Landeskirche wegen Diskriminierung zur Entschädigungszahlung verurteilt. Copyright by Adobe Stock/MQ-Illustrations
Landeskirche wegen Diskriminierung zur Entschädigungszahlung verurteilt. Copyright by Adobe Stock/MQ-Illustrations

Am 13. Januar 2019 schrieb die Beklagte sowohl in einer externen Stellenanzeige als auch auf ihrer Homepage eine Sekretariatsstelle im Büro der geschäftsleitenden Oberkirchenrätin in Vollzeit unbefristet aus.
Der evangelische Oberkirchenrat in Karlsruhe ist die oberste Dienstbehörde der evangelischen Landeskirche in Baden. In den 8 Fachreferaten sind ca. 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Die Geschäftsleitung ist für die Organisation der Geschäftsabläufe zuständig. Nach der Geschäftsordnung ist die geschäftsleitende Oberkirchenrätin oberste Dienstvorgesetzte aller Mitarbeitenden des Hauses. Für Sekretariatsarbeiten sind zwei Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen vorgesehen.
 
Zu den Sekretariatsaufgaben gehören u.a. die Vorbereitung von Konferenzen, Büroarbeiten und die Bearbeitung von Anfragen und Terminangelegenheiten. Bewerberinnen und Bewerber sollten über eine kaufmännische Ausbildung besitzen. Des Weiteren wurden MS Office-Software Kenntnisse vorausgesetzt. Auch sei es Voraussetzung sich mit den Aufgaben und Zielen der Evangelischen Landeskirche Baden zu identifizieren. Die Bewerbung sollte "unter Angabe der Konfession" erfolgen.
 

Konfessionslose Klägerin bewirbt sich

Die in ungekündigter Stellung in einer Anwaltskanzlei als Rechtsanwaltsfachangestellte tätige Klägerin bewarb sich um die Stelle bei der Landeskirche. Sie erklärte: " Ich bin konfessionslos (Atheistin). Laut Homepage unterhält die evangelische Landeskirche Baden aber vielfältige Beziehungen zu anderen Religionen und Konfessionen ". Sie, die Bewerberin, sei davon überzeugt, dass sie angesichts ihrer Qualifikationen die ausgeschriebene Stelle "optimal ausfüllen" könne. Ihren konfessionslosen Status begründete sie damit, dass sie in der DDR aufgewachsen sei. Nachdem die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war, erhielt sie eine Absage.
 

Bewerberin fühlt sich wegen ihrer fehlenden Religionszugehörigkeit diskriminiert.

Mit Schreiben vom 17. April 2019 machte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten gegenüber der Beklagten Entschädigungsansprüche mit Fristsetzung bis zum 17. Mai 2020 in Höhe von 10.000,00 Euro geltend. Begründet wurde die Forderung damit, dass sie wegen ihrer Konfessionslosigkeit und unter Verstoß gegen die Religionsfreiheit und § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) benachteiligt worden sei. Mit Schreiben vom 10. Mai 2019 wies die Beklagte  den Entschädigungsanspruch zurück. Die abgewiesene Bewerberin erhob sodann Klage beim Arbeitsgericht Karlsruhe, mit der sie eine angemessene Entschädigung begehrte.
 

Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht hat Grenzen

Mit Urteil vom 18. September 2020 sprach des Karlsruher Arbeitsgericht der Klägerin eine Entschädigung von 5.037 Euro zu, was 1,5 Bruttomonatsgehältern entspricht, da die Klägerin nach den Bestimmungen des AGG aufgrund der Religion diskriminiert worden sei.
Der kirchliche Arbeitgeber, so das Gericht, könne sich zwar auf sein grundgesetzlich geschütztes Selbstbestimmungsrecht berufen und das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft zur Grundlage für Arbeitsverträge machen. Allerdings rechtfertigte das Selbstbestimmungsrecht für sich allein - unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit und dem Umstand der Erbringung der Tätigkeit - eine Benachteiligung nach dem AGG nicht.

Hieraus ergebe sich, dass die vom Oberkirchenrat in der Stellenausschreibung geforderte Diskretion und Loyalität auch von Bewerbern ohne Konfession erbracht werden könne. Warum eine konfessionslose Sekretärin die Glaubwürdigkeit und den Geist der Kirche in Gefahr bringen würde, konnte die Beklagte nicht darlegen.

Auch sei unklar geblieben, warum eine Sekretariatsmitarbeiterin für ihre Arbeit eine kirchliche Zugehörigkeit haben müsse, oder warum es sich bei dieser Tätigkeit um eine solche handele, die der Verkündigung nahe stehe.

Die obligatorische Angabe der Konfessionszugehörigkeit sei als Indiz für Diskriminierung zu bewerten. Dies habe zur Folge, dass der Klägerin Entschädigung nach dem AGG zuzusprechen sei.
 
Anmerkung:
 
Hier finden Sie das Urteil des Arbeitsgericht Karlsruhe vom 19.9.2020

Rechtliche Grundlagen

§§ 1 und 15 AGG, Art. 4 Abs. 1 GG

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 1 Ziel des Gesetzes
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.


Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 15 Entschädigung und Schadensersatz
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.