Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) in Arbeitsvertragsänderungen unterliegen einer Inhaltskontrolle!
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) in Arbeitsvertragsänderungen unterliegen einer Inhaltskontrolle!

Mit Urteil vom 15.11.2016 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass eine vom Arbeitgeber vorformulierte Erklärung eines Arbeitnehmers, er sei mit der Einstellung der Erteilung von Direktzusagen (Versorgungsrecht) einverstanden, nach den Grundsätzen zur Auslegung von allgemeinen Geschäftsbedingungen auszulegen ist.

Gesamtversorgung zugesagt

Der Kläger ist seit Oktober 2000 bei der Beklagten, einer Bank in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts, beschäftigt. Einem Teil der Arbeitnehmer*innen hatte die Beklagte, unter anderem auch dem Kläger, eine an der Beamtenversorgung orientierte Gesamtversorgung zugesagt.
Arbeitnehmer*innen, die 20 Jahre im Kreditgewerbe, davon zehn Jahre bei ihr beschäftigt waren, gewährte sie unter bestimmten Voraussetzungen ein "Versorgungsrecht". Hierdurch wurden die Arbeitnehmer*innen nicht nur im Hinblick auf ihre Altersversorgung, sondern auch hinsichtlich des Kündigungsschutzes, der Beihilfe und der Entgeltfortzahlung bei Krankheit Beamten angenähert.
Durch diese beamtenähnliche Versorgung wurde das Arbeitsverhältnis gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch VI sozialversicherungsfrei.

Kläger erklärt Zustimmung zur Einstellung der Erteilung des Versorgungsrechts

Aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage beschloss die Beklagte im Jahr 2009, die Gesamtversorgungszusage zu widerrufen und keine Versorgungsrechte mehr zu erteilen.
Sie bot eine beitragsorientierte betriebliche Altersversorgung an. Eine Vielzahl der Arbeitnehmer*innen, so auch der Kläger, unterzeichneten 2010 ein von der Beklagten vorbereitetes Formular, in dem sie sich auch mit "der Einstellung der Erteilung" des Versorgungsrechts "einverstanden" erklärten.

Arbeitnehmer*innen klagten 2012 erfolgreich

Am 15.05.2012 entschied das BAG in der Sache 3 AZR 610/11 für Arbeitnehmer*innen, die keine derartige Erklärung abgegeben hatten, dass bei Erfüllung der Voraussetzungen ein Anspruch aus betrieblicher Übung auf Gewährung des Versorgungsrechts besteht.
Nach Bekanntwerden dieser Entscheidung des BAG begehrte der Kläger mit seiner im Jahr 2014 beim Arbeitsgericht München eingereichten Klage die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Versorgungsrecht zu erteilen.
Der Klage war weder beim Arbeitsgericht, noch beim Landesarbeitsgericht München erfolgreich.

BAG weist Revision des Klägers zurück

Nach Auffassung des BAG unterliegen vom Arbeitgeber als allgemeine Geschäftsbedingungen gestellte Vertragsbedingungen, mit denen der Inhalt eines Arbeitsverhältnisses abgeändert wird, einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht, wenn sich der Arbeitgeber im Vorfeld der Vertragsänderung im Hinblick auf die geänderten Regelungen einer Rechtsposition berühmt.

Vereinbarung war weder unklar, noch überraschend

Der Kläger hat mit seiner Erklärung aus dem Jahr 2010 ein Angebot der Beklagten angenommen, das auch die Aufgabe des Anspruchs auf Erteilung des Versorgungsrechts enthielt.
Damit, so die Richter*innen des Dritten Senats, sei eine Vereinbarung über eine Vertragsänderung zustande gekommen. Der Inhalt der Vereinbarung sei nicht unklar oder überraschend gewesen.
Die Vertragsänderung unterliege der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht. Prüfungsmaßstab sei das § 779 BGB zugrunde liegende Rechtsprinzip, welches eine Streitbeilegung durch gegenseitiges Nachgeben vorsieht.
Die Inhaltskontrolle gehe zugunsten der Beklagten aus, da die Vertragsänderung nicht unangemessen sei. Sonstige Rechtsgründe stünden dem Kläger nicht zur Seite.

Der Dritte Senat hat am gleichen Tag mehrere vergleichbare Verfahren entschieden:

(Aktenzeichen- 3 AZR 507/15 -, - 3 AZR 579/15 -, - 3 AZR 580/15 -, - 3 AZR 582/15 -, - 3 AZR 729/15 -, - 3 AZR 182/16 - bis - 3 AZR 184/16 -).

Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.11.2016
Hier finden Sie die vollständige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.05.2012 in der Sache 3 AZR 610/11

Rechtliche Grundlagen

§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch VI und § 779 BGB

Sozialgesetzbuch (SGB) VI
§ 5 Versicherungsfreiheit

(1) Versicherungsfrei sind
1. Beamte und Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst,
2. sonstige Beschäftigte von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts, deren Verbänden einschließlich der Spitzenverbände oder ihrer Arbeitsgemeinschaften, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 779 Begriff des Vergleichs, Irrtum über die Vergleichsgrundlage

(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden
sein würde.

(2) Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.