Die Gesellschaft ist angewiesen auf qualifizierte Arbeitnehmer*innen. Sie kann es sich nicht leisten, Menschen auszuschließen. Copyright by Adobe Stock / Elnur
Die Gesellschaft ist angewiesen auf qualifizierte Arbeitnehmer*innen. Sie kann es sich nicht leisten, Menschen auszuschließen. Copyright by Adobe Stock / Elnur

Inklusion ist ein Schlüsselbegriff, wenn es um die Teilhabe möglichst aller Menschen am Leben in der Gesellschaft geht. Dahinter steckt nicht zuletzt die Erkenntnis, dass Menschen wichtige Glieder der Gesellschaft sind, auch wenn sie in deren Kontext als Behinderte gelten. Das gilt auch und gerade für die Arbeitswelt. Menschen werden hier oft von der Teilhabe ausgeschlossen, weil sie auf Grenzen stoßen, die überflüssig sind.

Andere stellen Arbeitgeber*innen gar nicht erst ein, weil sie fürchten, diese könnten den Anforderungen an eine moderne Arbeitswelt nicht standhalten, weil sie nicht über ausreichende körperliche, geistige oder seelische Voraussetzungen verfügten.
Eine Behinderung ist aber weder eine medizinische Tatsache noch eine Eigenschaft des Menschen. Behinderung ist vielmehr etwas, was damit zu tun hat, wie Menschen in der Gesellschaft zusammenwirken. Es geht nicht nur um körperliche Barrieren, sondern auch um den Umgang miteinander. Um Vorurteile und überholte Vorschriften. Ob und wie stark ein Mensch behindert ist, entscheidet sich im gesellschaftlichen Kontext.

Wenn ein Arbeitskollege mit seinem Rollstuhl eine Werkbank weder erreichen noch bedienen kann, wer behindert dann wen?

Bis in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein galt ein Behinderter als ein Mensch, der nur eingeschränkt in die Gesellschaft eingegliedert war. Wollte man einem behinderten Menschen ein möglichst hohes Maß an Teilhabe ermöglichen, bedurfte es Hilfen, durch die er in die Gesellschaft integriert werden konnte.

Diese Sichtweise hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Behinderung wird heute nicht mehr als Eigenschaft eines Menschen betrachtet, sondern als Ausgrenzung von Menschen, die körperlich, seelisch oder geistig nicht einer definierten gesellschaftlichen Norm entsprechen.


Einen Meilenstein stellt die UN-Behindertenrechtskonvention vom 13.12.2006 (UN-BRK) dar. Sie definiert Behinderte als Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Seit dem ersten Januar 2018 definiert das Gesetz in Deutschland Behinderung entsprechend.

Zum Behindertenbegriff empfehlen wir unsere Artikel „Zum Begriff der Behinderung“:
„Behindert ist man nicht, behindert wird man“:

Inklusion bedeutet, Menschen mit unterschiedlichen Talenten und Fähigkeiten nicht mehr auszugrenzen, nur weil sie nicht einer Norm entsprechen, die die Gesellschaft selbst bestimmt.

Heute geht man nicht mehr davon aus, dass ein Behinderter Mensch ein Mensch ist, der nicht richtig funktioniert und in die Gesellschaft eingegliedert werden muss. Behindert ist ein Mensch vielmehr, der nicht einer Norm entspricht, die die Gesellschaft selbst bestimmt und ihn deshalb ausgrenzt. Nicht der Mensch braucht Hilfe, sondern die Gesellschaft muss Barrieren beseitigen, die Menschen wegen ihrer eingeschränkten körperlichen, seelischen oder geistigen Fähigkeiten ausgrenzen.

Es geht also nicht mehr um Integration Behinderter in die Gesellschaft, sondern darum, dass die Gesellschaft akzeptiert, dass sie auch aus Menschen besteht, denen ein Körperteil fehlt, die unter seelischen Problemen leiden oder deren kognitive Fähigkeiten eingeschränkt sind. Die Achtung der Menschenwürde verlangt, dass alle Barrieren beseitigt werden, die das verhindern.

Gewerkschaften können erheblich dazu beitragen, dass Inklusion weitgehend Wirklichkeit wird

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) hat jetzt mit dem Bundesarbeitgeberverband Chemie eine Sozialpartner-Vereinbarung zur Entwicklung und Gestaltung von betrieblicher Teilhabe und Inklusion geschlossen. Danach ist Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention für alle Menschen von Anfang an zu verwirklichen und ihnen somit gesellschaftlich und insbesondere betrieblich eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen.

