Arbeitsgericht Osnabrück verneint die Möglichkeit, Urlaub wegen Kurzarbeit zu reduzieren. Copyright by Adobe Stock/Danny
Arbeitsgericht Osnabrück verneint die Möglichkeit, Urlaub wegen Kurzarbeit zu reduzieren. Copyright by Adobe Stock/Danny

Das Arbeitsgericht Osnabrück gab mehreren Arbeitnehmer*innen Recht, die auf Gutschrift von Urlaubstagen geklagt hatten.
 

Anteilige Kürzung für Zeiten der Kurzarbeit

Die Arbeitgeberin hatte den Arbeitnehmer*innen Urlaubstagen anteilig für Zeiten von Kurzarbeit im Verhältnis zu ihren Jahresarbeitstagen gekürzt.
 
Dabei war die Arbeitszeit nicht auf „Null“ reduziert worden. Basis der Kurzarbeit waren mehrere nahtlos aufeinanderfolgende Betriebsvereinbarungen, die die Betriebspartner jeweils erst kurz vor Beginn der Kurzarbeit abgeschlossenen hatten.
 
Die betroffenen Arbeitnehmer*innen erfuhren erst anschließend von der Kurzarbeit. Die Arbeitgeberin durfte nach den Betriebsvereinbarungen Kurzarbeit kurzfristig mit einer „Ansagefrist“ von zwei Werktagen beenden oder reduzieren.
 

Kurzarbeit gleich Teilzeitarbeit?

Die klagenden Arbeitnehmer*innen waren der Ansicht, dass die Kurzarbeit keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche hat. Wer in Kurzarbeit gearbeitet hätte, habe nicht ähnlich einem Teilzeitbeschäftigten eine vorhersehbare und frei gestaltbare Freizeit erworben, die er nutzen könne, um sich auszuruhen oder Freizeitaktivitäten nachzugehen.
 
Die Arbeitgeberin berief sich zur Rechtfertigung der Kürzung auf Entscheidungen des EuGH und des BAG über entsprechende Urlaubskürzungen gegenüber Teilzeitbeschäftigten und bei Gewährung eines Sabbaticals, sowie auf eine obergerichtliche Entscheidung zu Kürzung bei Kurzarbeit „Null“.
 
Es könne nicht sein, dass der Betrieb nach Wiederanlaufen nach der Kurzarbeit dadurch blockiert würde, dass die Arbeitnehmer*innen ihren vollen Jahresurlaub nehmen könnten.
 

Arbeitsgericht: Urlaub besteht unabhängig von Arbeitsleistung

Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Die Arbeitgeberin muss den gekürzten Urlaub den Urlaubskonten der klagenden Arbeitnehmer*innen gutschreiben.
 
Gegen eine Kürzungsmöglichkeit spreche schon, dass das Bundesurlaubsgesetz keine weitere Voraussetzung für den Urlaub kennt, als dass das Arbeitsverhältnis besteht. Die Höhe des Urlaubsanspruchs bestehe damit unabhängig von der konkreten Arbeitsleistung.
 
Eine Kürzung sei damit nur ausnahmsweise möglich, etwa bei Teilzeit oder einem längerfristigen vereinbartem Ruhen („Sabbatical“). So liege der Fall hier aber nicht, insbesondere weil die Arbeitszeit nicht auf „Null“ herabgesetzt worden sei.
 
Bei sonstigen Ruhenstatbeständen im Arbeitsverhältnis, beispielsweise bei Elternzeit, sei eine anteilige Urlaubskürzung im Gesetz ausdrücklich geregelt. Bei Kurzarbeit habe der Gesetzgeber aber bewusst darauf verzichtet, eine solche Kürzungsmöglichkeit zu schaffen. Er habe im Bundesurlaubsgesetz gerade zum Ausdruck gebracht, dass Kurzarbeit nicht zur Verdienstschmälerung beim Urlaubsentgelt führen soll.
 

Erholung wegen kurzfristiger Planung nicht möglich

Die Situation sei auch deshalb nicht mit der einer längerfristigen Freistellung vergleichbar, weil ja nur an einzelnen Tagen nicht gearbeitet werde und der Arbeitgeber die Kurzarbeit jederzeit mit einer kurzen Ankündigungsfrist von zwei Tagen beenden kann.
 
Aus den gleichen Gründen könne man auch nicht davon sprechen, dass der Erholungsurlaub quasi anteilig schon realisiert sei.
 
Als irrelevant sei erachtete das Gericht zudem das Argument der Arbeitgeberin, wonach ohne eine Kürzung alle Beschäftigten nach Ende der Kurzarbeit ihren Urlaub nehmen könnten und damit der Betrieb lahm gelegt sei: Dies sei „Eine Spekulation und ohne Belang.“
 
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Arbeitsgericht die Berufung zum Landesarbeitsgericht zugelassen.
 
Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Osnabrück
 
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Das sagen wir dazu:

Das Arbeitsgericht Osnabrück begründet seine Entscheidung ausgesprochen fundiert und reicht sie in die bestehende Rechtsprechung zu diesem Thema ein. Zu Recht verweist es darauf, dass eine Urlaubskürzung rechtlich die absolute Ausnahme darstellt.

