Manche Arbeitgeber nutzen regelrechte Knebelverträge, um ihre Beschäftigten klein zu halten. Das müssen Arbeitnehmer*innen sich nicht gefallen lassen. Copyright by mehaniq41/Adobe Stock
Manche Arbeitgeber nutzen regelrechte Knebelverträge, um ihre Beschäftigten klein zu halten. Das müssen Arbeitnehmer*innen sich nicht gefallen lassen. Copyright by mehaniq41/Adobe Stock

Unsere Mandantin wollte bei einem örtlichen Busreiseveranstalter als 450 €-Kraft arbeiten. Sie sollte die Busse reinigen. Und, wenn sie von den Touren zurückkommt, auch die Büroräume des Unternehmens. Als sie den Arbeitsvertrag vorgelegt bekam, wandte sie sich entsetzt an den Rechtsschutzsekretär ihres Vertrauens.
 

Anderer Arbeitsplatz nicht ausgeschlossen

Als Tätigkeit war im Vertrag „Reinigungskraft“ festgelegt. Zugleich sollte der Arbeitgeber ihr eine andere Aufgabe zuweisen dürfen, sofern sie der Qualifikation der Arbeitnehmerin entspricht.
 
Auch wenn Versetzungsklauseln weit verbreitet sind  - es ist schon erstaunlich, dass sich Arbeitgeber nicht mal bei einer 450-Euro-Kraft auf eine einzelne Tätigkeit festlegen möchte. Üblich ist eine solche Versetzungsklausel, um reagieren zu können, wenn sich der Beschäftigungsbedarf ändert.
 
Warum eine solche Klausel bei einer Reinigungskraft in einem Busunternehmen erforderlich sein soll, bleibt das Geheimnis des Arbeitgebers.
 

„10 Stunden von Montag bis Sonntag“

Ihre Arbeitsleistung sollte die Mandantin wöchentlich für 10 Stunden erbringen, und zwar an sechs Tagen in der Zeit zwischen Montag und Sonntag  - nicht einmal der freie Tag war also festgelegt.
 
Auch sonst mochte sich der Arbeitgeber nicht festlegen, zu welchen Uhrzeiten er die durchschnittlich weniger als zwei Stunden täglich benötigt: „Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen“. Keine Planbarkeit also für unsere Mandantin.
 
Als wäre dies nicht schon schlimm genug, sollte sie sich auch noch verpflichten, „Mehr-, Über-, Sonntags-, Feiertags-, Wechselschicht- und Nachtarbeit“ zu leisten. Entsprechende Zuschläge sieht der Vertrag nicht vor.
 

„Kündigungsfrist 7 Tage“

Bei der Probezeit hat der Arbeitgeber die rechtlichen Möglichkeiten voll ausgeschöpft und sechs Monate festsetzt. Ob man wirklich ein halbes Jahr benötigt um festzustellen, ob eine Reinigungskraft ihren Job versteht, steht auf einem anderen Blatt.
 
Rechtlich unzulässig ist dagegen die Kündigungsfrist von sieben Tagen in der Probezeit. Das Gesetz sieht hier eine Frist von zwei Wochen vor. Diese Frist gilt allerdings für beide Seiten. Beruhigend also für die Mandantin, dass sie  - wenn sie selbst will  - auch innerhalb einer Woche aus dem Vertrag draußen ist.
 

Lohnkürzung bei schlechter Arbeitsweise

Als Stundenlohn hatte der Arbeitgeber einen Stundensatz von 10 Euro vorgesehen. Das liegt zwar knapp über dem allgemeinen Mindestlohn von 9,19 Euro, allerdings unter dem allgemeinverbindlichen Mindestlohn für Gebäudereiniger. Dieser liegt seit Jahresbeginn bei 10,56 Euro.
 
Diesen Hungerlohn wollte der Arbeitgeber ihr auch nach Belieben kürzen, wenn ihre Arbeitsleistung „nicht dem betrieblichen Standard entspricht“. Abgesehen von der Frage, um wieviel man einen solchen Lohn überhaupt kürzen kann  - eine solche Klausel ist dem Arbeitsrecht völlig fremd.
 
