Der 1945 geborene Kläger bezieht seit 1999 von seinem ehemaligen Arbeitgeber eine monatliche Betriebsrente von etwa 100 €.
Diese Betriebsrente ist geregelt in einer Versorgungsordnung. Danach ist die Firma berechtigt, Ansprüche auf Rentenleistungen ganz oder teilweise durch eine Kapitalzahlung abzulösen.

Nach 10 Jahren mag das Unternehmen nicht mehr monatlich zahlen

Im Februar Anfang 2009 erhielt der Kläger das Angebot, seine Ansprüche auf Werksrente abzufinden. Es stand eine einmalige Zahlung in Höhe von rund 15.000 € im Raum. Der Kläger lehnte ab.

Doch das beeindruckte den ehemaligen Arbeitgeber nicht. Bis einschließlich März zahlte er noch den monatlichen Betrag und sodann die Abfindung. Der Kläger wandte sich an den gewerkschaftlichen Rechtsschutz um die Betriebsrente wieder laufend zu erhalten.

Gleich Zweimal musste der Rentner vor Gericht ziehen

So kam es im Jahr 2009 zu einem ersten Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht Hagen. Hier einigte man sich darauf, die gezahlte Abfindung mit den monatlichen Betriebsrenten aufzurechnen. Der Kläger erklärte ausdrücklich nicht damit einverstanden zu sein, die monatliche Betriebsrente in eine einmalige Abfindung umzuwandeln.

Der ehemalige Arbeitgeber rechnete so lange auf, bis die 15.000 € „verbraucht“ waren. Das war im März 2020 der Fall. Ab April leistete er keine laufenden Rentenzahlungen.

Auch im zweiten Klageverfahren wurde der Kläger vom DGB Rechtsschutz Hagen unterstützt. Ziel der Klage war es, monatlich eine Betriebsrente in Höhe der etwa 100 € zu erhalten.
Ein Argument des Klägers war, der Lebensunterhalt von Betriebsrentnern sei auf Dauer nur durch laufende Rentenleistungen gesichert. Denn eine solche könne anders als eine Abfindung nicht „auf den Kopf gehauen“ werden. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Betriebsrente abzufinden, da er dem nicht zugestimmt hatte.

Das Arbeitsgericht Hagen entscheidet zugunsten des Klägers

Das Gericht gab dem Kläger Recht und sprach ihm eine monatliche Betriebsrente ab April 2020 zu. Die Vereinbarung über eine Ablösung der Betriebsrente in der Versorgungsordnung sei unwirksam.

Die Beklagte habe von ihrer Möglichkeit, den Werksrentenanspruch durch eine einmalige Kapitalleistung abzulösen, nicht wirksam Gebrauch gemacht. Das Gericht hat die Vereinbarung einer AGB-Kontrolle unterzogen, die dieser nicht standhält.

Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt (§§ 305 ff. BGB). Landläufig bekannt auch als „das Kleingedruckte“.
Die Versorgungsordnung fällt darunter, so das Ergebnis des Gerichts. Bereits aus ihrer Formulierung ergebe sich, dass sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist. Erkennbar richte sich die Verordnung an alle Betriebsangehörige. Und: Der Kläger hatte nicht die Möglichkeit, diese anzunehmen, abzulehnen oder den Inhalt auszuhandeln.

Zunächst stufte das Arbeitsgericht den strittigen Passus in der Versorgungsordnung als uneingeschränkt kontrollfähig ein, da es nicht um die der Höhe, sondern um die Art der Leistung geht.

Dann prüfte es den Ablösevorbehalt anhand des § 308 Nr. 4 BGB. Danach darf der Verwender die versprochene Leistung nicht ändern oder von ihr abweichen, es sei denn die Änderung oder Abweichung ist für den anderen Vertragsteil zumutbar.

Gericht zieht Grundsätze für einen Widerrufsvorbehalt heran

Da die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens ungewiss ist, hat der Arbeitgeber ein anerkanntes Interesse daran, bestimmte zusätzliche Leistungen flexibel auszugestalten. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist es deshalb grundsätzlich für Arbeitnehmer*innen zumutbar, wenn ein Widerrufsvorbehalt vereinbart wird.

