Das spricht für berufliche Fortbildung. Copyright by Adobe Stock/photoschmidt
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Das hat eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Hamm vom
29. Januar 2021 gezeigt.
 

Was war geschehen?

Ein ambulanter Pflegedienst meldete ihren Fachbereichsleiter zu einer Weiterbildung an. Ziel war die Qualifikation zur verantwortlichen Pflegekraft. Die Schulung begann am 4. Oktober 2017 und endete am 5. Juli 2019.
Im Zusammenhang mit dieser Weiterbildung schlossen Arbeitgeber und Arbeitnehmer formularmäßig eine „Vereinbarung zur Weiterbildungsförderung“. Dabei hatte der Arbeitnehmer keine Möglichkeot, den vorformulierten Text zu verändern.
 
In dieser Weiterbildungsvereinbarung war unter anderem geregelt:
 
§ 3 Kosten der Weiterbildung
(1)         Die Gesellschaft trägt . . . die Kosten der Ausbildung . . .
§ 4 Rückzahlung
(1)         Endet das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Mitarbeiters aus einem nicht durch die Gesellschaft zu vertretenden Grund . . . ist der Mitarbeiter verpflichtet, der Gesellschaft . . . die nach § 3 dieser Vereinbarung von der Gesellschaft übernommenen Studienkosten zurückzuerstatten.

3) Der vom Mitarbeiter zurück (zu) erstattende Gesamtbetrag kürzt sich für jeden Monat, während dessen er nach Abschluss der Fortbildung bei der Gesellschaft in einem Arbeitsverhältnis stand, um ein 1/24.
 
Das entspricht einer Bindungsdauer von 2 Jahren.
Der Arbeitnehmer kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2019. Grund dafür war, dass er aus gesundheitlichen Gründen seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen konnte.
Der Arbeitgeber verlangte von seinem ehemaligen Mitarbeiter, die Weiterbildungskosten zurückzuerstatten. Als der Mitarbeiter sich weigerte, erhob der Arbeitgeber Klage, die das Arbeitsgericht abwies.
Der Arbeitgeber legte Berufung zum Landesarbeitsgericht ein.
 

Ist eine Rückzahlungsvereinbarung grundsätzlich zulässig?

Der Arbeitgeber hat das Interesse, von der Qualifizierung des Mitarbeiters dauerhaft zu profitieren.
Auf der anderen Seite möchte der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz wechseln können und nicht gegen seinen Willen an den alten gebunden sein. Diese beiden Interessen sind im Einzelfall gegeneinander abzuwägen.
Dabei geht das Bundesarbeitsgericht grundsätzlich davon aus, dass eine Rückerstattung von Weiterbildungskosten zu lässig ist. Allerdings setzt es zeitliche Grenzen:

Dauer der Fortbildung             Zulässige Dauer der Bindung         
bis zu einem Monat                bis zu sechs Monaten         
bis zu zwei Monaten               bis zu einem Jahr         
drei bis vier Monate                bis zu zwei Jahren         
sechs Monate bis ein Jahr        bis zu drei Jahren         
mehr als 2 Jahre                     bis zu 5 Jahren         
 
Im vorliegenden Fall umfasste die Fortbildung 63 Arbeitstage und damit drei
Arbeitsmonate. Also wäre eine Bindungsdauer von 2 Jahren grundsätzlich zulässig.
 

Gelten die Vorschriften zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen?

Das Landesarbeitsgericht hatte die Frage zu beantworten, ob die Weiterbildungsvereinbarung an § 307 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu messen ist. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam,  „… wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.“
Maßgebliches Kriterium für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift ist, dass der Arbeitnehmer auf Grund der Vorformulierung der Vereinbarung keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen kann.
Diese Voraussetzung ist erfüllt, weil der Arbeitnehmer keine Möglichkeit hatte, die ihm vorgelegte Vereinbarung zu verändern.
 

War der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt?

Das Landesarbeitsgericht Hamm orientiert sich in seiner Entscheidung an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes.

Danach sind vorformulierte Rückforderungsklauseln unangemessen, wenn der Arbeitgeber versucht, durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen.

Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom Dezember 2018 ist es nicht zulässig, eine Rückzahlungspflicht wegen einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers zu vereinbaren, ohne nach dem Grund für das vorzeitige Ausscheiden zu differenzieren. Das Argument dafür ist, dass es der Arbeitnehmer selbst in der Hand haben muss, ob er dem Betrieb treu bleiben und nichts zurückzahlen will, oder, ob er das Arbeitsverhältnis vorzeitig beenden möchte und damit verpflichtet ist, die Kosten der Fortbildung zu erstatten.


Was heißt das für den vorliegenden Fall?

Möchte der Arbeitnehmer den Betrieb verlassen, weil er bei einem anderen Arbeitgeber lukrativere Konditionen bekäme, ist ihm eine Rückzahlung der Weiterbildungskosten zuzumuten. Erfolgt die Eigenkündigung aber, weil der Arbeitnehmer gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, in seinem alten Betrieb weiterzuarbeiten, kommt dem Interesse des Arbeitgebers nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Denn der Arbeitnehmer hat es eben nicht selbst in der Hand, ob er die Arbeit im alten Betrieb fortsetzen möchte oder nicht.

Damit ist der Arbeitnehmer durch die Rückzahlungsvereinbarung unangemessen benachteiligt. Sie differenziert nicht nach den Gründen für eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Die entsprechende Klausel ist deshalb ersatzlos zu streichen. So fehlt es dem Arbeitgeber an einer Anspruchsgrundlage für seine Rückzahlungsforderung. Dem entsprechend hat das Bundesarbeitsgericht die Berufung des Arbeitgebers zurückgewiesen.

Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) 1. Kammer

Rechtliche Grundlagen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 307 Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.