Mobbing im Arbeitsverhältnis kann viele Gesichter haben. Typische Konflikte oder systematische Schikane? Copyright by Adobe Stock/GiZGRAPHICS
Mobbing im Arbeitsverhältnis kann viele Gesichter haben. Typische Konflikte oder systematische Schikane? Copyright by Adobe Stock/GiZGRAPHICS

Neumann und sein Arbeitgeber - das war von Anfang an konfliktgeladen. Im Laufe des Arbeitsverhältnisses sprach der Arbeitgeber allein 14 Abmahnungen aus. Die Palette reichte von Nichtbefolgung von Weisungen, Zuspätkommen, Privattelefonate während der Arbeitszeit, Schlechtleistungen etc. Auch im Streit stand eine Anweisung, dass er schon am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit ein ärztliches Attest vorlegen muss.
 

Zahlreiche Streitfragen

Neumann klagte gegen jede einzelne Abmahnung. Etliche Vergleiche wurden bei Gericht geschlossen, wonach die Abmahnungen sofort aus der Personalakte genommen werden mussten. Bei einigen einigte man sich auf eine kurze Laufzeit, andere wurden durch Urteil für unwirksam erklärt.
 
Zwei Kündigungsversuche des Arbeitgebers scheiterten.
 
Neumann erkrankte psychisch, und seine Fachärzte rieten dazu, er solle nur noch zwischen 6 und 22 Uhr arbeiten. Auch darüber gab es Streit.
 

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Im Arbeitsverhältnis gelten Leistungs- aber auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 15.9.2016 - 8 AZR 351/15) Bundesarbeitsgericht
hat die Rücksichtnahmepflicht beider Vertragsparteien beschrieben. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, ihn vor Gesundheitsgefahren - auch psychischer Art - zu schützen und ihn keinem Verhalten auszusetzen, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers darf nicht verletzt werden. Es umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung und damit durch Belästigung durch andere.
 
Da ist sich Neumann sicher, das betrifft doch genau seinen Fall.
 

Was ist Mobbing?

Eine gesetzliche Definition fehlt dazu. Es muss sich um fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende Verhaltensweisen handeln, mit der angefeindet, schikaniert oder diskriminiert werden soll.  
 
Neumann denkt, wenn so viele rechtlich nicht haltbare Abmahnungen erteilt wurden und man sich über Jahre streitet, muss das doch Mobbing sein. Er muss sich aber sagen lassen, dass nicht jede Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheit oder letztlich nicht gerechtfertigte Maßnahme des Arbeitgebers (z.B. Abmahnung, Versetzung, Kündigung) eine rechtswidrige und vorwerfbare Verletzung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers und damit eine unerlaubte Handlung oder einen Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht darstellt.
 
Die Klage wurde in erster und zweiter Instanz abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
 

Nicht jeder Personalvorgesetzte beherrscht die Kunst der Personalführung fehlerfrei

Das ist ein Zitat aus der Entscheidung. Die Häufigkeit, die Art und Weise wie Auseinandersetzungen geführt werden, ließe nicht per se den Schluss auf eine verwerfliche Motivation zu. Es sei von Fehlern in der Führung des zugeordneten Personals nicht ohne Weiteres auf eine feindliche Einstellung gegenüber den Beschäftigten zu schließen.
 
Bei den Abmahnungen komme es nicht auf die Anzahl an, sondern ob es einen konkreten sachlichen Anlass dafür gab. Ein solcher ist nach den Richtern entscheidend und nicht, ob diese Abmahnungen im Nachhinein als unberechtigt angesehen worden sind.
Denn: Eine Abmahnung ist z.B. schon dann vor Gericht nicht haltbar, wenn sie zu pauschal ist. So hatte Neumann Abmahnungen erhalten mit dem Vorwurf der Unpünktlichkeit, ohne Tag und Dauer zu nennen.   
 

Konkreter sachlicher Anlass für die Maßnahmen des Arbeitgebers?

Diese Abmahnungen waren nicht rechtmäßig. Trotzdem habe Neumann durch seine Unpünktlichkeit den sachlichen Anlass für die Abmahnung gesetzt.
 
Auch für die Weisung, immer bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit ein Attest vorzulegen und für die zwei erfolglosen Anläufe, die der Arbeitgeber gemacht hat, um vom Integrationsamt die Zustimmung zum Ausspruch einer Kündigung zu erhalten, habe ein sachlicher Anlass bestanden.
Weder einzeln noch in der Gesamtschau stelle dies eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, wenn es jeweils  - wie vorliegend  - einen konkreten sachlichen Anlass für die arbeitgeberseitigen Maßnahmen gab.
 
Um Mobbing zu sein, muss die Schikane objektiv erkennbar sein, die Bewertung richtet sich nicht nach dem subjektiven Empfinden. Daran gemessen sei keine eindeutig schikanöse Tendenz der Maßnahmen erkennbar, so das Gericht.
Außerdem habe Neumann ja durch die vielen Gerichtsverfahren gezeigt, dass er sich erfolgreich wehren konnte.
 

Güter- und Interessenabwägung

Ob die genannten Rechte des Arbeitnehmers verletzt worden sind, beurteilt sich aufgrund einer Abwägung bei der sorgsam alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen sind. Typische Konflikte und Meinungsverschiedenheiten in Arbeitsverhältnisse führen nicht zwangsläufig zu einer widerrechtlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers.
 
Auch, wenn der Arbeitgeber sein Weisungsrecht überschreitet, sei das regelmäßig nicht als Ausdruck einer feindlichen Einstellung zu werten. Hier fehle es an einer typischen Täter-Opfer Konstellation.
 

Darlegungs-und Beweislast

Hinzu kam, dass Neumann seiner Darlegungs-und Beweislast als Kläger nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Dass er sich wegen seiner Situation am Arbeitsplatz in ärztliche Behandlung begeben hat, reicht nicht aus. Neumann hätte konkret darlegen müssen, wann welcher Arzt welche Erkrankung bei ihm diagnostiziert hat und auch aufgrund welcher Umstände gesundheitlich neutrale Maßnahmen (wie Abmahnung, Kündigung oder arbeitsrechtliche Weisungen) konkret geeignet gewesen sein sollen, eine Gesundheitsbeschädigung als Verletzungserfolg hervorzurufen.
 
 
LINKS:
Landesarbeitsgericht Köln, 4 Sa 118/20
Allgemeine Infos gibt es in unserem Beitrag:
Mobbing: Schadensersatz und Schmerzensgeld - DGB Rechtsschutz GmbH

Das sagen wir dazu:

Ganz klar, nicht jeder Konflikt am Arbeitsplatz ist Mobbing. Die Beweislage ist schwierig, denn der/die Mobber werden ihre feindliche Gesinnung meist nicht so offensichtlich zur Schau tragen, dass sie beweisbar ist. Auch fällt es schwer, den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schikanösen Verhalten und der Erkrankung zu beweisen.

Aus Gründen der Beweisführung ist daher Betroffenen zu empfehlen, sich frühzeitig Rat zu holen und ein sog. Mobbingtagebuch zu führen.