszubildendem und Arbeitgeber im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet. Auf dieses Arbeitsverhältnis ist insbesondere § 37 Abs. 4 und 5 entsprechend anzuwenden.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch, wenn das Berufsausbildungsverhältnis vor Ablauf eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit der Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Betriebsrats, der Bordvertretung oder des Seebetriebsrats endet.
(4) Der Arbeitgeber kann spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beim Arbeitsgericht beantragen,
1. festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis nach Absatz 2 oder 3 nicht begründet wird, oder
2. das bereits nach Absatz 2 oder 3 begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen,
wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht sind der Betriebsrat, die Bordvertretung, der Seebetriebsrat, bei Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung auch diese Beteiligte.
(5) Die Absätze 2 bis 4 finden unabhängig davon Anwendung, ob der Arbeitgeber seiner Mitteilungspflicht nach Absatz 1 nachgekommen ist.