Termindruck rechtfertigt es nicht, Gesetze zu missachten. Auch nicht, wenn der Chef zur Eile antreibt. Copyright by Adobe Stock/Wolfilser
Termindruck rechtfertigt es nicht, Gesetze zu missachten. Auch nicht, wenn der Chef zur Eile antreibt. Copyright by Adobe Stock/Wolfilser

Neumann ist LKW-Fahrer für eine Spedition. Klar geht es dem Chef nie schnell genug. Neumann verzichtet auf Pausen, um den Abladetermin noch zu halten und überschreitet dabei die Lenkzeiten. Das wird bei einer Kontrolle festgestellt. Dass er sich so beeilt habe, sei ja im Interesse des Arbeitgebers, deshalb solle der Chef auch den Schaden tragen. Eine häufige Ansicht, die Neumann hier vertritt. Allerdings ist sie nicht richtig.
 

Kein Anspruch auf Ersatz der Geldbuße

Neumann ist kein Notarzt im Einsatz. Und Eile und Termindruck rechtfertigten es nicht, Gesetze zu missachten. Das ist eindeutig.
 
Auch eine Zusage hilft nicht weiter. Neumann beruft sich darauf, der Chef habe kundgetan und zugesagt, eventuelle Bußgelder zu übernehmen. Hauptsache die Termine würden eingehalten. Eine Zusage kann einen Anspruch begründen, allerdings nur, wenn sie rechtlich wirksam ist.
 

Kein Anspruch bei sittenwidrigen Zusagen

Hier hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 25.1.2001 - AZR 465/00) entschieden, dass die Zusage über die Erstattung einer Geldbuße unwirksam ist. Eine solche Zusage verstoße gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Derjenige, der einen Gesetzverstoß begeht, solle auch die Folgen spüren. Sinn und Zweck der Gesetze würden unterlaufen und die Hemmschwelle herabgesetzt, wenn man wirksam solche Zusagen zuließe.
 

Zur Eile antreiben ist keine vorsätzliche Schädigung

Von Neumann wurde noch ein Paragraph ins Spiel gebracht. § 826 BGB. Danach ist jemand, der einem anderen in gegen die guten Sitten verstoßender Weise einen vorsätzlichen Schaden zufügt, zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Ein solcher Anspruch wäre allenfalls denkbar, wenn der Chef die Tour so plant und schon sicher weiß, dass Neumann die Vorgabe nur einhalten kann, wenn er die Lenkzeiten überschreitet. Das müsste Neumann auch beweisen können. Hier ist uns kein Fall in der Rechtsprechung bekannt, wo das geklappt hätte.
 
Wie sieht die Praxis aus? Es wird zu knapp geplant, aber alle Beteiligten hoffen, dass es gut geht. Bei Neumann war das nicht der Fall. Er hat Bußgelder u.a. wegen Lenkzeitüberschreitung von fast 9.000 € erhalten. Obwohl er zu Beginn der Tour gesagt hat, das sei nicht zu schaffen, hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 26.1.2010 - 3 Sa 497/09) seine Klage abgewiesen. Es sei nicht rechtens, dass der Arbeitgeber die Bußgelder übernimmt, da der jeweilige Täter davon abgehalten werden soll, in Zukunft erneut gegen die Gesetze zu verstoßen.
 

Rückforderung des Arbeitgebers scheitert an Ausschlussfristen

In diesem Beispiel war das Bußgeld im Ausland verhängt worden. Ohne Bezahlung keine Weiterfahrt. Der Arbeitgeber übernahm zunächst die Bezahlung und forderte das Geld nachher von Neumann zurück.
Dabei stolperte er aber über eine Ausschlussfrist, die er selbst in den Arbeitsvertrag geschrieben hatte. Das Gericht machte klar, dass der Verwender einer solchen Klausel, also der Arbeitgeber, sich nicht auf deren Unwirksamkeit berufen kann. Der Zweck des Bußgelds, den Täter zu bestrafen, hindert hier nicht die Anwendung der Ausschlussfrist. Da hat Neumann noch mal Glück gehabt (LAG Köln, Urteil vom 29.02.2012 - 9 Sa 1464/11).
 

Und wenn der Arbeitgeber dem Fahrer das Bußgeld doch erstattet?

Nicht alles ist strafbar, was gegen die guten Sitten verstößt. Deshalb passiert nichts weiter, wenn zwar die Zusage des Chefs sittenwidrig war, aber er das Bußgeld dennoch übernimmt.
 
Trotzdem werden mit den Erstattungen die Gerichte befasst, nämlich die Finanzgerichte.
Als Neumanns Chef das Bußgeld erstattet hatte, griff das Finanzamt ein und bewertete die Zahlung als Lohn, der normal abzurechnen sei.
Diese Sache ging bis zum Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 14.11.2013 - VI R 36/12), der es gewohnt kompliziert ausdrückt. Weisungen des Arbeitgebers, die letztlich Geldbußen auslösen, hätten keine notwendige betriebsfunktionale Zielsetzung.
Was bedeutet das für Neumann? Von der Erstattung auf seiner Lohnabrechnung bekommt er letztlich nur den verbleibenden Nettobetrag zurück. Trotz Erstattung durch den Arbeitgeber bleibt er also auf einem Teil des Bußgeldes sitzen.
 

Erneute Entscheidung durch den Bundesfinanzhof steht an

Neumann sammelt als Paketzusteller Knöllchen für das Falschparken. Er bekommt diese vom Arbeitgeber erstattet. Ist da wirklich ein Unterschied zum obigen Fall? Das Finanzamt sagte nein. Das Finanzgericht Düsseldorf jedoch sah einen Unterschied (Urteil vom 04.11.2016 - 1 K 2470/14 L) und entschied zugunsten von Neumann.
Artikel "Knöllchen sind kein Arbeitslohn"
Dagegen legte das Finanzamt Revision ein. Das Verfahren ist beim Bundesfinanzhof anhängig unter dem Aktenzeichen VI R 1/17.
 
 
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Das sagen wir dazu:

Teilnahme am Straßenverkehr plus Zeitdruck, da heißt es für alle „Nerven behalten“. Auch die Autorin hat sich schon ertappt, dass die Stauzeit durch schnelleres Fahren eingeholt werden sollte, um den Gerichtstermin noch pünktlich zu erreichen. Doch eine besondere Drucksituation, eventuell sogar die Angst vor einer Kündigung, ist keine Entschuldigung für Gesetzesverstöße. Wir erwachsene Menschen sind für unser Tun verantwortlich und müssen die Konsequenzen tragen. Egal ob im Straßenverkehr oder in anderen Situationen, in denen der Arbeitgeber von mir gesetzeswidriges Verhalten erwartet. Wenn ich das mitmache, werde ich zum Täter. Also Rückgrat zeigen. Eine Kündigung, weil ich eine gesetzeswidrige Weisung nicht befolge, wäre unwirksam.