Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Der 6. Senat hat jetzt festgestellt, dass ein Crowdworker Arbeitnehmer ist. Copyright by BAG
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Der 6. Senat hat jetzt festgestellt, dass ein Crowdworker Arbeitnehmer ist. Copyright by BAG

Marco Müller (Name von der Redaktion geändert) war seit Februar 2017 für die  CrowdConcept GmbH (Name von der Redaktion geändert) als sogenannter Crowdworker tätig. Hierfür erzielte er bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von etwa 20 Stunden einen durchschnittlichen Monatsbetrag von 1.749,34 €. Herr Müller hat ein Gewerbe angemeldet.

Die CrowdConcept GmbH ist ein Crowdsourcing Unternehmen, und bietet über eine App Auftragnehmern verschiedene Aufträge zur Durchführung an. Über einen persönlichen Account kann jeder Nutzer der Online-Plattform Aufträge annehmen, ohne dazu vertraglich verpflichtet zu sein. Übernimmt der Crowdworker einen Auftrag, muss er diesen regelmäßig binnen zwei Stunden nach detaillierten Vorgaben des Crowdsourcers erledigen. Für erledigte Aufträge werden ihm auf seinem Nutzerkonto Erfahrungspunkte gutgeschrieben. Das System erhöht mit der Anzahl erledigter Aufträge das Level und gestattet die gleichzeitige Annahme mehrerer Aufträge.

Führt der Auftragnehmer den Auftrag korrekt durch, wird ihm die im Einzelauftrag vereinbarte Vergütung zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer direkt auf seinem virtuellen C. Account gutgeschrieben. Der Auftragnehmer kann sich ein virtuelles Guthaben dann jederzeit per Paypal auszahlen lassen.

Die Kontrolltätigkeiten lässt die CrowdConcept GmbH durch Crowdworker ausführen

Die CrowdConcept GmbH kontrolliert im Auftrag ihrer Kunden die Präsentation von Markenprodukten im Einzelhandel und an Tankstellen. Die Kontrolltätigkeiten selbst lässt sie durch Crowdworker ausführen. Deren Aufgabe besteht insbesondere darin, Fotos von der Warenpräsentation anzufertigen und Fragen zur Werbung von Produkten zu beantworten.
Marco Müller führte für die CrowdConcept GmbH zuletzt in einem Zeitraum von elf Monaten knapp 3000 Aufträge aus, bevor sie im Februar 2018 mitteilte, ihm zur Vermeidung künftiger Unstimmigkeiten keine weiteren Aufträge mehr anzubieten. Vorsorglich hat die CrowdConcept GmbH ein etwaig bestehendes Arbeitsverhältnis im Juni 2019 gekündigt.

Entscheidend ist, wie die Parteien den Vertrag durchführen

Herr Müller wollte jetzt gerichtlich feststellen lassen, dass zwischen ihm und der CrowdConcept GmbH ein Arbeitsverhältnis besteht. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten die Klage abgewiesen.
 
Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat erkannt, dass Marco Müller im Zeitpunkt der vorsorglichen Kündigung vom 24. Juni 2019 in einem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten stand.
Der Senat stellte klar, dass es entsprechend § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht darauf ankäme, wie der Vertrag bezeichnet sei. Entscheidend sei vielmehr, wie die Parteien den Vertrag durchführen würden.

Eine wesentliche Rolle spielt für das BAG dabei, wie die Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gesteuert sei. Wenn der Auftragnehmer seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten könne, spräche viel für ein Arbeitsverhältnis.

Herr Müller leistet Arbeiten, die typisch für Arbeitnehmer sind

Und so sah das BAG die Angelegenheit im Falle von Marco Müller.
Er leistete in einer Weise Arbeiten, die typisch für Arbeitnehmer seien. Insbesondere sei er persönlich an Weisungen der CrowdConcept GmbH gebunden gewesen und habe fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet.

Zwar sei er vertraglich nicht zur Annahme von Angeboten der Beklagten verpflichtet gewesen. Die Organisationsstruktur der von der Beklagten betriebenen Online-Plattform wäre aber darauf ausgerichtet, dass Nutzer kontinuierlich Bündel einfacher Kleinstaufträge annehmen, um diese persönlich zu erledigen. Erst ein mit der Anzahl durchgeführter Aufträge erhöhtes Level im Bewertungssystem ermögliche es den Nutzern der Online-Plattform, gleichzeitig mehrere Aufträge anzunehmen, um diese auf einer Route zu erledigen und damit faktisch einen höheren Stundenlohn zu erzielen. Durch dieses Anreizsystem sei der Kläger dazu veranlasst worden, im Bezirk seines gewöhnlichen Aufenthaltsorts kontinuierlich Kontrolltätigkeiten zu erledigen.

Gleichwohl hat das BAG die Revision überwiegend zurückgewiesen, da die vorsorglich erklärte Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nach Auffassung des Senats wirksam beendet hat.

Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts

Rechtliche Grundlagen

§ 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Arbeitsvertrag

(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.