Wirkt die einmal mitgeteilte Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters bei Leistungsunterbrechung fort?
Wirkt die einmal mitgeteilte Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters bei Leistungsunterbrechung fort?

Neumann ist in den Hartz IV Bezug gerutscht. Er und seine Frau wohnen in einer Wohnung, die nach Ansicht des Jobcenters zu groß oder zu teuer, in jedem Fall aber unangemessen ist. Schon im ersten Monat des Leistungsbezugs erhalten sie also eine Aufforderung, die Kosten zu senken.

Was bedeutet Kostensenkungsaufforderung?

Damit kündigt das Jobcenter an, dass nur noch bis zum Ablauf einer Schonfrist von höchstens sechs Monaten die Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe übernommen werden. Danach nur noch in der im Schreiben mitgeteilten Höhe.

Hier folgen die Zahlen, die sich aus dem sogenannten „schlüssigen Konzept“ der Gemeinde ergeben. Das sind meist deutlich niedrigere Beträge, als die Unterkunft kostet. Manchmal betrifft es auch noch die Heizkosten.

Bei Neumann wird angekündigt, ab dem 1.8.2017 die überschließenden Kosten in Höhe von 80 € nicht mehr zu übernehmen. Wenn Neumann es einfach so weiterlaufen lässt, muss er 80 € vom Regelsatz noch für Miete aufwenden.

Was tun gegen die Kostensenkungsaufforderung?

Die Kostensenkungsaufforderung ist kein Verwaltungsakt. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG)zuletzt mit Urteil vom 15.6.2016 (B 4 AS 36/15 R) noch einmal bestätigt. In der dort vorliegenden besonderen Fallkonstellation hat das Gericht eine Feststellungsklage darauf, dass die Aufforderung unwirksam ist, als zulässig erachtet.

Wehren kann man sich, indem man gegen den Bescheid, mit dem die gekürzten Beträge bewilligt werden (Kürzungsbescheid), Widerspruch einlegt. Im Rahmen dieses Widerspruchs kann man sich darauf berufen, dass der Kostensenkungsbescheid nicht wirksam gewesen sei.

Wie viele Menschen, die an ihren Wohnungen hängen, unternimmt auch Neumann nichts, um eine andere Wohnung zu finden. Andere Kostensenkungsmöglichkeiten hält er für ausgeschlossen: Den Vermieter mag er gar nicht erst ansprechen, ob er ihm mit der Miete entgegenkommt und für eine Untervermietung ist die Wohnung zu klein. Außerdem hofft er auf einen baldigen neuen Job.

Geringe Anforderung an die Wirksamkeit der Kostensenkungsaufforderung

Wenn er im Leistungsbezug bleibt, ist ein Widerspruch gegen die Kürzung meist erfolglos, wenn der Widerspruchsführer keine sachlich nachweisbaren Einwände vorbringen kann, warum er weder eine billigere Wohnung finden noch die Kosten senken konnte.

Es reicht der Rechtsprechung aus, wenn die Kostensenkungsaufforderung „Warn-und Hinweisfunktion hat.

Neumann hat zum 1.6.2017, also zwei Monate vor der angekündigten Kürzung, eine neue Stelle. Mit Zahlung des Junilohnes fällt er aus dem Leistungsbezug raus.

Er fühlt sich wohl in seinem neuen Job, man scheint mit ihm zufrieden und trotzdem ist nach 3 Monaten Probezeit Schluss. Der Kunde für dessen Aufträge Neumann eingestellt worden ist, schwächelt finanziell.

Aufgrund der drei Monate Beitragszahlung hat er noch keinen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben, ab 1.9.2017 muss er also wieder Arbeitslosengeld 2 (Hart IV) beanspruchen. Jetzt stellt sich die spannende Frage, ob eine neue Schonfrist zu laufen beginnt.

Läuft eine neue Schonfrist nach Unterbrechung des Leistungsbezuges?

Zu dieser Frage gibt es unterschiedliche Urteile, es bedarf auf jeden Fall einer genauen Betrachtung des Einzelfalls. So hielt das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 27.06.2012 (L 6 AS 582/10) ein neue Kostensenkungsaufforderung für erforderlich.
In dem Fall war der Kläger circa 11 Monate nach der Kostensenkungsaufforderung wieder auf Grundsicherungsleistungen angewiesen. In diesem Fall sei die vorgenommene Kürzung unwirksam gewesen.
Die Aufforderung würde nämlich nur dann fortwirkten, wenn der erneute Eintritt der Hilfebedürftigkeit vorhersehbar war. Dies war hier nicht der Fall, weil der Kläger hier über einen längeren Zeitraum nicht mehr hilfebedürftig war. Es komme aber auf die Umstände des Einzelfalles an.
Auch das Sozialgericht Dresden hat am 25.1.2013 entschieden (S 20 AS 4915/11), dass nach zehn Monaten ohne Leistungsbezug eine neue Kostensenkungsaufforderung erforderlich ist.

