Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichtes stellte in Erfurt den Jahresbericht für 2019 vor.
Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichtes stellte in Erfurt den Jahresbericht für 2019 vor.

Die Präsidentin zeigte sich zufrieden. Dem Gericht ist es gelungen, die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Verfahren noch einmal zu verkürzen  - auf sieben Monate. „Schneller geht es nicht“, so Schmidt in Erfurt.
 

Mehr Verfahren als im Vorjahr

Dabei hatte das Bundesarbeitsgericht 2019 sogar einen Anstieg an Falleingängen um über 30 Prozent zu verzeichnen. Eingegangen sind 2.472 Sachen, davon war etwa ein Drittel (31,76 Prozent) Revisionen und Rechtsbeschwerden in Beschlussverfahren. Den größeren Teil machten Nichtzulassungsbeschwerden aus.
 
Den Anstieg führte Schmidt auf die erhebliche Zahl von Eingängen im Zusammenhang mit der Air Berlin Pleite zurück. Hierfür spricht, dass Beendigungsrechtsstreite mit einem Anteil von fast 27 Prozent wieder den größten Anteil des Fallaufkommens hatten. Im letzten Jahr waren dies noch die Verfahren um Betriebsrenten.
 
Im Jahr 2019 hat das Gericht 2.363 Sachen erledigt. Von den erledigten Revisionen und Rechtsbeschwerden waren 29,15 Prozent erfolgreich. Die Erfolgsquote bei den Nichtzulassungsbeschwerden belief sich auf vier Prozent. Grund der geringen Erfolgsquote sei die gute Arbeit der Vorinstanzen, so Präsidentin Schmidt.
 

Die spektakulärsten Entscheidungen aus 2019

Im Bereich des Mindestlohns hat das Gericht eine der letzten offenen Fragen geklärt: Ein ununterbrochener Zeitraum von drei Monaten ist keine zwingende Voraussetzung, um von einem Orientierungspraktikum auszugehen. Eine Unterbrechung sei unschädlich, solange der Dreimonatszeitraum nicht unterbrochen werde. Dieser Vertrag sei dann vom Mindestlohn ausgenommen.
 
Eine wichtige Klärung gab es auch bei der Frage der Überstundenvergütung: Der Anspruch auf Überstundenvergütung ist nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer Vertrauensarbeitszeit leistet. Kann er aufgrund des Umfangs der zugewiesenen Arbeit „Überstunden“ durch die Selbstbestimmung von Beginn und Ende der Arbeitszeit nicht „ausgleichen“, sind diese zu vergüten.
 
Zum Thema Urlaub hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass es nicht gegen EU-Recht verstößt, wenn er für die Monate der Elternzeit gekürzt werden kann. In Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer klar und deutlich auf den möglichen Verfall von Urlaub hinweisen. Sonst bleibt er bestehen.
 
Von Bedeutung sei auch die Entscheidung zum Vorbeschäftigungsverbot, zur Rechtmäßigkeit der Kündigung des Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus und zur Spätehenklausel gewesen.
 

Was steht an?

Für das vor uns liegende Jahr erwartet Frau Schmidt die ersten Entscheidungen zum Entgelttransparenzgesetz. Auch liege nach langer Zeit mal wieder ein Fall zur Unternehmensmitbestimmung vor: Die Firma SAP habe den Aufsichtsrat so verkleinert, dass die Arbeitnehmervertreter wegfallen.
 
Aus dem Bereich des Arbeitszeitrechts stehe die Entscheidung an, wie es zu bewerten ist, wenn ein Außendienstmitarbeiter von zu Hause direkt zum ersten Kunden fährt. Interessant sei auch das Verfahren zum Auskunftsersuchen nach DSGVO bei Verstößen gegen Compliance-Vorschriften.
 
Zum Großthema Air Berlin stehen schon im Februar Entscheidungen an. Zum einen geht es um die Kündigung der Piloten, zum anderen um die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige. Beim Dauerbrenner Urlaub steht die Entscheidung an, ob die Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers auch gilt bei langjährig erkrankten Mitarbeitern gilt.
 
Schließlich stehe im grundrechtssensiblen Bereich das Kopftuchverbot gemäß dem Berliner Neutralitätserlass auf dem Prüfstand.
 

Was sonst noch wichtig war

Außerhalb des Kerngeschäfts sei die Digitalisierung in Form der elektronischen Akte und des elektronischen Rechtsverkehrs ein Mega-Thema. Hier wies Präsidentin Schmidt auf die Schwierigkeiten der prozessrechtlich korrekten Umsetzung hin. Sie trat der weit verbreiteten Ansicht entgegen, hier ließen sich kurzfristig Kosten einsparen. Schmidt: „Es wird lange dauern auf den Stand zu kommen, den wir jetzt haben!“
 
Gleichzeitig forderte sie, die gesetzliche Regelung für eine Teilnahme der Verbände am elektronischen Rechtsverkehr zu schaffen. Bislang seien sie dazu nicht verpflichtet, machten aber einen erheblichen Anteil der Gerichtspost aus.
 
Wenig Probleme sah Schmidt in der Umsetzung des EuGH-Urteils, nach dem Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu dokumentieren. Eine Arbeitszeiterfassung finde ohnehin in den meisten Betrieben statt. Der Gesetzgeber müsse nur noch den entsprechenden Rahmen schaffen.