Auf geht's! Ihr seid heute an eine andere Firma ausgeliehen. Copyright by Adobe Stock/Flexmedia
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Die Bedingungen von Leiharbeit sind ein aktuelles Problem.
Ihren Höchststand hatte die Anzahl der Leiharbeitnehmer*innen im April 2017. Zu diesem Zeitpunkt bestanden 995.000 Leiharbeitsverhältnisse. Bis zum Juni 2019 sank die Anzahl lediglich auf 896.000. (Quelle: „Aktuelle Entwicklungen in der Zeitarbeit“; Studie der Bundesagentur für Arbeit vom Januar 2020)
 

Welche Bezeichnungen gibt es?

Neben „Leiharbeit“ existieren auch die Ausdrücke „Zeitarbeit“ und „Arbeitnehmerüberlassung“.
Alle diese Ausdrücke haben die gleiche Bedeutung.

Wie funktioniert Leiharbeit?

An einem Leiharbeitsverhältnis sind drei Parteien beteiligt.
 
Eine Zeitarbeitsfirma schließt mit der Arbeitnehmerin einen Arbeitsvertrag. Diese Firma ist die Arbeitgeberin und deshalb zuständig für alle Arbeitgeberbelange wie etwa Bezahlung, Urlaubsgewährung, Abmahnungen oder Kündigungen. Dieser Vertrag ist an die Schriftform gebunden.
 
Mit der Entleihfirma schließt die Zeitarbeitsfirma einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Darin verpflichtet sie sich, die Arbeitnehmerin der Entleihfirma gegen Gebühr zu überlassen.
 
Eine vertragliche Beziehung zwischen der Arbeitnehmerin und der Entleihfirma besteht nicht. Dessen ungeachtet arbeitet die Arbeitnehmerin nicht bei ihrem (eigentlichen) Arbeitgeber, sondern in der Entleihfirma.
 
Nicht zu verwechseln ist Leiharbeit mit einem befristeten Arbeitsverhältnis.
Dabei arbeiten Arbeitnehmer*innen im Betrieb des Arbeitgebers bis zu einem bestimmten Termin oder, bis ein bestimmter Zweck erreicht ist. Danach endet das befristete Arbeitsverhältnis automatisch.
Bei der Leiharbeit arbeiten Arbeitnehmer*innen nicht bei ihrem Arbeitgeber, sondern bei der Entleihfirma. Hat sie keinen Bedarf mehr, endet zwar der Einsatz in dieser Firma, aber das Arbeitsverhältnis zur Verleihfirma bleibt bestehen, wenn es nicht seinerseits befristet ist.
 
Zusammengefasst stellt sich Leiharbeit als Win-win-lose-Situation dar. Der Verleiher gewinnt, weil er für das Verleihen Geld bekommt. Der Entleiher gewinnt, weil er Arbeitskräfte bekommt, die im Ergebnis wesentlich weniger verdienen als die Stammbelegschaft. Die Arbeitnehmer*innen dagegen   verlieren, weil sie für die gleiche Arbeitsleistung letztlich deutlich weniger Geld bekommen und ständig von einem Entleiher zum anderen wechseln müssen.
 

Wo ist die Leiharbeit geregelt?

Unter welchen Bedingungen Leiharbeit zulässig und wie sie auszugestalten ist, bestimmt das Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz AÜG). Der Gesetzgeber hat diese Vorschriften zuletzt im Februar 2017 geändert.
 

Wie lange darf man Arbeitnehmer*innen ausleihen?

Das AÜG sieht vor, dass die Verleihfirma derselben Entleihfirma die Arbeitnehmerin höchstens für 18 aufeinanderfolgende Monate überlassen darf. Ist dieser Zeitraum abgelaufen, muss die Verleihfirma die Arbeitnehmerin zu einer anderen Entleihfirma schicken. Geschieht das nicht, verliert der Arbeitsvertrag zwischen der Verleihfirma und der Arbeitnehmerin seine Wirksamkeit. Gleichzeitig kommt automatisch ein Arbeitsverhältnis zwischen der Arbeitnehmerin und der Entleihfirma zustande. Diese Folgen treten nicht ein, wenn die Arbeitnehmerin bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher schriftlich erklärt, dass sie an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält.
 
Von der 18-Monate-Regel gibt es jedoch Ausnahmen und Aufweichungen. So kann etwa die Arbeitnehmerin problemlos wieder zu derselben Entleihfirma zurückkehren, wenn die Verleihfirma sie nur drei Monate und einen Tag zu einem anderen Entleiher geschickt hat.
 
Darüber hinaus können Tarifverträge der Einsatzbranche oder Betriebsvereinbarungen aufgrund von Tarifverträgen der Einsatzbranche regeln, dass die Höchstgrenze der Verleihdauer erheblich mehr als 18 Monate beträgt.
 