Der Arbeitnehmer schuldet seine Arbeitskraft und kein bestimmtes Ergebnis. Er muss sich also nach Kräften bemühen und darf nicht bewusst schlecht arbeiten. Aber wenn er das tut, kann der Arbeitgeber ihn nicht bestrafen.
 
Selbst wenn dies möglich wäre, so müsste bei einer Vertragsstrafe mindestens klar geregelt sein, welches konkrete Fehlverhalten sanktioniert wird und in welchem Umfang. Die Klausel verstößt damit auch noch gegen das Bestimmtheitsgebot. Möglicherweise ein Zeichen dafür, dass der Arbeitgeber es mit dieser Klausel selbst nicht so ganz ernst meinte.
 

„Auszahlung der Vergütung bis zum 20. des Folgemonats“

Ihr Geld soll die Mandantin erst am 20. des Folgemonats erhalten. Selbst wenn der Arbeitgeber den Lohn also pünktlich zahlt, ist die Arbeitnehmerin dann fast zwei Monate in Vorleistung getreten. Eine erhebliche Zeit, wenn man bedenkt, dass nach dem Gesetz der Lohn im Zweifel sofort fällig ist.
 
Eher unter die Rubrik „skurril“ fällt dagegen, dass die Lohnsteuerklasse und die Bankverbindung der Arbeitnehmerin in den Arbeitsvertrag aufgenommen sind.
 

Ein Katalog von Kündigungsgründen

Nicht genug, dass der Arbeitgeber den Bestandsschutz auf ein Minimum reduziert hat (lange Probezeit mit kurzer Kündigungsfrist). Er musste auch noch einmal ausdrücklich auf die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung hinweisen.
 
Dies verband er noch mit einer Aufzählung von insgesamt 10 Fallgruppen, in denen aus seiner Sicht eine solche Kündigung möglich ist. Auch wenn er hier ein durchaus richtiges Gespür an den Tag legte (zum Beispiel Privatfahren mit dem Firmenfahrzeug, Benzindiebstahl, sonstige Straftaten), so wirft eine solche kleinteilige Regelung schon Fragen nach dem Geisteszustand des Verfassers auf. Kündigungsrechtlich betrachtet ist dies nämlich weder notwendig, noch hinreichend.
 
Denn Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers können grundsätzlich immer eine fristlose Kündigung rechtfertigen, auch ohne dass dies im Arbeitsvertrag geregelt werden muss. Andererseits betrachten die Gerichte immer die Besonderheiten des Einzelfalles und wägen die gegenseitigen Interessen gegeneinander ab. Eine solche Abwägung kann man auch nicht durch einen entsprechenden „Katalog“ umgehen.
 

Was tun?

Arbeitsverträge sind in der Regel vom Arbeitgeber vorformuliert. Der Arbeitnehmer hat wenig Möglichkeiten, hier noch etwas zu ändern. Manche Arbeitgeber nutzen diese Machtposition bis über die Grenze des rechtlich Zulässigen hinaus aus. Zum Teil mit regelrechten „Angstklauseln“, wie man sie auch aus dem Mietrecht kennt.
 
Zu den Aufgaben eines Rechtsschutzsekretärs gehört es, Arbeitsverträge zu prüfen und Gewerkschaftsmitglieder zu beraten, wie sie mit derartigen Regelungen in ihren Verträgen umgehen sollen.
 
Bei Angstklauseln, wie der Androhung von Lohnkürzung, heißt es in erster Linie, die Ruhe zu bewahren: Meist sieht die Realität nämlich ganz anders aus. Die Arbeitszeiten werden sich tatsächlich oft „einpendeln“, so dass die Planungsunsicherheit wahrscheinlich nicht so groß ist, wie dies auf den ersten Blick den Anschein hat. Und sollte es doch zum Rechtsstreit kommen, wird das Arbeitsgericht die Klausel bewerten und sie im Zweifel für unwirksam erklären. Arbeitnehmer können sie also bedenkenlos unterschreiben: sie riskieren nichts!
 
Andererseits sollten Arbeitnehmer aber darauf achten, dass Regelungen, die für sie persönlich wichtig sind, im Vertrag auch auftauchen. Zuschläge beispielsweise müssen im Arbeitsvertrag (oder einem Tarifvertrag) festgelegt sein. Sind sie es nicht, gibt es auch keinen Anspruch.