Ungeimpfte Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitssektor kann der Arbeitgeber freigstellen
Ungeimpfte Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitssektor kann der Arbeitgeber freigstellen

Ein Wohnbereichsleiter und eine Pflegekraft, beide seit mehreren Jahren in einem Seniorenheim beschäftigt, waren nicht bereit, eine Impfung gegen COVID-19 nachzuweisen oder einen Genesungsnachweis vorzulegen. Nach dem Infektionsschutzgesetz wurde ein Immunitätsnachweis zum 15. März 2022 für bestimmte Berufsgruppen verpflichtend, so auch für den Bereich der Pflege. Die Arbeitgeberin, die bundesweit Seniorenheime betreibt, stellte die beiden Mitarbeiter daraufhin ohne Fortzahlung der Vergütung frei.

Die Mitarbeiter halten die Freistellungen für rechtswidrig und begehrten im Wege von einstweiligen Verfügungen ihre vertragsgemäße Beschäftigung in dem Seniorenheim.

Arbeitsgericht bestätigt Rechtmäßigkeit der Freistellung

In ihrer Entscheidung kamen die Richter*innen des Arbeitsgerichts Gießen zu dem Ergebnis, dass § 20 a Abs. Abs.3 Satz 4 IfSG unmittelbar ein Beschäftigungsverbot im Falle der Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises nur für ab dem 16. März 2022 neu eingestellte Personen, nicht aber für bislang schon beschäftigte Personen vorsehe.

Unabhängig hiervon stehe es der Arbeitgeberin unter Zugrundelegung der gesetzlichen Wertungen des § 20 a IfSG im Rahmen billigen Ermessens frei, im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis der Bewohnerinnen und Bewohner eines Seniorenheims Beschäftigte, die weder geimpft noch genesen sind und der Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises nicht nachkommen, von der Arbeitsleistung freizustellen. Gegenüber dem Interesse der Beschäftigten an der Ausübung ihrer Tätigkeit überwiege insofern das Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner an deren Gesundheitsschutz.

Keine Entscheidung Vergütungsfortzahlung

Über die Frage, ob die Vergütung für die Zeit der Freistellung fortzuzahlen ist, hatte das Gericht nicht zu entscheiden, da diese Frage nicht Gegenstand der einstweiligen Verfügungsverfahren war.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 12.04.2022, Az: 5 Ga 1/22

und 5 Ga 2/22

Rechtliche Grundlagen

Auszug aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)

§ 20 a Abs. Abs.3 Satz 4 IfSG



3) Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen ab dem 16. März 2022 tätig werden sollen, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorzulegen. Wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Eine Person nach Satz 1, die keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen beschäftigt werden. Eine Person nach Satz 1, die über keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 verfügt oder diesen nicht vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann allgemeine Ausnahmen von den Sätzen 4 und 5 zulassen, wenn das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Internetseite einen Lieferengpass zu allen Impfstoffen mit einer Komponente gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, die für das Inverkehrbringen in Deutschland zugelassen oder genehmigt sind, bekannt gemacht hat; parallel importierte und parallel vertriebene Impfstoffe mit einer Komponente gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 bleiben unberücksichtigt.