Angelika Kapeller, Centrum für Revision der DGB Rechtsschutz GmbH:  „Beharrlichkeit zahlt sich aus“.
Angelika Kapeller, Centrum für Revision der DGB Rechtsschutz GmbH: „Beharrlichkeit zahlt sich aus“.

Frank M. ist in einem Betrieb in Hessen als Metallbaumeister beschäftigt. In seinem Betrieb gilt der Tarifvertrag für das hessische Tischlerhandwerk. Danach muss nach der Montageregelung der Arbeitgeber Fahrtkosten erstatten und auch ein Tagegeld zahlen, wenn auswärtige Übernachtungen nötig sind.
 

Versetzung von Hessen nach Sachsen

Frank M. wurde von seinem Arbeitgeber nach Sachsen versetzt - immerhin 500 km vom Betriebssitz entfernt. Dagegen klagte er. Vorsichtshalber befolgte er die Aufforderung, zunächst in Sachsen zu arbeiten, bis über den Rechtsstreit entschieden wurde.
 
In den ersten Monaten stellte ihm sein Arbeitgeber eine Dienstwohnung zur Verfügung. Anschließend musste Frank M. auf eigene Kosten eine Unterkunft vor Ort anmieten, wo er während der Woche wohnte. Für die wöchentlichen Fahrten zwischen seinem Hauptwohnort in Hessen und seiner Wohnung in Sachsen nutzte Frank M. seinen privaten Pkw.
 

Versetzung unwirksam - wer kommt für die Mehrkosten auf?

Frank M. konnte einen ersten Etappensieg feiern: das hessische Landesarbeitsgericht entschied, dass die Versetzung unwirksam war. Jetzt wollte Frank M. die Kosten, die ihm während seine Versetzung entstanden waren, von seinem Arbeitgeber erstattet haben. Zum einen verlangte er Kostenersatz für die Reisekosten in Höhe von 30 Cent pro gefahrenen Kilometer, was für den Zeitraum Juni bis September 2016 immerhin einen Betrag in Höhe von über 4600 € ausmachte. Zum anderen verlangte er Tagegeld nach den tarifvertraglichen Regelungen und Kostenersatz für die angemietete Wohnung.
Damit war der Arbeitgeber nicht einverstanden. Seiner Meinung schuldete er Frank M. weder Tagegeld noch den Mietersatz. Außerdem sei nach den tariflichen Regelungen nur ein begrenzter Aufwand für Heimfahrten erstattungsfähig.
 

Landesarbeitsgericht: Fahrtkostenersatz ja, aber nur auf Bahnkostenbasis

Das wollte sich Frank M. nicht bieten lassen und ging mithilfe der DGB Rechtsschutz GmbH vor Gericht. Das erstinstanzliche Arbeitsgericht gab ihn zunächst in allen Punkten recht. Das Hessische Landesarbeitsgericht sprach ihm in der Berufungsinstanz den Mietkostenersatz und Tagesgeld zu. Es war der Meinung, dass Frank M. auch Fahrtkosten zustünden, aber nicht in Höhe von 30 Cent pro gefahrenen Kilometer. Man müsse auf die im öffentlichen Dienst geltenden Regeln zurückgreifen, so das Gericht. Danach könne er nur die Kosten verlangen, die ihm entstanden wären, wenn er alle zwei Wochen öffentliche Verkehrsmittel zweiter Klasse genommen hätte. Mehr sei nicht angemessen.
 

Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeber muss für den tatsächlich angefallenen Fahrtkosten aufkommen

Frank M. verstand die Welt nicht mehr. Konnte man wirklich von ihm verlangen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die hinterste Ecke von Sachsen zu fahren? Schließlich hatte der Arbeitgeber durch seine unberechtigte Versetzung diese Kosten verursacht.
 
Mit Hilfe des Gewerkschaftlichen Centrums für Revision und Europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH legte Frank M. Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgericht ein.
 

