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Veranstaltung des DGB Rechtsschutzes

Campus Arbeitsrecht - Forum 4: Praktische Herausforderungen der Teilzeitarbeit

„Praktische Herausforderungen der Teilzeitarbeit“ – so der Titel vom Forum 4 beim Campus Arbeitsrecht. Dieser stand unter dem Motto „Arbeitszeit – zwischen Schutz, Souveränität und Entgrenzung“. Wichtig dabei das Thema Teilzeit, beleuchtet auch unter dem Aspekt „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Die Entwicklung des Arbeitsrechts in Deutschland aktiv mitgestalten, dies haben sich die Veranstalter vom Campus auf die Fahnen geschrieben und die im Forum erarbeiteten Ideen können dazu sicher beitragen.

„Praktische Herausforderungen der Teilzeitarbeit“ – so der Titel vom Forum 4 beim Campus Arbeitsrecht. Dieser stand unter dem Motto „Arbeitszeit – zwischen Schutz, Souveränität und Entgrenzung“. Wichtig dabei das Thema Teilzeit, beleuchtet auch unter dem Aspekt „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Die Entwicklung des Arbeitsrechts in Deutschland aktiv mitgestalten, dies haben sich die Veranstalter vom Campus auf die Fahnen geschrieben und die im Forum erarbeiteten Ideen können dazu sicher beitragen. 

Teilzeit ist weiblich

Teilzeit ist nach wie vor weiblich. Das stellte Dr. Marta Böning, Referatsleiterin Individualarbeitsrecht beim DGB Bundesvorstand, als Moderatorin des Forums einleitend fest. Sie untermauerte dies mit Zahlen, wonach im Jahr 2014 34 % der Beschäftigten Teilzeitbeschäftigte waren. Dies entspräche ca. 14 Millionen Beschäftigten - davon 11 bis 12 Millionen Frauen.

Auf der einen Seite stehen Beschäftigte, die nicht (mehr) freiwillig in Teilzeit arbeiten, dem gegenüber stehen Vollzeitbeschäftigte, die die Arbeitszeit gerne reduzieren möchten. Diese Arbeitnehmer*innen im Blick habend, eröffnete Dr. Marta Böning die Referentenrunde zum Thema „Praktische Herausforderungen der Teilzeitarbeit“.

Rechtliche Grundlagen für Teilzeit, Elternzeit und Pflegezeit

Bei den Referenten machte Frau Prof. Dr. Eva Kocher den Anfang. Seit 2009 ist sie Professorin für Bürgerliches Recht, Europäisches und Deutsches Arbeitsrecht an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder; zuvor war sie unter anderem Leiterin der Akademie für Arbeit in der Universität Frankfurt/Main.

Prof. Dr. Kocher bot die rechtlichen Grundlagen für Teilzeit, Elternzeit und Pflegezeit dar. Voran schickte sie, dass es neben der Erwerbsarbeit auch die Sorgearbeit gibt. Danach würden Frauen 5 bis 10 Stunden mehr pro Woche arbeiten als Männer.

Ansprüche auf Reduzierung und Erhöhung der Arbeitszeit

Arbeitszeitreduzierungsansprüche und Arbeitszeiterhöhungsansprüche gibt es als direkte gesetzliche Ansprüche im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), im Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG), im Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und im Familienpflegezeitgesetz (FPFZ). Daneben nannte Prof. Dr. Kocher die sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und dem neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) ergebenden Schutzpflichten der Arbeitgeber.

Alle Vorschriften können unten im Praxistipp nachgelesen werden.

Ansprüche auf die Lage der Arbeitszeit ergeben sich direkt aus den genannten Gesetzen sowie aus § 106 Gewerbeordnung (Weisungsrecht des Arbeitgebers nach billigem Ermessen), allerdings nur für extreme Einzelfälle, wenn das Ermessen des Arbeitgebers auf Null reduziert ist.

