Nichtteilnahme an amtsärztlicher Untersuchung kann Abmahnung begründen/ Copyright by Adobe Stock/fotogestoeber
Nichtteilnahme an amtsärztlicher Untersuchung kann Abmahnung begründen/ Copyright by Adobe Stock/fotogestoeber

Der 57-jährige Kläger war immer wieder arbeitsunfähig erkrankt. 2018 war er krankheitsbedingt an 75 Tagen gehindert, seiner Tätigkeit als Schreiner nachzukommen. Seine Ärztin hatte ihm verboten, Gegenstände zu heben, tragen oder ohne Hilfsmittel zu bewegen, die schwerer als zehn Kilo sind.
 

Arbeitgeber verpflichtet den Kläger zur amtsärztlichen Untersuchung

Der Arbeitgeber, ein Unternehmen des öffentlichen Dienstes, zweifelte an der Leistungsfähigkeit des Schreiners und verpflichtete den Mann, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Die Möglichkeit zu einer solchen Verpflichtung ergibt sich aus dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), der auf das Arbeitsverhältnis der streitenden Parteien Anwendung findet.
Der Schreiner verschob den ersten Untersuchungstermin. Einen zweiten Termin nahm er nicht wahr, da, so seine Sicht, eine am selben Tage erlittene arbeitsunfähige Erkrankung ihn daran hinderte. Hieraufhin erteilte der Arbeitgeber ihm eine Abmahnung.
 

Kläger verlangt Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte

Der Schreiner verlangte die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Er begründete dies damit, dass er wegen seiner Erkrankung an der Wahrnehmung des Untersuchungstermins gehindert gewesen sei.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) dürfe ein Arbeitgeber in bestehender Arbeitsunfähigkeit Weisungen nur aus „dringenden betrieblichen Anlässen“ erteilen.
Im Übrigen habe bei der Wahrnehmung des Untersuchungstermins eine „latente Gefahr der Beeinträchtigung des Genesungsprozesses“ gedroht. Zu berücksichtigen sei auch, dass ein solcher Termin mit einer psychischen und nervlichen Belastung verbunden gewesen sei.
 

Erfolglos durch die Instanzen

Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht (LAG) verschlossen sich der Argumentation des Klägers und lehnten die Entfernung der Abmahnung aus der Personale ab.
Zwar habe das BAG am 2. November 2016 geurteilt, dass krankgeschriebene Arbeitnehmer in aller Regel nicht zur Teilnahme an einem Personalgespräch in ihrem Betrieb angewiesen werden dürfen. Doch sei der vom BAG entschiedene Fall nicht mit dem Fall des Klägers zu vergleichen.
 

LAG: Medizinische Untersuchung setzt keine Arbeitsfähigkeit voraus

Für die amtsärztliche Untersuchung habe es einen „wichtigen Grund“ gegeben, so das LAG in seiner Entscheidung vom 19. Mai 2020. Um an einer amtsärztlichen Untersuchung teilzunehmen, müsse keine Arbeitsfähigkeit gegeben sein.
Denn die, so die Richter*innen des Berufungsgerichts, die Untersuchung diene ja dem Zweck, zu prüfen, ob der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeit überhaupt noch erbringen kann.
Eben aus diesem Grund, könne mit der Untersuchung nicht bis zur Genesung gewartet werden. Letztendlich müsse der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht auch die Möglichkeit erhalten, Maßnahmen für einen leidensgerechten Arbeitsplatz ergreifen zu können.
 

Vorliegen besonderer Umstände nicht ausreichend dargelegt

Besondere Umstände, warum der Kläger nicht an dem Untersuchungstermin teilnehmen konnte, seien von diesem nicht dargelegt worden. Auch gebe es keinen allgemeinen Erfahrungssatz, „dass der Besuch eines Amtsarztes ohne besondere Umstände Nerven und Gemüt eines Patienten so belastet, dass allein mit dem eine Beeinträchtigung des Heilungsverlaufs verbunden wäre“.
 
Hier finden Sie das vollständige Urteil des LAG Nürnberg vom 19.5.2020
Für Interessierte:

BAG vom 2.11.2016, AZ: 10 AZR 596/15 

Rechtliche Grundlagen

§ 3 Abs. 5 TV-L

(5) 1Der Arbeitgeber ist bei begründeter Veranlassung berechtigt, Beschäftigte zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sind. 2Bei dem beauftragten Arzt kann es sich um einen Betriebsarzt, Personalarzt oder Amtsarzt handeln, soweit sich die Betriebsparteien nicht auf einen anderen Arzt geeinigt haben. 3Die Kosten dieser Untersuchung trägt der Arbeitgeber.