Dieser Schuss ging gewaltig nach hinten los! Durch fristlose Kündigung wollte sich ein Bäckereifilialbetrieb im beschaulichen Sauerländer Lüdenscheid von seiner seit 23 Jahren beschäftigten Verkäuferin trennen. Unterschlagung von Kundeneinnahmen warf der Arbeitgeber der 45-jährigen vor. Und beweisen wollte der Chef die Straftat mit Videoaufzeichnungen, auf denen die vorgeworfene Geldentnahme zu sehen sein sollte.

Doch das Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) wehrte sich. Mit Rechtsschutz ihrer Gewerkschaft begab sich die Angestellte zum DGB Rechtsschutz nach Hagen und klagte gegen die Kündigung.

Erfolgreiche Rechtsvertretung durch den DGB Rechtsschutz

Mit Erfolg: Die vermeintliche Straftat konnte nicht bewiesen werden. Die gefilmte und angeblich unerlaubte Einnahme des Geldes stellte sich als zulässige Annahme von Kundentrinkgeldern heraus. Einen Kassenfehlbestand gab es offensichtlich nicht. Das für Lüdenscheid zuständige Arbeitsgericht Iserlohn erklärte die fristlose Kündigung für unwirksam.

Und dann drehte Rechtsschutzsekretärin Anna Leminski vom DGB Rechtsschutz in Hagen, Prozessvertreterin des Gewerkschaftsmitgliedes, den Spieß um: Sie verklagte den Arbeitgeber auf Zahlung einer Entschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts ihrer Mandantin. Diese hatte nämlich nicht gewusst, dass sie bereits seit 18 Jahren heimlich an ihrem Arbeitsplatz gefilmt wurde. Dieser Klageantrag hatte Erfolg.

Entschädigung bei heimlichen Videoaufnahmen

Das auch von jedem Arbeitgeber zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten verbietet es, heimlich Videoaufnahmen anzufertigen, wenn die überwachte Person keinen Anlass zur Beobachtung gegeben hat.

Ein Verstoß rechtfertigt einen Entschädigungsanspruch. Dies dient sowohl der Genugtuung als auch der Vorbeugung, so das Arbeitsgericht Iserlohn.

Und da die heimliche Überwachung schon seit 18 Jahren andauerte, hielt das Arbeitsgericht auch die beantragte Entschädigung in Höhe von 4.000 € für gerechtfertigt.

 

Damit war der Arbeitgeber ganz und gar nicht einverstanden und legte Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm ein. Aber auch in dieser Instanz fand das Gericht deutliche Kritik an der heimlichen Videoaufnahme.

Letztendlich verglichen sich die Parteien: Die fristlose Kündigung ist endgültig unwirksam. Und die Verkäuferin erhält zum Ausgleich für die Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts durch heimliche Videoaufnahmen eine Entschädigung von 3.000 Euro.


Michael Mey, Rechtsschutzsekretär und Onlineredakteur in Hagen

Einen Fall zum Entschädigungsanspruch bei heimlicher Detektivbeobachtung können Sie hier nachlesen: