Der Arbeitgeber darf die Tätigkeit als Elektrofachkraft einem Arbeitnehmer nicht gegen seinen Willen zuweisen.
Der Arbeitgeber darf die Tätigkeit als Elektrofachkraft einem Arbeitnehmer nicht gegen seinen Willen zuweisen.

Der Kläger war bei der Beklagten als Technischer Sachbearbeiter im Bereich Facility Management beschäftigt. Einsatzort des Klägers war ein Objekt des Bundesnachrichtendienstes. Auf das Arbeitsverhältnis finden die tarifvertraglichen Regelungen des TVöD Anwendung.

 

Arbeitgeber erweitert Aufgabenbereich

 

Mit einer Anweisung im Juni 2016 bestellte die Beklagte den Kläger zur sogenannten verantwortlichen Elektrofachkraft (VEFK).
Die Anweisung sah für den Kläger folgenden Aufgaben vor:

 

  • Niederspannungseinrichtungen schaffen und erhalten
  • Anordnungen und Maßnahmen treffen, um das Arbeiten und Betreiben entsprechend der einschlägigen elektrotechnischen Vorschriften und Normen sicherzustellen
  • Gefährdungsbeurteilung erstellen und die daraus resultierenden Prüfungen für elektrische Betriebsmittel sowie die Ausrüstung von Maschinen entsprechend den maßgeblichen Richtlinien organisieren.

 

Der Kläger wollte die ihm von der Beklagten einseitig auferlegten Aufgaben nicht akzeptieren. Er erhob Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin mit dem Ziel, die Unwirksamkeit der Weisung feststellen zu lassen. Die Tätigkeit sei ihm nicht zuzumuten. Eine derartige Erweiterung des Aufgabenbereichs sei nur einvernehmlich möglich. 

 

Beklagte beharrt auf Weisungsrecht

 

So sei er nun mit sehr umfangreichen Überwachungspflichten konfrontiert. Außerdem sei er nun verpflichtet, die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz bei elektrotechnischen Arbeiten zu garantieren. Hierfür sei er nicht ausgebildet. Letztlich sei die Tätigkeit nicht von der im Arbeitsvertrag festgeschriebenen Entgeltgruppe gedeckt. Im Rahmen des Direktionsrechts dürfe die Beklagte ihm die genannten Tätigkeiten nicht zuweisen.

 

Die Beklagte war der Meinung, sie habe den Kläger wirksam zur verantwortlichen Elektrofachkraft bestellt. Der Kläger verfüge über die nötige Zuverlässigkeit und Sachkunde. Eine einseitige Bestellung sei ihr ohne weiteres möglich. Auch in vergleichbaren Fällen aus dem Beamtenrecht sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein Einvernehmen mit dem jeweiligen Beamten nötig.

 

Der Kläger befolgte die Weisung der Beklagten zunächst. In der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem LAG legte der Kläger die Stellenbeschreibung der Entgeltgruppe 12 TVÖD vor, also einer höheren Entgeltgruppe als seine eigene.

 

Kläger siegt in zwei Instanzen

 

Das Arbeitsgericht Berlin gab der Klage statt. Auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg schließt sich der Auffassung des Klägers an. Es bejaht zunächst zwar die grundsätzliche Möglichkeit der Beklagten, dem Kläger im Einklang mit den Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes entsprechende Aufgaben aufzuerlegen.

 

Allerdings geht nach Ansicht des LAG aus den gesetzlichen Normen hinsichtlich der Unfallverhütung dann etwas anderes hervor. So zieht das LAG eine Parallele zum früheren § 12 der „Allgemeinen Vorschriften“  der Berufsgenossenschaft. Hier hieß es:

 

„Hat der Unternehmer ihm - dem Arbeitnehmer  - hinsichtlich der Unfallverhütung obliegende Pflichten übertragen, so hat er dies unverzüglich schriftlich zu bestätigen. Die Bestätigung ist von dem Verpflichteten zu unterschreiben“  

 

Die heute maßgebliche Unfallverhütungsvorschrift hat einen ähnlichen Wortlaut. Demnach ist die Beklagte dazu berechtigt, zuverlässige und fachkundige Personen damit zu beauftragen, die Unfallverhütungsvorschriften in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Der Arbeitnehmer muss die Beauftragung jedoch unterzeichnen. Das LAG wertet dies als Zustimmungserfordernis.

 

Übertragung von Arbeitgeberaufgaben

 

Die einseitige Übertragung sei daher unzulässig gewesen. Dies ergibt sich für das Gericht aus einer Parallele zur Bestellung eines Beauftragten für schwerbehinderte Menschen. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer die Übernahme der Aufgabe verweigern, es sei denn, dass arbeitsvertraglich eine Verpflichtung zur Übernahme dieser Aufgabe besteht.