Kilometerpauschale in Höhe von 30 Cent gerechtfertigt

Und er bekam vom Bundesarbeitsgericht recht. In seiner Entscheidung vom 28.11.2019 stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass Frank M.  von seinem Arbeitgeber als Schadensersatz die Erstattung der Kosten verlangen kann, die ihm tatsächlich durch die Benutzung seines privaten PKWs für die wöchentlichen Fahrten zwischen seinem Wohnort in Hessen und seiner Wohnung in Sachsen entstanden sind. Er kann also nicht auf öffentliche Verkehrsmittel verwiesen werden. Die Höhe von 30 Cent pro gefahrenen Kilometer sei ebenfalls gerechtfertigt. Es müssten die Regelungen des Justizvergütungs-und Entschädigungsgesetz ( JVEG)  für den Fahrtkostenersatz herangezogen werden, und nicht die des öffentlichen Dienstes.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. November 2919-8 AZR 125/18
 
 
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Das sagen wir dazu:

Das lange Durchhalten hat sich für Frank M. gelohnt. Erst musste er sich gegen die Versetzung (sogar mit einer einstweiligen Verfügung) wehren. Dann musste er durch drei Instanzen seinen Schadensersatzanspruch durchsetzen. Letztendlich mit Erfolg, und zwar nicht nur für sich, sondern auch für andere betroffene Arbeitnehmer*innen.

Bis jetzt war nämlich unklar, wie der Schadensersatz für Fahrtkosten in solch einem Fall zu berechnen ist. Viele Gerichte gingen (wie in diesem Fall das Hessische Landesarbeitsgericht) davon aus, dass in diesem Fall nur die Kosten für ein Bahnticket erstattet werden, wie es im öffentlichen Dienst der Fall ist. Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass 30 Cent pro Kilometer zu zahlen sind.

Angelika Kapeller, Prozessbevollmächtigte des Frank M. vom Centrum für Revision und Europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH, sagt dazu:

„Wichtig war, dass sich Frank M. von Anfang an gegen die Versetzung gewehrt hatte. Sonst hätte er keinen Schatzersatzanspruch geltend machen können. Denn wer eine Versetzung hinnimmt und erst später seine Kosten geltend machen will, muss damit rechnen, dass ihm entgegengehalten wird, er habe sich damit einverstanden erklärt.“

Das vollständige Urteil des Bundesarbeitsgerichts liegt noch nicht vor. Wenn sich hieraus weitere Ansatzpunkte ergeben, werden wir darüber berichten.

Rechtliche Grundlagen

Justizvergütungs-und Entschädigungsgesetz

§ 5 Fahrtkostenersatz
(1) Bei Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln werden die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt.
(2) Bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs werden
1.
dem Zeugen oder dem Dritten (§ 23) zur Abgeltung der Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,25 Euro,
2.
den in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Anspruchsberechtigten zur Abgeltung der Anschaffungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,30 Eurofür jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte. Bei der Benutzung durch mehrere Personen kann die Pauschale nur einmal geltend gemacht werden. Bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs, das nicht zu den Fahrzeugen nach Absatz 1 oder Satz 1 zählt, werden die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der in Satz 1 genannten Fahrtkosten ersetzt; zusätzlich werden die durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs aus Anlass der Reise angefallenen regelmäßigen baren Auslagen, insbesondere die Parkentgelte, ersetzt, soweit sie der Berechtigte zu tragen hat.
(3) Höhere als die in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichneten Fahrtkosten werden ersetzt, soweit dadurch Mehrbeträge an Vergütung oder Entschädigung erspart werden oder höhere Fahrtkosten wegen besonderer Umstände notwendig sind.
(4) Für Reisen während der Terminsdauer werden die Fahrtkosten nur insoweit ersetzt, als dadurch Mehrbeträge an Vergütung oder Entschädigung erspart werden, die beim Verbleiben an der Terminsstelle gewährt werden müssten.
(5) Wird die Reise zum Ort des Termins von einem anderen als dem in der Ladung oder Terminsmitteilung bezeichneten oder der zuständigen Stelle unverzüglich angezeigten Ort angetreten oder wird zu einem anderen als zu diesem Ort zurückgefahren, werden Mehrkosten nach billigem Ermessen nur dann ersetzt, wenn der Berechtigte zu diesen Fahrten durch besondere Umstände genötigt war.