Impfen ist sinnvoll, aber keine Pflicht. Wir erklären, was das im Job konkret bedeutet. Copyright by Adobe Stock/Halfpoint
Impfen ist sinnvoll, aber keine Pflicht. Wir erklären, was das im Job konkret bedeutet. Copyright by Adobe Stock/Halfpoint

Schon bevor es mit dem Impfen überhaupt losging, war die Irritation groß. Erste Arbeitgeber drohten Kündigungen an, falls sich ihre Beschäftigten nicht würden impfen lassen. Andere beließen es nicht bei der Drohung. Kein Wunder also, dass viele Arbeitnehmer*innen verunsichert sind. Wir klären die wichtigsten Fragen.
 

1. Kann mein Arbeitgeber mich zu einer Impfung zwingen?

Nein. Auch wenn natürlich dringend empfohlen wird, sich gegen Corona impfen zu lassen, besteht keine Pflicht dazu. Die Impfung ist freiwillig. Deswegen kann auch der Arbeitgeber nicht anordnen, dass seine Beschäftigten sich impfen lassen.

 
Eine arbeitsrechtliche Weisung in dem Sinne, dass man sich impfen lassen soll, ist also unwirksam und muss nicht befolgt werden.

Wer als Arbeitnehmer*in deswegen abgemahnt wird oder sogar die Kündigung erhält, hat gute Chancen, einen Prozess beim Arbeitsgericht zu gewinnen.
 

2. Gilt das auch für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen?

 

Beschäftigte in diesen Branchen müssen bis zum 15. März 2022 nachweisen, dass sie
geimpft, genesen oder vom Impfen befreit sind.

 

Solange dieser Nachweis nicht vorliegt, darf man in den entsprechenden Einrichtungen nicht beschäftigt werden und erhält auch keinen Lohn.

 

Wer trotz Aufforderung den Nachweis nicht erbringt, riskiert eine Abmahnung und sogar eine Kündigung aus personenbedingten Gründen. Denn ähnlich wie Berufskraftfahrer*innen ohne Fahrerlaubnis entfällt dann die persönliche Voraussetzung, die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen.

 

3. Darf mich mein Arbeitgeber fragen, ob ich geimpft bin?

Der Arbeitgeber darf nur solche Informationen erfragen, an denen er ein legitimes Interesse hat. Da es keine Impfpflicht gibt, kann es auch ein solches legitimes Interesse nicht geben, zumal es sich um besonders sensible Daten der Beschäftigten handelt.
 
Anders könnte man dies allenfalls sehen für Beschäftigte, die mit besonders gefährdeten Personen in Kontakt stehen (s.o.). Sofern es in den medizinischen Einrichtungen ein Hygienekonzept gibt, welches vorsieht, dass nur geimpftes Personal Kontakt mit Patient*innen haben soll, könnte die Einhaltung dieses Konzepts ein legitimes Interesse darstellen.
 
Ein solches Konzept dürfte nach gegenwärtigem Stand der Impfkampagne jedoch kaum durchzuführen sein, in der zweiten Jahreshälfte mag dies anders aussehen. Hier kommt es sehr auf die Gegebenheiten des Einzelfalles an.
 

4. Was ist, wenn ich an Corona erkrankt bin, obwohl ich mich hätte impfen lassen können?

Wie jede*r andere Arbeitnehmer*in, die aufgrund einer Erkrankung nicht in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, erhält auch derjenige, der an Corona erkrankt ist, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
 
Den/die Arbeitnehmer*in trifft hier kein Verschulden, das nach dem Gesetz den Anspruch ausschließen würde. Denn ein solches Eigenverschulden liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn der/die Arbeitnehmer*in sich leichtfertig oder gar vorsätzlich dem Risiko ausgesetzt hat, arbeitsunfähig zu werden.
 
Allein die Tatsache, eine empfohlene Impfung nicht durchführen zu lassen, stellt kein leichtfertiges Verhalten dar. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für sechs Wochen besteht daher auch, wenn eine Coronaerkrankung durch Impfung hätte vermieden werden können.
 

5. Und was ist, wenn ich dann in Quarantäne muss?

Anders sieht dies im Falle einer Quarantäne aus. Wer ein amtliches Beschäftigungsverbot erhält, weil der begründete Verdacht besteht, dass er andere anstecken kann, hat grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz.
 
Nicht berechtigt ist aber, wer das Beschäftigungsverbot hätte vermeiden können, wenn er/sie eine empfohlene Schutzimpfung in Anspruch genommen hätte (§ 56 Abs. 1, S.3 InfSG).
 
Sofern man also nicht die Möglichkeit hat, in der Quarantäne im Homeoffice zu arbeiten und dadurch seinen Lohnanspruch zu erhalten, läuft man als Ungeimpfte*r in der Quarantäne Gefahr, ohne finanzielle Absicherung dazustehen.
 

6. Kann ich mich während meiner Arbeitszeit impfen lassen?

Hier gilt nichts anderes als beim Arztbesuch: Dieser ist grundsätzlich Privatsache und hat außerhalb der Arbeitszeit stattzufinden. Nur in Ausnahmefällen haben Beschäftigte Anspruch auf Freistellung.
 