Kürzung von Urlaub nur ausnahmsweise möglich

Eine Kürzung ist beispielsweise dann nachvollziehbar, wenn Beschäftigte in Teilzeit arbeiten, also statt der üblichen fünf Tage in der Woche nur drei. denn dann muss der Beschäftigte ja auch nur drei Urlaubstage einbringen, um eine Woche frei zu haben.

Diese Kürzungsmöglichkeit findet ihren Niederschlag auch im Gesetz, da das Bundesurlaubsgesetz bei seinem Mindestanspruch von 24 Werktagen sechs Arbeitstage zugrunde legt. Wer nur drei Tage arbeitet, hat also nur zwölf Tage Mindesturlaubs.

In den Fällen des Arbeitsgerichts Osnabrück arbeiten die Beschäftigten aber nicht durchgängig nur drei Tage, sondern nur vorübergehend und unregelmäßig. Außerdem erfahren die Beschäftigten nur sehr kurzfristig, in welchem Umfang sie arbeiten müssen.

Kurzarbeit ist nicht mit Teilzeit oder Elternzeit vergleichbar

Dem Arbeitsgericht Osnabrück ist also zuzustimmen, wenn es eine Vergleichbarkeit von Kurzarbeit und Teilzeitarbeit ablehnt. Allerdings hat die Beklagte Arbeitgeberin es dem Gericht auch sehr einfach gemacht, da diese den Urlaub schon gekürzt hat, obwohl die Beschäftigten noch an mehreren Tagen gearbeitet haben.

Im Fall des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf war dies anders: Hier herrschte Kurzarbeit „Null“. Die Arbeitgeberseite hatte den Jahresurlaub daraufhin um ein Zwölftel für jeden Monat der Kurzarbeit gekürzt. Hier mag es auf den ersten Blick näher liegen, ähnlich wie in der Elternzeit oder auch bei Teilurlaub den Urlaubsanspruch für Zeiten nicht zu gewähren, in denen keine Arbeitsleistung erbracht wurde.

Aber auch hier gilt, was das Arbeitsgericht Osnabrück eingangs feststellt, nämlich das eine Kürzung nur in Betracht kommt, wenn dies rechtlich ausdrücklich geregelt ist. Anders als bei Elternzeit und beim Teilurlaub ist das in Kurzarbeit aber nicht der Fall.

Kurzarbeit schützt in erster Linie Arbeitgeber

Diese Regelung ist auch interessengerecht: Wie der vorliegende Fall zeigt, ist Kurzarbeit für die Beschäftigten weit weniger planbar als etwa die Elternzeit. Die Betriebsparteien können diese kurzfristig vereinbaren und in der Vereinbarung auch regeln, dass sie kurzfristig wieder beendet wird. Letztlich stehen die Beschäftigten „Gewehr bei Fuß“, um ihre Arbeit kurzfristig wieder aufzunehmen.

Auch dies ist richtig und nachvollziehbar. Denn die Kurzarbeit dient in erster Linie dazu, die wirtschaftlichen Risiken der Arbeitgeberseite abzufedern. Gäbe es sie nicht, befände sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug und müsste den Lohn weiterzahlen. Erst wenn absehbar ist, dass die Beschäftigungsmöglichkeit dauerhaft entfällt, kann der Arbeitgeber eine unternehmerische Entscheidung treffen, an deren Ende betriebsbedingte Kündigungen stehen können.

Der gewerkschaftliche Rechtsschutz dringt auf Klärung der Rechtsfrage

Da die Kurzarbeit also ein Mittel ist, Arbeitgeber im Falle vorübergehender konjunktureller Einbrüche zu unterstützen, sollen sie die Möglichkeit haben, ihre Beschäftigten schnell wieder zur Verfügung zu haben, wenn diese Einbrüche vorüber sind.

Vor diesem Hintergrund erscheint es allerdings systemwidrig, den Beschäftigten für diese Zeit ihren Urlaub zu kürzen. Anders als beispielsweise bei der Elternzeit sind sie nicht primär Begünstigte der Regelung. Daher ist nicht einzusehen, warum sie etwas verlieren sollen, was ihnen ansonsten rechtlich zusteht.

Das Gewerkschaftliche Centrum für Revision und Europäisches Recht hat das Urteil des das Arbeitsgericht Düsseldorf vor dem Bundesarbeitsgericht angegriffen. Sollte im hiesigen Verfahren das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zum gleichen Ergebnis kommen wie die Vorinstanz, müsste es die Revision wohl zulassen. Das Bundesarbeitsgericht wird diese Rechtsfrage wohl schon bald klären können.

Rechtliche Grundlagen

§ 5 BUrlG

§ 5 Teilurlaub
(1) Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer

a) für Zeiten eines Kalenderjahrs, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt;
b) wenn er vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet;
c) wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahrs aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

(2) Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden.

(3) Hat der Arbeitnehmer im Falle des Absatzes 1 Buchstabe c bereits Urlaub über den ihm zustehenden Umfang hinaus erhalten, so kann das dafür gezahlte Urlaubsentgelt nicht zurückgefordert werden.