Plötzlich trennt nach einer Nacht- und Nebelaktion eine rote Linie den Betrieb. Copyright by forkART Photography/Adobe Stock
Plötzlich trennt nach einer Nacht- und Nebelaktion eine rote Linie den Betrieb. Copyright by forkART Photography/Adobe Stock

Stellen Sie sich vor: Ihr Vermieter steht plötzlich in Ihrer Wohnung. In der Hand hält er einen Pinsel und einen Eimer roter Farbe. Quer durch Ihre Wohnung zieht er eine rote Linie. Die eine Hälfte der Wohnung steht weiterhin Ihnen zur Verfügung. Jenseits des roten Striches zieht jedoch ein neuer Mieter ein, der teilweise auch Ihre häuslichen Pflichten übernimmt. Für Ihre Familie ist dagegen kein Platz mehr. Die muss draußen bleiben.
Undenkbar!
Wirklich?
 

Vor der roten Linie kam die Aussperrung

Fragen Sie mal die Beschäftigten der Hagener Firma TWB!
140 der ehemals 460 Arbeitnehmer*innen waren nach der ersten Kündigungswelle des Automobilzulieferers noch im Betrieb verblieben. Bis die Geschäftsleitung dann plötzlich alle ausgesperrt hat. Nach tagelanger Ungewissheit hat sie dann allerdings 40 von ihnen wieder an den Arbeitsplatz gelassen. Offensichtlich war dringend ein Auftrag des Autoriesen Ford abzuarbeiten.
Die anderen 100 Beschäftigten blieben vorerst freigestellt. Ihr Arbeitgeber gab ihnen wenigstens die Zusage, dass der Lohn weitergezahlt werde.
TWB sperrt in Hagen 140 Beschäftigte aus
 

Rechts und Links vom roten Strich

Doch plötzlich trennt eine rote Linie den Betrieb. In einer Nacht- und Nebelaktion war das Betriebsgelände in zwei Hälften geteilt worden. Die eine Hälfte verblieb bei TWB. Hier werden weiterhin die an Ford zu liefernden Automobilsitze produziert. Jenseits der roten Linie zog eine neu gegründete Presswerk GmbH ein. Ihr Geschäftsführer ist ein alter Bekannter: Admir Smajlovic, vormals Personalchef bei TWB. Und bevor er die Seiten gewechselt hatte, dort auch schon einmal Betriebsratsvorsitzender.
 
Auch die jetzt vom Presswerk bearbeiteten Aufträge sind nicht unbekannt: Die Produktion von Autoteilen für BMW und Toyota. Und zwar exakt die Teile, die zuvor TWB hergestellt hatte.
 

Der Rest verschwindet im Nebel

Alles andere ist nebulös. Informationen sind nicht zu bekommen, weil offensichtlich alle Beteiligten ein Schweigegelübde abgelegt haben.
Nicht einmal der Betriebsrat von TWB weiß, wer genau jetzt jenseits des roten Striches für die Presswerk GmbH arbeitet und in welchem Umfang es sich um Beschäftigte handelt, die noch vor kurzem bei TWB unter Vertrag standen. Zu hören ist allerdings, dass etliche Ex-TWB`ler vom Presswerk eingestellt wurden, nachdem sie - vermutlich nicht ganz freiwillig - einen Aufhebungsvertrag mit TWB geschlossen hatten.
 
Noch tappen alle Beteiligte im Dunkeln. Aber wenn sich der Nebel lichtet, droht die nächste Klagewelle.
 
 
LINKS:
Es fing mit Massenentlassungen an
Was ist ein Betriebsübergang?