Auf dem Terminszettel des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt standen gestern einige wichtige Flächentarifverträge, die meisten davon zwischen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der Firma Nestlé. Das Ergebnis für die Gewerkschaftsmitglieder, die vom Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten wurden, war fast durchweg positiv.

Nestlé unterliegt in drei Terminen

Allein drei Termine betrafen Tarifverträge mit Nestlé. Hier sprach das Bundesarbeitsgericht den Kläger*innen jeweils den höheren Zuschlag von 50 % zu. Die deutlich geringeren Zuschläge für Nachtschichtarbeit sah das Gericht als nicht gerechtfertigt an.

Angelika Kapeller, die die Revisionsverfahren für die Gewerkschaftsmitglieder führt, freut sich besonders darüber, dass mit den Urteilen die gesundheitliche Beanspruchung anerkannt wird, die gerade von Arbeiten in Nachtschicht ausgeht.

Kapeller: „Die Tarifverträge basieren auf der überkommenen Vorstellung, dass man sich an Nachtarbeit gewöhnen kann. Arbeitsmedizinisch ist das längst widerlegt."

Nachtarbeit ist gesundheitsschädlich

Insgesamt verhandelt das Bundesarbeitsgericht an vier Tagen über 20 Tarifverträge, zu denen etwa 400 Beschäftigte mit Unterstützung der NGG und DGB Rechtsschutz GmbH Klagen eingereicht und in die Revisionsinstanz gebracht haben. Weitere 6.000 Verfahren liegen bei den Instanzgerichten. In einem ersten Termin am 22. Februar hatte das BAG die Klagen abgewiesen und die höheren Zuschläge für unregelmäßige Nachtarbeit damit begründet, dass die schlechtere Planbarkeit der Arbeitseinsätze als zusätzliche Belastung ausgeglichen werde.

Kapeller: „Das Gericht hat schon frühzeitig angekündigt, jeden Tarifvertrag für sich zu überprüfen, und das tut es jetzt. Im Hinblick auf die noch ausstehenden Entscheidungen bin ich daher durchaus zuversichtlich!"

 

Der gewerkschaftliche Rechtsschutz habe mit dem Masseverfahren zu Nachtarbeitszuschlägen bewiesen, dass er in der Lage ist, Verfahren dieser Größenordnung qualitativ und quantitativ zu bewerkstelligen. Entscheidender Faktor dabei sei auch die enge Kooperation zwischen der NGG und der DGB Rechtsschutz GmbH gewesen.

Es geht um viel Geld

Die Prozesse waren nach einem 2018 ergangenen Grundsatzurteil des BAG notwendig geworden, weil mit der Arbeitgeberseite eine zeitgemäße Anpassung der Tarifverträge, anders als in vielen anderen Branchen, nicht zu machen war.

Diese Blockadehaltung setzte sich auch im Verfahren fort. Die erhebliche Anzahl von Verfahren geht vor allem darauf zurück, dass die Arbeitgeberseite nicht bereit war, auf Verjährung und Ausschlussfristen zu verzichten, sodass jeder Anspruch einzeln geltend gemacht und eingeklagt werden muss.

 

Nach Schätzungen Kapellers sind das für jede*n Beschäftigten durchschnittlich etwa 100 € pro Monat. Da die Verfahren schon seit 2019 laufen, bedeutet das eine durchschnittliche Summe von knapp 5.000 € pro Fall. Plus Zinsen.


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