Der Widerruf darf aber nicht ohne Grund erfolgen, sondern muss notwendig erscheinen, um bei einer unsicheren Entwicklung die Verhältnisse anzupassen. Die Interessen sind abzuwägen, wobei die Klausel im Ergebnis für den Arbeitnehmer zumutbar sein muss. Maßgeblich sind dabei auch die Art und Höhe der Leistung, die widerrufen werden soll. Berücksichtigt man alle Gesichtspunkte, muss der Widerrufsgrund den Widerruf typischerweise rechtfertigen.

Versorgungsordnung nennt keine Gründe für eine Abfindungszahlung

Unter diesen Grundsätzen hat die Regelung der Versorgungsordnung der Prüfung durch das Arbeitsgericht nicht standgehalten. Denn sie nennt keine Gründe, die zu einer Ablösezahlung berechtigen. Die Beklagte hat sich in der Versorgungsordnung vorbehalten, die Rentenleistungen ganz oder teilweise durch eine Kapitalzahlung abzulösen, ohne Gründe anzugeben, die sie zu dieser Ablösung berechtigen würden.
Der Arbeitnehmer müsse aber durch die Regelung erkennen können, wie sich die Rentenzahlung möglicherweise in Zukunft entwickeln kann, so das Gericht. Dazu zähle auch zu wissen, aus welchen Gründen es dem Arbeitgeber möglich ist, die Regelung zu ändern.

Das Gericht kam letztlich auch zu dem Ergebnis, dass die unwirksame Vereinbarung ersatzlos wegfällt und eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht kommt. Hier fiel auch ins Gewicht, dass der Kläger ausdrücklich widersprochen hatte, die monatliche Werksrentenzahlung durch einen einmaligen Kapitalbetrag abzulösen.

Kläger konnte sich auf lebenslange Zahlung verlassen

Da die Abfindungsklausel einseitig durch den Arbeitgeber in den Vertrag einbezogen wurde, hat der Kläger diese auch nicht bereits mit der Abnahme der Versorgungsordnung angenommen. Auf diesen Standpunkt hatte sich das beklagte Unternehmen gestellt. Es verkenne, so das Gericht, dass die vorzeitige Verwertung dem Versorgungszweck einer betrieblichen Altersvorsorge widerspricht. Sinn und Zweck der lebenslangen Rente sei nicht, diese durch eine einmalige Kapitalleistung ausgezahlt zu kommen, sondern damit zum Teil die laufenden Kosten im Rentenbezug zu bestreiten. Es stelle für die Beklagte auch keine unzumutbare Härte dar, die Klausel zu verwerfen. Denn sie selbst habe sich durch die Zusage der laufenden Rentenleistungen zugesichert, das Langlebigkeitsrisiko mit den damit verbundenen vor und Nachteilen tragen zu wollen.

Volltext Arbeitsgericht Hagen, Urteil vom 19. Mai 2021 – 2 Ca 307/20

Das sagen wir dazu:

Eine gute Entscheidung des Arbeitsgerichts Hagen. Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss eine Regelung zumindest zum Ausdruck bringen, dass die Ablösung nicht ohne Grund erfolgen darf. In der Versorgungsordnung werden jedoch keine Voraussetzungen genannt, unter denen die Rentenleistungen ganz oder teilweise durch eine Kapitalzahlung abgelöst werden kann. Zu Recht verlangt das Arbeitsgericht von einem Arbeitgeber, der einen Ablösungsvorbehalt vereinbart, die Gründe der Änderung anzugeben.

 

Der Kläger fand auch Gehör mit seinem Einwand, eine Betriebsrente sei nicht dafür da „auf den Kopf gehauen“ zu werden. Der Versorgungsempfänger soll die monatliche Rente für seine Versorgung verwenden und soll diese nicht zur Vermögensbildung oder zum Konsum verwenden.

 

Der Kläger hatte auch die Frage aufgeworfen, ob die ausgezahlten 15.000 € dem tatsächlichen versicherungsmathematischen Barwert der Betriebsrente entsprachen. Mit dieser hohen Mathematik musste sich das Gericht nicht befassen. 

 

Steht man in der Beratung vor der Frage, ob eine Abfindung lohnenswert ist, ist das alles andere als eine leicht zu beantwortende Frage. Denn das hängt letztlich davon ab, wie lange der Betroffene noch leben wird. Eine solche Entscheidung kann man im Nachhinein bereuen. Doch wenn sich der Rentner wie hier klar gegen eine Abfindung ausspricht, ist es richtig, ihm die lebenslange Leistung zu sichern.  

Rechtliche Grundlagen

§ 308 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam (…)
4. (Änderungsvorbehalt)
die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist;