Erhöht sich eine Abfindung bei frühzeitiger Beendigung um die ersparte Vergütung, fällt darunter bei richtiger Auslegung auch tarifliches Urlaubsgeld.
Erhöht sich eine Abfindung bei frühzeitiger Beendigung um die ersparte Vergütung, fällt darunter bei richtiger Auslegung auch tarifliches Urlaubsgeld.

Eigentlich sollte die Auseinandersetzung mit dem Vergleich im Kündigungsschutzverfahren beendet sein. Aber stattdessen ging der Streit weiter und musste durch ein weiteres gerichtliches Verfahren fortgeführt werden.

Am Anfang stand eine Kündigung wegen angeblicher Schlechtleistung durch die Arbeitgeberin, ein örtliches Autohaus. Der Kfz-Mechaniker, Mitglied der IG Metall, klagte mit Hilfe des DGB Rechtsschutzes in Bielefeld gegen diese Kündigung. Nachdem die Vorsitzende Richterin im Gütetermin klar machte, dass die Hürden für die Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung recht hoch sind, strebten Arbeitgeberin und Arbeitnehmer einen Vergleich an, um sich einvernehmlich zu trennen. Der Kläger hätte seinerseits die Hürde nehmen müssen, dass er schriftlich auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet hatte. Diese Erklärung hatte er später widerrufen.

Vergleich regelt Möglichkeit auf frühere Beendigung mit erhöhter Abfindung

Die Parteien einigten sich auf der Grundlage eines gerichtlichen Vorschlages, wobei der Vergleichstext noch außergerichtlich ausgehandelt wurde. Das Autohaus hatte die Kündigungsfrist nicht eingehalten, so dass ein späteres Ende als in der Kündigung vereinbart wurde. Die Kündigung war zum 30.04.2015 ausgesprochen worden, als Beendigungsdatum nach korrekter Frist wurde vereinbart der 31.07.2015.

Da der Kläger darauf hoffte, früher als zu August wieder Arbeit zu finden, war Teil des Vergleichs eine Turboklausel. Diese gab dem Kläger das Recht, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden. Die Vereinbarung lautete weiter: „In diesem Fall zahlt die Beklagte eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe der Vergütung, die sie sich durch die vorzeitige Beendigung für den Zeitraum bis zum regulären Beendigungszeitraum nach Ziffer 1.) dieser Regelung spart.

Kläger beendete das Arbeitsverhältnis vorzeitig – Höhe der Abfindung streitig

Der Kläger fand dann sehr schnell neue Arbeit und beendete das Arbeitsverhältnis schon zum 30.04.2015. Der Arbeitgeber zahlte daraufhin eine Abfindung in Höhe von drei Gehältern für die Monate Mai, Juni und Juli.

Doch bei Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zu Ende Juli wäre auch die Zahlung des tariflichen Urlaubsgeldes fällig gewesen.

Die Arbeitgeberseite teilte auf Anfrage vom DGB Rechtsschutz dazu mit, auf das Urlaubsgeld bestünde keinen Anspruch, da dieses erst im Juli ausgezahlt wurde und das Arbeitsverhältnis zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr bestand. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers setzen dem entgegen, dass es nicht um einen Zahlungsanspruch auf Urlaubsgeld als solches geht, sondern um die Erfüllung des gerichtlichen Vergleichs. Entscheidend war nicht, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Fälligkeitszeitpunkt des Urlaubsgeldes noch bestand, sondern nur, dass das Urlaubsgeld im Juli zur Auszahlung gekommen wäre, wenn der Kläger erst zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt ausgeschieden wäre.

Da der Prozessbevollmächtigte der Arbeitgeberin auf seiner Ansicht beharrte, war eine weitere Klage beim Arbeitsgericht Bielefeld unumgänglich.

Richterin schlägt Zahlung von zwei Dritteln der Klagesumme vor

Das Arbeitsgericht musste sich also nochmals mit der Sache auseinandersetzen. Die erste und wichtigste Frage, die sich dabei stellte war: Was fällt unter die Turboklausel, was also ist unter „Vergütung, die sich der Arbeitgeber spart“ zu verstehen?