Ist Leiharbeit nur „vorübergehend“ zulässig?

Die Beschränkung, eine Arbeitnehmerin höchstens 18 Monate lang zu verleihen, führt nicht dazu, dass ein Dauereinsatz von Leiharbeitnehmer*innen ausgeschlossen ist. Sind die eineinhalb Jahre abgelaufen, kann der Arbeitgeber bei der Verleihfirma eine andere Arbeitnehmerin anfordern und sie die Arbeit der bisherigen erledigen lassen. Damit hat er die  - legal  - Möglichkeit, einen Dauerarbeitsplatz dauerhaft mit einer Leiharbeitnehmerin zu besetzen.

Wie sieht es mit der Vergütung von Leiharbeit aus?

Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht.
Zunächst die gute.
Nach dem AÜG ist der Verleiher verpflichtet „ . . . den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.“
Unterschreitet der Arbeitgeber diese Vergütung, wird der Arbeitsvertrag mit seiner Arbeitnehmerin unwirksam. Es entsteht automatisch ein Arbeitsvertrag mit der Entleihfirma.
Jetzt die schlechte.
Das AÜG lässt zu, von diesem Gleichbehandlungsgrundsatz durch einen Tarifvertrag abzuweichen  „ . . . soweit er nicht die . . . festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet.“
Solche Tarifverträge sind wie Pilze aus dem Boden geschossen. Allen gemeinsam ist, dass sie Vergütungen vorsehen, die jeweils deutlich unter dem Verdienst von Stammmitarbeiter*innen im Entleihbetrieb liegen.
 
Eine solche tarifvertragliche Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz ist nach dem AÜG aber nur für neun Monate zulässig. Danach hat die Leiharbeitnehmerin die gleiche Vergütung zu bekommen wie eine Stammkraft im Entleihbetrieb.
 
Aber auch diese Regelung ist nicht ohne Ausnahme. Ein Tarifvertrag kann eine geringere Vergütung auch für länger als neun, aber höchstens für 15 Monate ermöglichen, wenn für den Entleihbetrieb tarifliche Regelungen über so genannte Branchenzuschläge gelten, die sich stufenweise erhöhen und die Bezahlung an die Vergütung von Stammkräften annähern sollen.
 

Wie erfahren Arbeitnehmer*innen, was eine Stammkraft verdient?

Über den eigenen Verdienst spricht man sehr ungern, am besten gar nicht. Deshalb ist es für Leiharbeitnehmer*innen oft sehr schwierig herauszufinden, wie viel „gleich viel wie eine Stammkraft“ tatsächlich ist. Um dieses Problem zu lösen, sieht das AÜG vor, dass ein Leiharbeitnehmer  „ . . . von seinem Entleiher Auskunft über die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen . . .“  kann.
 

Gibt es weitere Ansprüche?

Der Entleiher muss Leiharbeitnehmer*innen über Arbeitsplätze, die bei ihm besetzt werden sollen, informieren. Außerdem hat er ihnen den Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen im Unternehmen unter den gleichen Bedingungen zu gewähren, wie sie für vergleichbare Arbeitnehmer*innen gelten.
 

Darf jeder Arbeitnehmer*innen verleihen?    

Für die Überlassung von Arbeitnehmer*innen besteht nach dem AÜG grundsätzlich eine Erlaubnispflicht. Diese Erlaubnis erteilt die Bundesagentur für Arbeit, nachdem sie sich von der Zuverlässigkeit der Verleihfirma überzeugt hat. Dazu überprüft die Agentur die Musterverträge zwischen Verleihfirma und Arbeitnehmerin sowie zwischen Verleihfirma und Entleihfirma.
Die Erlaubnis gilt in der Regel für ein Jahr. Die Verleihfirma muss spätestens drei Monate vor Jahresende einen neuen Antrag stellen. Lehnt die Bundesagentur diesen Antrag nicht ab, verlängert sich die Erlaubnis automatisch für ein weiteres Jahr.
 
Hat die Verleihfirma keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, ist ihr Arbeitsvertrag mit der Arbeitnehmerin unwirksam, und es entsteht automatisch ein Arbeitsvertrag mit der Entleihfirma.
 

Welche Stellung hat Leiharbeit betriebsverfassungsrechtlich?

Hier geht es im Wesentlichen um folgende Problembereiche:

  • Welcher Betriebsrat ist zuständig?
  • Gibt es ein aktives und/oder passives Wahlrecht zum Betriebsrat?
  • Wie sieht es bei „Schwellenwerten“ aus?


Welcher Betriebsrate ist zuständig?