Solange die Impfkampagne so abläuft, dass die Impfzentren starre Termine vergeben, dürfte ein solcher Ausnahmefall vorliegen. Dies könnte sich aber ändern, wenn in Zukunft auch Arztpraxen impfen können. Hier wird man die Entwicklung abwarten müssen.
 
Jedenfalls dann, wenn der/die Beschäftigte einen festen Termin zugewiesen bekommt, hat er einen Anspruch darauf, für diesen unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freigestellt zu werden (§ 616 BGB). Diese Vorschrift kann aber in Arbeits- oder Tarifverträgen ausgeschlossen werden. In diesem Fall hat der/die Beschäftigte keinen Anspruch auf Lohn für diese Zeit.
 
Praktisch empfiehlt es sich, den Impftermins frühzeitig mit dem Arbeitgeber abzusprechen. Da viele Arbeitgeber offenbar ein Interesse daran haben, dass ihre Beschäftigten geimpft sind, sollte es möglich sein, hier eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden.
 

7. Darf mein Arbeitgeber mir einen Bonus anbieten, damit ich mich impfen lasse?

Manche Arbeitgeber gehen sogar noch weiter und bieten ihren Beschäftigten neben der Freistellung auch eine Bonuszahlung an, wenn sie sich impfen lassen. Gegen eine solche “Impf-Prämie“ ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Sie fördert ein legitimes Anliegen und stellt die Beschäftigten insgesamt finanziell besser.
 
Als Betriebsrat sollte man jedoch beachten, dass eine solche Zahlung unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes sowie der betrieblichen Lohngestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 u. 10 BetrVG) mitbestimmungspflichtig ist.
 
Der Arbeitgeber kann eine solche Prämie also nicht ohne die Beteiligung des Betriebsrats einführen. Im Falle von Streitigkeiten kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen.
 

8. Kann der Arbeitgeber mir den Zutritt zur Kantine verweigern, weil ich nicht geimpft bin?

Da Beschäftigte nicht verpflichtet sind, sich impfen zu lassen, kann der Arbeitgeber diese Beschäftigten auch nicht deswegen sanktionieren. Dies ergibt sich aus dem Maßregelungsverbot, das eine Ungleichbehandlung im Betrieb verbietet.
 
Gerechtfertigt sein könnte eine solche Ungleichbehandlung allerdings aufgrund der Fürsorgepflicht für die gesamte Belegschaft im Hinblick auf die Vermeidung von Ansteckungen. Aus diesem Grund könnte es geboten sein, geimpfte Arbeitnehmer*innen anders zu behandeln als Ungeimpfte.
 
Allerdings wäre auch das nur rechtlich möglich, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, Ansteckungen zu verhindern. Als Alternativen zu Zugangsverboten bieten sich insbesondere Schnelltests an.
 

9. Jetzt bin ich geimpft: muss ich immer noch Maske tragen?

Wohl schon. Das Tragen der Maske dient ja nicht nur dem Selbst- sondern auch dem Fremdschutz. Auch wenn die Impfung die Gefahr einer Ansteckung deutlich senkt, besteht ja immer noch die Möglichkeit, das Virus zu übertragen und damit ungeimpfte Kolleg*innen anzustecken.
 
Es gibt zwar ermutigende Anzeichen, dass die Impfstoffe auch die Weitergabe des Virus verhindern. Solange dies aber noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist, werden wohl auch die Beschäftigten, die sich haben impfen lassen, weiterhin den Mund-Nasen-Schutz tragen müssen.
 
Links
Corona-Impfung und Beruf: Was Beschäftigte vor dem Impfstart wissen müssen

Rechtliche Grundlagen

§§ 23, 56 InfSG, § 3 EFZG, § 87 BetrVG, § 616 BGB

Rechtliche Grundlagen


(Infektionsschutzgesetz - IfSG)
§ 56 Entschädigung
Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können. Eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, oder durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können. Eine Reise ist im Sinne des Satzes 3 vermeidbar, wenn zum Zeitpunkt der Abreise keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für die Reise vorlagen.

§ 23 Nosokomiale Infektionen; Resistenzen; Rechtsverordnungen durch die Länder
[]
(3) Die Leiter folgender Einrichtungen haben sicherzustellen, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden:

1. Krankenhäuser,
2. Einrichtungen für ambulantes Operieren,
3. Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt,
4. Dialyseeinrichtungen,
5. Tageskliniken,
6. Entbindungseinrichtungen,
7. Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen, die mit einer der in den Nummern 1 bis 6 genannten Einrichtungen vergleichbar sind,
8. Arztpraxen, Zahnarztpraxen,
9. Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe,
10. Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden,
11. ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen erbringen, und
12. Rettungsdienste.

Entgeltfortzahlungsgesetz
§ 3 Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
(1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn

1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder
2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

Betriebsverfassungsgesetz
§ 87 Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[…]
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
[…]
10. Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;

BGB
§ 616 Vorübergehende Verhinderung
Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.