Im Gütetermin machte die Vorsitzende Richterin deutlich, einiges spreche dafür, das Urlaubsgeld als Vergütung zu sehen. Die Arbeitgeberseite vertrat die Ansicht, Urlaubsgeld sei nicht als Vergütung im eigentlichen Sinne anzusehen. Seitens des Gerichts wurde angeregt, sich auf zwei Drittel des eingeklagten Betrages zu einigen.
Auf Anraten des Gerichts war der Rechtstreit zunächst ruhend gestellt worden, da auch streitig war, in welcher Höhe das Urlaubsgeld gezahlt worden wäre. Letztlich wurden sich die Parteien aber auch in diesem Punkt außergerichtlich nicht einig, so dass es zur Fortsetzung des Verfahrens kommen musste.

Wortlaut der tariflichen Norm spricht für Vergütungscharakter

Das Gericht musste die Turboklausel also auslegen, um zu erforschen, was der wirkliche Wille der Parteien war. Dies muss so erfolgen, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Bei dieser Abwägung wird zunächst der Wortlaut herangezogen.

Der hauptsächliche Vergütungscharakter des Urlaubsgelds ergibt sich schon mit Blick auf den Wortlaut der tariflichen Regelung. Dieser Meinung der Klägerseite schloss sich das Gericht an. Der Manteltarifvertrag Kfz-Gewerbe regelt das Urlaubsgeld in § 6 unter der Überschrift Urlaubsvergütung. In Ziff. 19 heißt es: Die Urlaubsvergütung besteht aus dem Urlausentgelt und dem Urlaubsgeldfällt. Damit könne das Urlaubsgeld als Vergütung angesehen werden.

Doch der Wortlaut ist nicht der einzige Aspekt bei der Auslegung. Die Richter*innen stellten weiter darauf ab, dass die Parteien den Vergleich zur Erledigung des Kündigungsschutzverfahrens geschlossen hatten. Der Kläger sollte die ihm ansonsten bis zum regulären Beendigungszeitpunkt zustehende Vergütung bei vorzeitigem Ausscheiden in Form einer Abfindung erhalten. Deshalb werde auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung deutlich, dass dem Kläger grade die Ansprüche als Abfindung zustehen sollen, die die Beklagte erspart, so die Begründung der Kammer.

Anspruch auf Urlaubsgeld ist nicht wegen der Freistellung entfallen

Auch lässt die Freistellung den Anspruch auf die Zahlung des Urlaubsgelds nicht entfallen.
Die Arbeitgeberin stellte sich auf den Standpunkt, der Kläger hätte selbst dann wenn er nicht frühzeitig ausgeschieden wäre, keinen Anspruch auf das Urlaubsgeld gehabt. Denn schließlich sei der Kläger freigestellt gewesen. Dieser Ansicht stellte sich das Gericht kurz und knapp entgegen. Die Freistellung bringe den Anspruch nicht zu Fall, da die Freistellung unter Anrechnung von Urlaub und Mehrarbeit erfolgte.

Anspruch auf Urlaubsgeld war nicht zu kürzen

Letzter Streitpunkt war dann noch die Höhe des Anspruchs. Hier war die Arbeitgeberin der Meinung, der Tarifvertrag sehe Kürzungsmöglichkeiten vor, wenn das Arbeitsverhältnis nicht das ganze Jahr besteht. Doch das Gericht urteilte: Der Anspruch war nicht unter Verweis auf § 8 Ziff. 7.2. des Manteltarifvertrages zu kürzen. Dies deshalb, da es eine vorrangige Regelung gibt, nämlich § 8 Ziff. 2.9. Danach ist der volle Urlaub zu gewähren, wenn das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Arbeitgebers nach dem 1. Mai beendet wird. Im Falle der „normalen“, fristgemäßen Beendigung zu Ende Juli, hätte dem Kläger also das volle ungekürzte Urlaubsgeld zugestanden. Das muss dann auch mit in den Abfindungsbetrag einfließen.

Urteil auf Zahlung von 1.800,- € noch nicht rechtskräftig

Das Arbeitsgericht Bielefeld verurteilte das Autohaus dem gekündigten Kfz-Mechaniker eine weitere Abfindung in Höhe von knapp 1.800,- € zu zahlen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, kann also von der Arbeitgeberin noch mit der Berufung angegriffen werden. Davon ist wohl auch auszugehen, da die Beklagte im Gegensatz zum Kläger auch den letzten Vergleichsvorschlag des Gerichts nicht angenommen hat. Dieser sah eine Zahlung von 1.200,- € vor.

 

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld kann hier im Volltext nachgelesen werden.

 

Lesen Sie zum Thema Abfindung unseren Tipp „Abfindung nach Kündigung“

und unseren Artikel „Wettrennen um Abfindungen zulässig“.