Was ist das?
Eine Betriebsvereinbarung ist ein zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (ggf. Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat) geschlossener betriebsverfassungsrechtlicher Vertrag (§ 77 BetrVG).
Betriebsvereinbarungen haben gem. § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG
- unmittelbare Wirkung, d.h., ihre Normen wirken mit In-Kraft-Treten der Betriebsvereinbarung »automatisch« auf die Arbeitsverhältnisse ein, ohne dass es gesonderter Einzelvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bedarf;
- zwingende Wirkung, d.h., ihre Normen können nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer - etwa durch einzelvertragliche Vereinbarung - verändert werden. Für den Arbeitnehmer günstigere Einzelvereinbarungen sind allerdings wirksam (siehe Günstigkeitsprinzip).
Die Betriebsvereinbarung dient der generellen Regelung der betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung sowie der Gestaltung der individuellen Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern.
Anders ausgedrückt: Mit der Betriebsvereinbarung werden Rechte und Pflichten beider vertragschließenden Parteien (Arbeitgeber und Betriebsrat), aber auch und insbesondere mit normativer Wirkung geltende Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer begründet.
In den Angelegenheiten, in denen »der Spruch der Einigungsstelle die (fehlende) Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ersetzt« (§ 76 Abs. 5 BetrVG), also in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten (vgl. z.B. § 87 Abs. 2 BetrVG), können Betriebsvereinbarungen auch gegen den Willen des Arbeitgebers durchgesetzt werden.
Insofern spricht man von »erzwingbaren Betriebsvereinbarungen«.
In nicht mitbestimmungspflichtigen Fragen kommen Betriebsvereinbarungen nur zustande, wenn Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hergestellt werden kann.
In diesem Fall spricht man von »freiwilligen Betriebsvereinbarungen«.
Beispiele:
- Vereinbarung über die Modalitäten eines Beschwerdeverfahrens gem. §§ 84, 85, 86 BetrVG (siehe Beschwerderecht der Arbeitnehmer);
- Vereinbarung zusätzlicher, durch Gesetze, Rechtsverordnungen oder Unfallverhütungsvorschriften nicht vorgeschriebener Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschädigungen (§ 88 Nr. 1 BetrVG; besteht eine Handlungspflicht des Arbeitgebers aufgrund einer konkretisierungsbedürftigen »Rahmenvorschrift«, hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein volles Initiativ-Mitbestimmungsrecht; siehe Arbeitsschutz);
- Vereinbarungen zum betrieblichen Umweltschutz (§ 88 Nr. 1a BetrVG);
- Vereinbarungen über die Errichtung von Sozialeinrichtungen (§ 88 Nr. 2 BetrVG);
- Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung (z.B.: Ausgabe von Belegschaftsaktien; vgl. § 88 Nr. 3 BetrVG);
- Vereinbarungen zur Integration ausländischer Arbeitnehmer sowie zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb (§ 88 Nr. 4 BetrVG);
- Maßnahmen zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen (§ 88 Nr. 5 BetrVG);
- Vereinbarung darüber, dass Kündigungen durch den Arbeitgeber der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen (§ 102 Abs. 6 BetrVG).
Über die vorgenannten Beispiele hinaus können Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden in allen sonstigen Angelegenheiten, die innerhalb des weit zu fassenden Rahmens des Betriebsverfassungsgesetzes liegen und die mit dem Inhalt der Arbeitsverhältnisse oder der betriebsverfassungsrechtlichen Gestaltung des Betriebs in weitestem Sinne zu tun haben - vor allem in solchen Angelegenheiten, in denen der Betriebsrat Aufgaben (vgl. z.B. § 80 Abs. 1 BetrVG) und Beteiligungsrechte hat.
Inhalt von Betriebsvereinbarungen können demnach insbesondere sein:
- Regelungen, die sich unmittelbar auf die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse beziehen (sog. Abschlussnormen, Inhaltsnormen und Beendigungsnormen);
Beispiele:
»Arbeitsverträge sowie die einvernehmliche Änderung von Arbeitsverträgen bedürfen der Schriftform« (= Abschlussnorm)
»Nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit hat der Beschäftigte Anspruch auf Gewährung eines zusätzlichen Urlaubstages, nach 15-jähriger Beschäftigungszeit …« (= Inhaltsnorm)
»Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats« (§ 102 Abs. 6 BetrVG; = Beendigungsnorm)
»Die Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages oder einer Ausgleichsquittung kann durch den Arbeitnehmer innerhalb einer Woche schriftlich und mündlich widerrufen werden« (= Beendigungsnorm)
»Das Arbeitsverhältnis endet mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer noch nicht die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt …« (= Beendigungsnorm)
- Regelungen, die sich auf »betriebliche« Angelegenheiten beziehen;
Beispiele:
»Betriebsvereinbarung über die Einführung von "Gleitzeit"
»Betriebsvereinbarung über die Einführung von "Kurzarbeit«
»Betriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines Personalinformationssystems«
- Regelungen zu »betriebsverfassungsrechtlichen« Angelegenheiten.
Beispiel:
»Betriebsvereinbarung über die Errichtung eines paritätischen Ausschusses nach § 28 Abs. 2 BetrVG zur Verwaltung der Werkmietwohnungen«
Quelle: Betriebsratspraxis von A bis Z (Christian Schoof); Betriebsvereinbarung - Was ist das?
Betriebsratspraxis von A bis Z ist Bestandteil des Online-Moduls »Betriebsratswissen online«.
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