Ansprüche bestehen wenn (dringende) betriebliche Gründe nicht entgegenstehen

Die Voraussetzungen für die Ansprüche auf Reduzierung der Arbeitszeit sind unterschiedlich. Der allgemeine Anspruch aus § 8 TzBfG besteht, sofern betriebliche Gründe nicht dagegen sprechen. Die spezielleren Normen (§ 15 Abs. 5-7 BBEG, § 3 PflegeZG und § 2 FPZG) setzen dem Reduzierungswunsch dringende betriebliche Gründe entgegen. Und im Rahmen der Schwerbehinderung (§ 81 Abs. 5 S.2 SGB IX) vermag nur eine Unzumutbarkeit den Anspruch ausschließen.

Bei den Arbeitszeiterhöhungsansprüchen ging Prof. Dr. Kocher auf die des Teilzeit- und Befristungsgesetzes ein.

Das Problem bei § 9 TzBfG: Er setzt einen entsprechenden freien Arbeitsplatz voraus, wobei die Beweislast noch beim Arbeitnehmer liegt. Unklar sei, ob sich durch den Koalitionsvertrag eine Änderung ergebe.

§ 12 TzBfG (Arbeit auf Abruf) biete nur minimalster Mindestschutz und habe seinen Schutzzweck verfehlt.

Zum Thema Reformdebatten monierte Prof. Dr. Kocher noch, dass die Richtlinie 2010/18/EG  (Rahmenvereinbarung mit Europäischen Sozialpartnern über den Elternurlaub – Richtlinie 2010/18/EU des Rates) bei uns nicht umgesetzt ist.

Sie schloss mit dem Wunsch, dass sich das Modell der Familienarbeitszeit durchsetzen möge.

Berichte aus der Praxis vom DGB Rechtsschutz

Henning Hansen, Rechtsschutzsekretär und Teamleiter beim DGB Rechtsschutz in Hamburg, stellte die Probleme dar, die sich in der Praxis beim Thema Teilzeit ergeben. Dabei stellte er zwei große Schutzlücken heraus.

Seine Grundüberlegung: § 8 TzBfG betrifft in der Praxis meist die Rückkehr aus der Elternzeit. Dabei sei, etwa wegen bestehender Schichtpläne, oft die Lage der Arbeitszeit das Hauptproblem.

Kritik ging an die Arbeitsrichter*innen. Die Gerichte seien seiner Erfahrung nach lasch mit den Anforderungen, die sie an die Arbeitgeber stellen, wenn diese darlegen, dass nicht ein weiterer Teilzeit-Beschäftigter auf dem Arbeitsplatz eingesetzt werden kann.

Grund für Teilzeitwunsch sollte betrieblichem Grund entgegengesetzt werden können

Als erste große Lücke sieht Hansen, dass bei der Gewichtung der betrieblichen Gründe die Gründe für den Teilzeitwunsch keine Rolle spielen.

Grundsätzlich sei es gut, dass keine Rechtfertigung für den Wunsch auf Teilzeit erforderlich ist, aber die Beweggründe (wie Betreuungszeiten) könnten eben auch nicht den vom Arbeitgeber angeführten betrieblichen Gründen entgegengesetzt werden.

Hier sieht er den Gesetzgeber gefordert, damit das mit einfließt.

Als zweite große Schutzlücke brachte Hennig Hansen das zeitliche Problem an, welches entsteht, wenn der Teilzeit-Antrag abgelehnt wird. In der Praxis stehen – am Beispiel Rückkehr aus der Elternzeit - die Frauen vor dem Problem, dass sie bis zu einer gerichtlichen Klärung Vollzeit arbeiten müssen. Das ist aufgrund der Kinderbetreuung zumeist nicht möglich und nicht selten endet eine solche Situation mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsverweigerung oder mit einem „freiwilligen“ Ausscheiden der Arbeitnehmerin, da dem Druck nicht standgehalten wird.

