Seit Jahren schwelt der Streit, wann und in welcher Höhe der Arbeitgeber Zuschläge für Nachtarbeit zahlen muss, obwohl bereits Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts dazu vorliegen. Wir haben darüber schon öfters berichtet.
Aufwertung der Nachtarbeit: Zuschlag von mindestens 25 % - DGB Rechtsschutz GmbH
Auch tarifvertragliche Vergütungsregeln können gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen - DGB Rechtsschutz GmbH
Daimler AG schuldet Nachtarbeitszuschläge in Millionenhöhe - DGB Rechtsschutz GmbH
Nachtzuschläge und Urlaubsentgelt sind auf Basis des Mindestlohns zu berechnen - DGB Rechtsschutz GmbH
Zwei Entscheidungen des Arbeitsgerichts Berlin von Januar 2020 machen deutlich, dass der Streit noch nicht endgültig entschieden ist. In beiden Verfahren geht es um Nachtarbeitszuschläge, die nach tarifvertraglichen Regelungen zu zahlen sind. Beide Tarifverträge unterscheiden zwischen Zuschlägen für Nachtarbeit in Schichtarbeit und in Wechselschichtarbeit für Arbeitszeiten, die von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr anfallen.
Dabei fällt der Zuschlag für die unregelmäßige Nachtarbeit deutlich höher aus als der Zuschlag für die regelmäßige Nachtarbeit in Schichtarbeit. Immerhin wird nach einem Tarifvertrag für regelmäßige Nachtarbeit nur ein Zuschlag von 20 Prozent gezahlt, während unregelmäßige Nachtarbeit ein Zuschlag in Höhe von 60 Prozent pro Stunde wert ist. Ähnlich verhält es sich in dem anderen Fall: auch dort wird für regelmäßige Nachtarbeit ein Zuschlag von 20 Prozent gezahlt, während unregelmäßige Nachtarbeit mit einem Zuschlag von 50 Prozent pro Stunde vergütet wird.
Kläger: Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
Die Kläger hielten das für einen gravierenden Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine Rechtfertigung dafür gebe es nicht. Die Nachtarbeit sei nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen grundsätzlich für jeden Menschen schädlich und habe negative Auswirkungen.
Der Arbeitnehmer, der regelmäßig in der Nachtschicht arbeiten müsse, sei sogar gesundheitlich gefährdeter als einer, der nur hin und wieder zur Nachtarbeit herangezogen werde. Der Arbeitgeber müsse daher auch für regelmäßige Nachtarbeit einen Zuschlag in der Höhe zahlen, wie er für unregelmäßige Nachtarbeit vorgesehen sei.
Beklagte: unregelmäßige Nachtarbeit ist Ausnahmefall
Die beklagten Arbeitgeber sahen das anders. Ihrer Meinung nach sei unregelmäßige Nachtarbeit für einen Arbeitnehmer schwerer zu verkraften als für jemanden, der regelmäßig Nachtschichtarbeit verrichten müsse und daher daran gewöhnt sei. Außerdem komme unregelmäßige Nachtarbeit nur im Ausnahmefall vor. Jedenfalls hätten die Tarifvertragsparteien zwischen den beiden Formen von Nachtarbeit unterschieden, was auch zu respektieren sei.
Arbeitsgericht Berlin: Keine Anpassung nach oben
Dieser Meinung schloss sich auch das Arbeitsgericht Berlin an. Dabei ging es auf die Diskussion, welche Nachtarbeit gesundheitsschädlicher ist, gar nicht erst ein. Es verwies in beiden Entscheidungen darauf, dass nach dem Grundsatz der Tarifautonomie Tarifvertragsparteien berechtigt seien, Angelegenheiten wie die Höhe von Nachtschichtzuschlägen nach ihren eigenen Vorstellungen zu regeln.
Es sei auch nicht falsch, zwischen den beiden Gruppen von Nachtschichtarbeiter zu differenzieren. Arbeiter in ständiger Nachtschicht könnten ihre Arbeitszeiten vorauszusehen und ihre Freizeit dementsprechend planen. Bei Beschäftigten, die nur gelegentlich in Nachtschicht arbeiten müssten, sei dies nicht der Fall. Es sei auch richtig, wenn ein gewisser Druck auf Arbeitgeber ausgeübt werde, um solche unregelmäßig anfallenden Nachtarbeit zu vermeiden. Eine sogenannte Anpassung nach oben gebe es daher bei den Nachtzuschläge nicht.
Die beiden Klagen wurden daher abgewiesen.
Hier geht es zu den Urteilen des Arbeitsgerichts Berlin:
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 23. Januar 2020 - 44 Ca 10012/19
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 31. Januar 2020 - 44 Ca 9152/19
Das sagen wir dazu:
Die Unterscheidung zwischen unregelmäßiger und regelmäßiger Nachtarbeit ist nicht gerechtfertigt. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom März 2018, die oben zitiert wird, festgestellt, dass beide Formen der Nachtarbeit gleichermaßen gesundheitsschädlich sind. Das Arbeitsgericht Berlin hat sich mit dieser Entscheidung nicht auseinandergesetzt.Selbst wenn man die Meinung des Arbeitsgerichts teilen würde, stellt sich immer noch die Frage, ob es sachgerecht ist, unregelmäßige Nachtarbeit mit 40 Prozent oder mehr höher zu vergüten. Auch damit hat sich das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung befasst und darauf hingewiesen, dass solch ein Lohnabstand nicht mehr ausgewogen sei und auch nicht durch die Tarifautonomie gerechtfertigt werden könne. Das Arbeitsgericht Berlin ist hierauf ebenfalls nicht eingegangen.Es bleibt abzuwarten, ob die Kläger in Berufung gehen werden und wie das Landesarbeitsgericht in diesen Fällen entscheiden wird. Dann muss sich das Bundesarbeitsgericht dieser Frage noch einmal annehmen.
Das sagen wir dazu