Das AÜG stellt zunächst einmal klar, dass Leiharbeitnehmer*innen / Angehörige des Verleihbetriebes bleiben. Damit ist grundsätzlich der Betriebsrat dieses Betriebes für sie zuständig.
Große praktische Bedeutung dürfte diese Vorschrift aber nicht haben, da die Betriebsratsdichte in Zeitarbeitsfirmen als nicht besonders hoch einzuschätzen ist.
Der Betriebsrat der Entleihfirma ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes immer zuständig, wenn der Entleiher aufgrund der ihm zustehenden Weisungsbefugnis Maßnahmen anordnen kann, die beteiligungspflichtig sind. Eine solche Beteiligungspflicht ergibt sich beispielsweise bei Fragen

  • der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Beschäftigten
  • des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage.
  • der Urlaubsplanung.

 
Das AÜG enthält eine weitere wichtige Regelung:
 
 „Vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung ist der Betriebsrat des Entleiherbetriebs nach § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes zu beteiligen.“
Das bedeutet zum einen, dass der Entleiher seinen Betriebsrat unter anderem informieren muss über

  • Personalien der Leiharbeitnehmer*innen
  • Beginn und Dauer der Beschäftigung
  • Beschaffenheit des Arbeitsplatzes
  • Mögliche organisatorische oder personelle Konsequenzen.

Zu anderen ist dem Betriebsrat die Erlaubnis des Verleihers für die Arbeitnehmerüberlassung    vorzulegen.    
Außerdem kann der Betriebsrat des Entleihers seine Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmer*innen verweigern. Das ist aber nur möglich,  wenn einer der dafür im Betriebsverfassung genannten Gründe besteht.    
 
Vergleiche dazu im Einzelnen:
Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen


Gibt es ein aktives und/oder passives Wahlrecht zum Betriebsrat?

Im Verleihbetrieb haben Arbeitnehmer*innen sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht.
Im Entleihbetrieb müssen sie länger als drei Monate eingesetzt sein, wenn sie den Betriebsrat mit wählen wollen. Das passives Wahlrecht haben Leiharbeiter*innen im Entleihbetrieb nicht.
 

Wie sieht es bei „Schwellenwerten“ aus?

Schwellenwerte gibt es im Betriebsverfassungsrecht unter anderem für die Größe des Betriebsratsgremiums und für die Anzahl der freizustellenden Betriebsräte. Das bedeutet, dass sich Größe oder Anzahl erhöhen, wenn die Beschäftigtenzahl eine bestimmte Schwelle überschreitet.
In beiden Fällen zählen dafür Leiharbeitnehmer*innen mit, soweit sie / regelmäßig im Betrieb des Entleihers beschäftigt sind.
 

Leiharbeitnehmer*innen als Streikbrecher?

Dem schiebt das AÜG einen Riegel vor. Es bestimmt:
 „Der Entleiher darf Leiharbeitnehmer nicht tätig werden lassen, wenn sein Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist.“
Eine Ausnahme gilt nur, wenn Leiharbeitnehmer*innen keine Tätigkeiten von Arbeitnehmer*innen übernehmen, die

  • sich im Arbeitskampf befinden oder
  • ihrerseits Tätigkeiten von Arbeitnehmer*innen übernommen haben, die sich im Arbeitskampf befinden,.


Alternative Werkvertrag?

Die Schutzregelungen des AÜG sind insbesondere im Hinblick auf die Gleichbehandlung mit Stammarbeitskräften mehr als lückenhaft. Trotzdem gehen sie manchen Arbeitgebern noch zu weit. Deshalb schließen sie, um die Anwendbarkeit des AÜG zu vermeiden, Werkverträge ab. Das ist für Arbeitgeber zum einen günstig, weil die Vergütung für das Werk jederzeit frei verhandelbar ist. Zum anderen haftet der Werkunternehmer dafür, dass sein Werk keine Mängel hat.
Problematisch ist dabei die Abgrenzung, wann (noch) Arbeitnehmerüberlassung und wann (schon) ein Werkvertrag vorliegt. Wichtige Unterscheidungskriterien sind, inwieweit diejenigen, die beim Entleiher arbeiten, in seinen Betrieb eingegliedert sind und seiner Weisung unterliegen.
Vergleiche dazu:
Ein Arbeitsverhältnis muss nicht Arbeitsverhältnis heißen


Welche Einzelentscheidungen gibt es zur Leiharbeit?

Das Bundesarbeitsgericht hat eine unübersehbare Fülle von Einzelentscheidungen zum Thema Leiharbeit getroffen. Einige der wichtigsten finden sie in unseren Artikeln:
Mehr Lohngerechtigkeit durch Branchenzuschläge in der Leiharbeit

Leiharbeiter: Fahrtkostenanspruch trotz vertraglichem Ausschluss

Vorbeschäftigungszeit als Leiharbeiter wird nicht auf Wartefrist angerechnet

Kündigung von Leiharbeitnehmern: Auftragsverlust reicht nicht