Arbeitszeiterhöhungsansprüche und Arbeit auf Abruf nicht praxisrelevant

§ 9 TzBfG, also der Wunsch auf Erhöhung der Arbeitszeit, ist nach Hansens Erfahrungen nicht praxisrelevant. Es komme nicht vor, vielleicht auch, weil die Sorge um die Lage der Arbeitszeit bestehe und die Arbeitnehmer*innen dann lieber bei Teilzeit verbleiben, wo die Betreuungszeiten gesichert sind.

Auch Fälle zur Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG) ergeben sich in der Praxis nicht. Der Grund dürfte in der zu starken Abhängigkeit vom Arbeitgeber liegen. Die Beschäftigten sind nicht organisiert und machen ihre Rechte nicht geltend, entweder aus Angst oder weil sie diese gar nicht kennen.

Hansens klar Forderung: „Wir brauchen Regelungen, die sich auf die Lage der Arbeitszeit beziehen!“

Die politische Sicht: Was ist die Motivation für Teilzeit?

Die Sicht der Politik sollte Hans-Peter Viethen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beleuchten, fiel aber kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen aus. An seiner Stelle referierte Stephan Eckert, Richter am Arbeitsgericht Mainz.

Die Teilzeit hat in den Jahren 2012 bis 2014 zugenommen, dies bestätigte Herr Eckert, auch wenn er Zahlen von der Agentur von Arbeit und damit andere Zahlen als Dr. Martha Böning vorliegen hatte. Der Trend sei aber der gleiche: Der Gesamtanteil der Frauen an sozialversicherungspflichtiger Arbeit sei nicht groß gestiegen, wohl aber stark der Anteil derer, die in Teilzeit beschäftigt sind.

Dreh- und Angelpunkt dabei: „Was ist die Motivation für Teilzeit?“. Männer verdienen immer noch besser, wodurch das „Hauptverdiener-Modell“ gestärkt werde, so Eckert. Hinzu kämen die Probleme der Betreuungszeiten und die Anreize von Steuervorteilen. Er sprach hier von einer gesellschaftlich akzeptierten Steuerlage.

Die Diskussion: Was muss sich ändern?

Im Blick auf die Unzulänglichkeiten der Rechtslage und der gesellschaftlichen Strukturen stiegen die Referenten in die Diskussion ein. Was also muss sich ändern?

Prof. Dr. Kocher warb für das unter ihrer Mitwirkung mit dem Deutschen Juristinnenbund erarbeitete Konzept zur Wahlarbeitszeit (Konzept eines Wahlarbeitszeitgesetzes).

Ihr Grundgedanke: Die Regelungen sollten von vornherein im Blick haben, dass alle Menschen auch mal Sorgearbeit machen müssen, auch für sich selbst.

Zudem sprach sie sich für eine finanzielle Absicherung nach dem Ende der Elternzeit aus, wenn z.B. beide Partner nur 30 Stunden arbeiten wollten (Stichwort Familienarbeitszeit).

Herr Eckert sah eine Verschärfung des § 9 TzBfG eher nicht als eine Möglichkeit an. Ein Rückkehrrecht sei besser oder am besten die Möglichkeit einer befristeten Teilzeit.

Aber: Es müsste ein ausgleichendes Ventil geben. Starr würde das nicht bei jedem Betrieb gehen.

Eine interessante Anregung zur Lösung des von Henning Hansen angesprochenen zeitlichen Problems kam aus den eigenen Reihen des DGB Rechtsschutzes. Eine Rechtsschutzsekretärin aus Göttingen stellte die Idee dar, dass mit dem Antrag auf Teilzeit die Fiktion der Zustimmung eintreten solle. Und dies mit einer langen Frist, falls der Arbeitgeber die gerichtliche Klärung will. Danach läge also die Initiativlast für die Klage beim Arbeitgeber. Eine enorme Entschärfung, neben der zeitlichen Problematik auch, weil sich viele Beschäftigte nicht trauen, im bestehenden Arbeitsverhältnis zu klagen.