Es geht dabei insbesondere darum, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die

  • das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen und ihre Fähigkeiten schärft und die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde fördert
  • die Teilhabebedarfe in Arbeitsprozessen von Anfang an berücksichtigt
  • die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben aktiv fördert und unterstützt, Barrieren abzubauen und die Integration in Arbeitsprozesse ermöglicht
  • barrierefreie Zugänge zu Aus- und Weiterbildung und zu Informationen sichert; e) das eigenverantwortliche Handeln stärkt
  • Ängste und Vorurteile abbaut sowie
  • die Barrieren in Köpfen, Gebäuden und Strukturen vermeidet und bestehende reduziert.

Unternehmen, deren Betriebsräte sowie Schwerbehindertenvertretungen sollen Inklusion fördern, fordern und sichern.

IG BCE und Arbeitgeberverband verstehen sich dabei als Multiplikatoren gegenüber der Politik und Gesamtwirtschaft. Zudem appellieren sie an die Unternehmen und deren Betriebsräte sowie Schwerbehindertenvertretungen, im Dialog die Umsetzung von Inklusion sich in den Betrieben für Inklusion zu fördern, zu fordern und zu sichern.

Zukünftig wollen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch aller Beteiligten unterstützen, um so den sozialpartnerschaftlichen Dialog für nachhaltige Inklusion auf betrieblicher Ebene weiter auszubauen.

Der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium Dr. Schmachtenberg dankte Gewerkschaft und Arbeitgeberverband für den Abschluss der Vereinbarung. „Die Sozialpartner-Vereinbarung ist ein Zeichen für die Stärke der Sozialpartnerschaft: Sie wird rund 1.900 Unternehmen und 580.000 Beschäftigte umfassen und damit innerhalb der gesamten Branche einen wichtigen Impuls hin zur Verwirklichung der gleichberechtigten Teilhabe geben“, so der Staatssekretär.

Hier geht es zur Vereinbarung:

Hier geht es zur UN-Behindertenrechtskonvention

Rechtliche Grundlagen

§ 2 Sozialgesetzbuch IX
Begriffsbestimmungen

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

§ 166 Sozialgesetzbuch IX
Inklusionsvereinbarung

(1) Die Arbeitgeber treffen mit der Schwerbehindertenvertretung und den in § 176 genannten Vertretungen in Zusammenarbeit mit dem Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers (§ 181) eine verbindliche Inklusionsvereinbarung. Auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung wird unter Beteiligung der in § 176 genannten Vertretungen hierüber verhandelt. Ist eine Schwerbehindertenvertretung nicht vorhanden, steht das Antragsrecht den in § 176 genannten Vertretungen zu. Der Arbeitgeber oder die Schwerbehindertenvertretung kann das Integrationsamt einladen, sich an den Verhandlungen über die Inklusionsvereinbarung zu beteiligen. Das Integrationsamt soll dabei insbesondere darauf hinwirken, dass unterschiedliche Auffassungen überwunden werden. Der Agentur für Arbeit und dem Integrationsamt, die für den Sitz des Arbeitgebers zuständig sind, wird die Vereinbarung übermittelt.
(2) Die Vereinbarung enthält Regelungen im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen, insbesondere zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfelds, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit sowie Regelungen über die Durchführung in den Betrieben und Dienststellen. Dabei ist die gleichberechtigte Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben bei der Gestaltung von Arbeitsprozessen und Rahmenbedingungen von Anfang an zu berücksichtigen. Bei der Personalplanung werden besondere Regelungen zur Beschäftigung eines angemessenen Anteils von schwerbehinderten Frauen vorgesehen.
(3) In der Vereinbarung können insbesondere auch Regelungen getroffen werden
1. zur angemessenen Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier, frei werdender oder neuer Stellen,
2. zu einer anzustrebenden Beschäftigungsquote, einschließlich eines angemessenen Anteils schwerbehinderter Frauen,
3. zu Teilzeitarbeit,
4. zur Ausbildung behinderter Jugendlicher,
5. zur Durchführung der betrieblichen Prävention (betriebliches Eingliederungsmanagement) und zur Gesundheitsförderung,
6. über die Hinzuziehung des Werks- oder Betriebsarztes auch für Beratungen über Leistungen zur Teilhabe sowie über besondere Hilfen im Arbeitsleben.
(4) In den Versammlungen schwerbehinderter Menschen berichtet der Arbeitgeber über alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen.