Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch kann Entschädigungsanspruch begründen. Copyright by  timyee/Adobe Stock
Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch kann Entschädigungsanspruch begründen. Copyright by timyee/Adobe Stock

Anfang August 2015 bewarb sich der Kläger mit einer E-Mail auf eine für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln ausgeschriebene Stelle für den Gerichtsvollzieherdienst.
In seiner Bewerbung wies er deutlich daraufhin, dass er mit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sei und der Grad der Behinderung 30 betrage. Obwohl der Kläger für die Stelle nicht offensichtlich ungeeignet war, wurde er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Hierauf erhob er Klage und begehrte eine Entschädigung von dem beklagten Land iHv 7.434,39 Euro, was drei Monatsgehältern entspricht.

„Überlaufendes“ Outlook-Postfach

Das beklagte Land machte geltend, dass die Bewerbung des Klägers aufgrund eines schnell überlaufenden Outlook-Postfachs und wegen ungenauer Absprachen unter den zuständigen
Mitarbeitern nicht in den Geschäftsgang gelangt sei. Schon hieraus ergebe sich, dass der Kläger nicht wegen der (Schwer)Behinderung bzw. Gleichstellung benachteiligt worden sei.

Der Weg durch die Instanzen

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr teilweise stattgegeben und dem Kläger eine Entschädigung iHv. 3.717,30 Euro zugesprochen.

Die Revision des beklagten Landes blieb im Ergebnis erfolglos.
Der Kläger, so das BAG, habe Anspruch auf eine Entschädigung in der vom LAG zugesprochenen Höhe. Das beklagte Land hätte den Kläger, dessen Bewerbung ihm zugegangen war, zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen.

Die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch begründe die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person benachteiligt worden sei.

Das beklagte Land habe diese Vermutung nicht widerlegt. Insoweit habe das beklagte Land sich nicht mit Erfolg darauf berufen können, die Bewerbung sei nicht in den Geschäftsgang gelangt.

Dass ihm trotz Zugangs der Bewerbung ausnahmsweise eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht möglich war, hat das beklagte Land nicht vorgetragen. Auch die Höhe der Entschädigung war im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Hier finden Sie die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.1.2020

Rechtliche Grundlagen

§§ 15 Abs. 2, 22 AGG und § 82 Satz 2 SGB IX aF

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 15 Entschädigung und Schadensersatz
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.


Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 22 Beweislast
Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.


§ 82 Satz 2 SGB IX in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung
Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber

1Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 73).

2Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

3Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. 4Einer Inklusionsvereinbarung nach § 83 bedarf es nicht, wenn für die Dienststellen dem § 83 entsprechende Regelungen bereits bestehen und durchgeführt werden.