 

Gleiches gilt für Vorschriften für Immissionsschutzbeauftragte und Beauftragte für Datenschutz. Der gemeinsame Nenner dieser Vorschriften sei, dass der Arbeitnehmer Aufgaben des Arbeitgebers ausüben soll und die damit einher gehende strafrechtliche Haftung trägt. Dafür sei eine einvernehmliche Vereinbarung erforderlich.

 

Das LAG schließt sich der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts an, wonach die Übertragung von arbeitsschutzrechtlichen bezweckt, dass die Behörde einen Ansprechpartner hat. Früher konnten Anordnungen nur gegenüber dem Arbeitgeber erlassen werden. Die Suche nach dem verantwortlichen Rechtsträger gestaltete sich für Behörden mitunter schwierig. 

 

Die Regelungen dienen einem effektiven betrieblichen Arbeitsschutz. Dies bedeute aber nicht, dass der Arbeitgeber die Verantwortung einseitig abschieben könne.

 

Tätigkeiten weder von Arbeitsvertrag noch von Tarifvertrag gedeckt

 

Das LAG stellt außerdem fest, dass der Arbeitsvertrag des Klägers mit der Beklagten keine Grundlage für die Weisung darstellt. Die Aufgaben einer verantwortlichen Elektrofachkraft (VEFK) sei darin nicht genannt. 

 

Vielmehr zeige erst die Stellenbeschreibung einer nach Entgeltgruppe 12 TVöD eingruppierten Arbeitskraft Ansatzpunkte für eine arbeitsvertraglich vereinbarte Aufgabenregelung einer gesamtverantwortlichen Elektrofachkraft. Erst in dieser Entgeltgruppe ist geregelt, dass der Stelleninhaber den Arbeitsschutz organisieren muss.

 

Da der Kläger aber eine Stufe niedriger eingruppiert sei, treffe ihn dieser Aufgabenbereich nicht. Damit fehlt es nach Auffassung des LAG an einer arbeitsvertraglichen oder tariflichen Grundlage für die Weisung der Beklagten.

 

Links

 

Das Urteil vom LArbG Berlin-Brandenburg vom 17.11.2017 können Sie hier nachlesen, AZ: 2 Sa 868/17



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Das sagen wir dazu:

Das Gericht nimmt zu Recht Wertungen entlang der Verantwortungsbereiche von Arbeitnehmern und Arbeitgebern vor: Grundsätzlich haben Arbeitgeber sowohl das wirtschaftliche Risiko als auch das betriebliche Risiko zu tragen. Arbeitnehmer schulden nur die ordnungsgemäße Erbringung der Arbeitsleistung.

Arbeitgeber wälzen Verantwortung gerne ab

Arbeitgeber wälzen Risiken heute zunehmend auf Arbeitnehmer ab. Dies beginnt beim wirtschaftlichen Risiko. Beispiele hierzu sind etwa Werkverträge. Auch im Fall von betriebsbedingten Kündigungen bei Stilllegung des Betriebs tragen die Arbeitnehmer letztlich das wirtschaftliche Risiko. Dies muss man vor dem Hintergrund einer marktwirtschaftlichen Ordnung bis zu einem gewissen Grad akzeptieren, es existieren Ausgleichsmechanismen wie Sozialpläne.

Unzumutbar ist es aber, wenn sich Arbeitgeber ihrer Risikosphäre dadurch entledigen, dass sie einseitig Arbeitnehmern Verantwortung auferlegen, die obendrein strafrechtlich relevant ist. Gut, dass nun das LAG Berlin-Brandenburg deutlich Stellung zum Thema Verantwortung bezieht und einer Abwälzung des Betriebsrisiko eine Absage erteilt.

Der Kläger kann nicht einseitig zur verantwortlichen und strafrechtlich haftbaren (!) Person für die Elektrotechnik und die Elektrosicherheit gemacht werden. Die Verantwortung verbleibt in der Sphäre des Arbeitgebers. Jedenfalls solange, bis er entsprechend der Entgeltgruppe 12 TVöD die Stelle der verantwortlichen Elektrofachkraft besetzt und die damit einhergehende Verantwortung einvernehmlich auf einen Arbeitnehmer überträgt. Dies ist dann freilich auch mit einem der Verantwortung entsprechenden höheren Gehalt verbunden.

Rechtliche Grundlagen

§ 98 SGB IX; DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"

§ 98 SGB IX

Der Arbeitgeber bestellt einen Beauftragten, der ihn in Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen verantwortlich vertritt; falls erforderlich, können mehrere Beauftragte bestellt werden. Der Beauftragte soll nach Möglichkeit selbst ein schwerbehinderter Mensch sein. Der Beauftragte achtet vor allem darauf, dass dem Arbeitgeber obliegende Verpflichtungen erfüllt werden.


DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"


§ 13 Pflichtenübertragung

Der Unternehmer kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm nach Unfallverhütungsvorschriften obliegende Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die Beauftragung muss den Verantwortungsbereich und Befugnisse festlegen und ist vom Beauftragten zu unterzeichnen. Eine Ausfertigung der Beauftragung ist ihm auszuhändigen.