Verkürzte Schonfrist bei Befristung?

Dagegen hat das Landessozialgericht Bayern angenommen, eine reduzierte Schonfrist von fünf Monaten sei ausreichend, wenn der Leistungsempfänger zwischenzeitlich eine befristete Tätigkeit ausgeübt hat.

Im entschiedenen Fall vom 12.8.2013 (L7 AS 589/11) hat sich das LSG bei der Bemessung der Schonfrist an der Kündigungsfrist der Wohnung orientiert. Der Kläger hatte zwischenzeitlich für fünf Monate eine befristete Erwerbstätigkeit ausgeübt.

Der Gesetzgeber habe die Obergrenze von sechs Monaten für den Regelfall angenommen. Der Regelfall sei aber der erstmalige Bezug von Leistungen. Bei nur befristeter Arbeitsaufnahme läge ein Regelfall nicht vor. Bei steuerfinanzierten Leistungen könne der Betroffene nicht davon ausgehen, dass ihm nochmals die volle Schonfrist zustünde.

Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls

Selbst bei einer Unterbrechungen des Leistungsbezuges von mehr als einem Jahr hat das LSG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 28.07.2016 (L 32 AS 1945/14) entschieden, dass nicht zwingend eine erneute Schonfrist zugestanden werden muss.

Auf den ersten Blick wirkt die Entscheidung deutlich schärfer als die vorher Genannten. Auf den zweiten Blick aber fällt auf, dass viele Besonderheiten zu berücksichtigen waren. Die Betroffene hatte immer wieder Arbeitsverhältnisse, aber keins davon war unbefristetes.

Deshalb konnte sie nicht davon ausgehen, dass sie ihren Hilfebedarf dauerhaft überwunden habe. Zwar hatte sie auch wieder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. In dieser Zeit gelang es ihr aber nicht, eine neue Arbeitsstelle zu finden.

Keine neue Schonfrist, wenn Bedarf absehbar ist

Gerade die mehrmonatige Arbeitslosigkeit vor der dem erneuten Leistungsbezug führte dazu, dass das Gericht einen absehbaren erneuten Leistungsbezug annahm. Und wenn etwas absehbar ist, darf der Betroffene nicht darauf vertrauen, dass ihm erneut ungekürzte Leistungen gewährt werden. Wenn ein erneuter Leistungsbezug abzusehen ist, hat der (künftig) Leistungsberechtigte seine mit Antragstellung oder Leistungsbeginn eintretende Obliegenheit nur erfüllt, wenn er das ihm Mögliche und Zumutbare zur Kostensenkung so rechtzeitig unternommen hat, dass bei Beginn des Leistungsbezuges die Kosten der Unterkunft und Heizung angemessen sind, so das LSG.


Aber was heißt das jetzt für Neumann?


Einerseits sind drei Monate Erwerbstätigkeit eine sehr kurze Unterbrechung. Andererseits war der Arbeitsvertrag nicht befristet. Außerdem hat er die Schonfrist zuvor gar nicht ganz ausgeschöpft. Es verblieben noch zwei Monate. Es handelt sich um einen so noch nicht gerichtlich entschiedenen Fall. Wie würden Sie entscheiden?

Hier gibt es das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28.07.2016 (L 32 AS 1945/14) im Volltext 

 

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Das sagen wir dazu:

Wenn Neumann keine neue, wenigstens reduzierte Schonfrist bewilligt wird, sollte er Widerspruch einlegen. Hier haben die Gerichte zwar Eckpunkte genannt, immer aber auf die konkreten Einzelfallbedingungen abgestellt.

Grundsätzlich gilt: Wer unangemessen hohe Mietkosten hat, kann sich bei Arbeitsaufnahme nicht sicher sein, dass ihm eine erneute Schonfrist gewährt wird. Die Gerichte haben jeweils die Einzelfälle sehr genau beleuchtet. Und die Fälle hatten alle gemein, dass keiner der Betroffenen tatsächlich Anstrengungen zur Kostensenkung unternommen hatte.


Denn dann sieht der Fall anders aus: Bewerbe ich mich nachweisbar um billigere Wohnungen, werde aber nicht genommen, weil ich Kinder habe, tätowiert bin, mich Piercings oder ein Kopftuch schmücken oder einfach weil ich Hartz IV Bezieher bin, dann sind Kosten unabhängig von der Kostensenkungsaufforderung weiterhin zu übernehmen.


Denn auch vom Leistungsempfänger, der steuerfinanzierte Leistungen erhält, darf nichts Unmögliches verlangt werden.