Die Fingerverletzung konnte zunächst mit einem Pflaster versorgt werden. © Adobe Stock: SHOTPRIME STUDIO
Die Fingerverletzung konnte zunächst mit einem Pflaster versorgt werden. © Adobe Stock: SHOTPRIME STUDIO

Wenn Beschäftigte ihre Arbeitsleistung aufgrund von Arbeitsunfähigkeit nicht erbringen können, gibt es für sie klare Verpflichtungen, die sie gegenüber ihrem Arbeitgeber erfüllen müssen. Geregelt sind sie im Entgeltfortzahlungsgesetz. Die erste Pflicht, die bei Arbeitsunfähigkeit zu erfüllen ist, erfordert Schnelligkeit: Beschäftigte sind gesetzlich verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob Beschäftigte direkt der Arbeit fernbleiben oder sich im Laufe des Arbeitstages eine Erkrankung oder Verletzung anbahnt, weshalb der Arbeitsplatz vorzeitig verlassen wird.

Mit der Frage, ob es bei dem vorzeitigen Verlassen des Arbeitsplatzes ausreicht, wenn ein Arbeitskollege eines verletzten Beschäftigten die Nachricht über die Arbeitsunfähigkeit an den Arbeitgeber übermittelt, hatte das Arbeitsgericht Emden sich zu befassen.

 

Abmahnung wegen Anzeige der Arbeitsunfähigkeit an falsche Person

 

Der Kläger hatte sich bei der Arbeit eine Verletzung an seinem Finger zugezogen, die von einer Ersthelferin mit einem Pflaster behandelt wurde. Einen Grund den Arbeitsplatz zu verlassen, sah der Kläger zunächst nicht und setzte seine Arbeit fort. Im Verlauf des weiteren Arbeitstages, jedoch vor dem Ende der Arbeitszeit, verließ der Kläger dann doch seinen Arbeitsplatz. Zuvor hatte er sich bei einem Arbeitskollegen abgemeldet, welcher die Information an den Arbeitgeber weitergegeben hat.

 

Der Arbeitgeber mahnte den Kläger ab und vertrat die Auffassung, dass der Kläger verpflichtet gewesen sei, jemanden aus der Personalabteilung oder seinen Vorgesetzten zu informieren. Die alleinige Meldung bei einem Arbeitskollegen reiche nicht aus.

Mit Hilfe von Nikolaus Fontaine aus dem Rechtsschutzbüro Emden klagte der Beschäftigte auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte - mit Erfolg.

 

Arbeitsgericht: Keine Pflicht zur Anzeige gegenüber einer bestimmten Person

 

Das Arbeitsgericht entschied, dass die Abmahnung rechtswidrig erfolgte und aus der Personalakte zu entfernen ist. Grundsätzlich seien Beschäftigte zwar nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern, dem Arbeitgeber anzuzeigen. Dies meine jedoch nicht „sofort“. Vielmehr gebe das Gesetz den Beschäftigten auf, den Arbeitgeber so schnell zu informieren, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist, jedenfalls im Laufe des ersten Krankheitstages.

Für die Anzeige sehe das Gesetz jedoch keine besondere Form vor, sodass eine solche Anzeige sowohl schriftlich als auch mündlich oder über Vertreter*innen und Bot*innen erfolgen kann. So könne die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit gegenüber vom Arbeitgeber zur Entgegennahme von Erklärungen autorisierten Mitarbeiter*innen wie beispielsweise Vorgesetzten erfolgen. Beschäftigten stünde es jedoch auch frei, nicht zur Entgegennahme von Erklärungen befugte Mitarbeiter*innen als Bot*innen für eine Erklärung – wie die Anzeige einer Arbeitsunfähigkeit – einzusetzen.

So hatte es der Kläger hier getan, indem er den Arbeitskollegen bat, seine Abmeldung an den Arbeitgeber weiterzuleiten. Das Risiko einer rechtzeitigen und zutreffenden Übermittlung trage in diesem Fall zwar der Beschäftigte selbst. Allerdings hatte der Arbeitgeber im Prozess nicht vorgetragen, dass der Arbeitskollege die Meldung verspätet oder unvollständig übermittelt hat, sodass zugunsten des Klägers davon ausgegangen wurde, dass die Meldung rechtzeitig und korrekt erfolgte.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Emden.

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Emden zeigt, dass Beschäftigte grundsätzlich frei entscheiden können, auf welchem Weg sie ihren Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit informieren. Dennoch ist hinsichtlich der Pflichten aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz höchste Vorsicht geboten. Verstoßen Beschäftigte gegen die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Arbeitsunfähigkeit oder gegen die Nachweispflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (§ 5 Entgeltfortzahlungsgesetz), riskieren sie eine Verweigerung der Entgeltfortzahlung, eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung.

 

Im betreffenden Fall ging die Sache zwar glücklich für den Kläger aus, jedoch hat das Arbeitsgericht auch klargestellt, dass Beschäftigte das alleinige Risiko für die rechtzeitige und korrekte Übermittlung einer Anzeige der Arbeitsunfähigkeit tragen, wenn sie Bot*innen einschalten.

 

Gleiches lässt sich auch auf die Übermittlung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übertragen. Passieren bei der Übermittlung also Fehler und wird eine Anzeige der Arbeitsunfähigkeit beispielsweise durch Bot*innen schlichtweg vergessen, geht dies zulasten der Beschäftigten – und hat gegebenenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen.

 

Beschäftigte sind also gut beraten, ihre Arbeitsunfähigkeit unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber (Vorgesetzte, Personalabteilung etc.) anzuzeigen und auch die Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen selbst in die Hand zu nehmen und den entsprechenden Stellen zuzusenden.

Rechtliche Grundlagen

§ 5 Entgeltfortzahlungsgesetz

(1) 1 Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. 2 Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. 3 Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. 4 Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. 5 Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muss die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.“