Aufgegriffen wurde auch der Punkt, dass bei der gerichtlichen Prüfung der entgegenstehenden betrieblichen Gründe bisher die Gründe des Teilzeitverlangens keine Rolle spielen.

Prof. Dr. Kocher hält das für eine gefährliche Diskussion, weil damit Lebenssituationen bewertet werden. § 8 TzBfG ist ihrer Ansicht nach von seiner Ausgestaltung in Ordnung, es müsste aber spezielle Regelungen für besonderen Fälle des Teilzeitverlangens geben, wie für die Rückkehr nach Elternzeit.

Ausblick: Was ist durchsetzbar?

Prof. Kocher begann den Ausblick mit einer kritisch-süffisanten Bemerkung: „Ich würde generell davor warnen, vom Arbeitsrecht zu viel zu erwarten!“, so ihre Worte. Dies bezog sich auf die Bedenken der Teilnehmer, zunächst zur Frage „Was ist, wenn sich keiner wehrt?“ Bei ihrem Vorschlag Regelungen zur Arbeitszeit/Teilzeit über Betriebsvereinbarungen zu treffen, kam aus dem Publikum der Einwand, das klappe nur, wenn der Betriebsrat vernünftig arbeite. Irgendwohin müsse die Verantwortung übertragen werden, und wenn nicht auf den Arbeitgeber, um zu klagen, oder auf den Betriebsrat, wohin dann?

Einigkeit herrschte dabei, dass - wenn eine Abschaffung des § 12 TzBfG politisch nicht durchsetzbar sei – hier Änderungen her müssen.

Aus anwaltlicher Sicht wurde seitens des Publikums noch auf zwei Aspekte hingewiesen. Zum einen das mangelnde Wissen von Arbeitnehmer*innen um ihre Rechte und die Angst, diese durchzusetzen. Nach einer BSI Studie läge die Klagequote bei 11 % aller gekündigten Arbeitnehmer*innen. Dann könne man sich vorstellen, wie der Anteil im ungekündigten Arbeitsverhältnis aussieht.

Zudem gelten die bestehenden Regeln, ob Betroffene sie nun kennen oder durchzusetzen versuchen, für sehr viele Beschäftigte gar nicht. Denn: § 8 TzBfG findet nur Anwendung bei Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten, wobei Auszubildende nicht mitzählen.

Im Publikum wurden Zahlen genannt, wonach es in Deutschland 3,6 Mio. Unternehmen gibt, davon 3,29 mit nicht mehr als 10 Beschäftigten, also außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes.

Angesetzt werden müsste also bei der Anwendbarkeit, so der Vorschlag des Teilnehmers, weil die bestehenden Regelungen für ganz viele Beschäftigte gar nicht gelten.

Die Frage, was wirklich durchsetzbar ist und was unrealistisch ist, bleibt letztlich offen. Nach den interessanten Podiumsbeiträgen und der anschließenden ideenreichen Diskussion, kann nur gehofft werden, dass die Anregungen in die Entwicklung des Arbeitsrechts in Deutschland einfließen werden.

Lesen Sie zum Thema Teilzeit auch unsere Artikel:

Anspruch auf Teilzeit - Der Weg zu familienfreundlichen Arbeitszeiten

Städtische Mitarbeiterin setzt Teilzeitbeschäftigung durch 

Teilzeit ist Teilzeit – auch an Wochenenden!

Praxistipp:

Hier eine Übersicht zu der von Prof. Dr. Kocher genannten Ansprüche auf Reduzierung der Arbeitszeit und zur Lage der Arbeitszeit:

Arbeitszeitreduzierungsansprüche:

§ 8 Verringerung der Arbeitszeit - Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG)

§ 15 Abs. 5-7 Anspruch auf Elternzeit - Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG)

§ 3 Pflegezeit und sonstige Freistellungen - Gesetz über die Pflegezeit (Pflegezeitgesetz - PflegeZG)

§ 2 Familienpflegezeit - Gesetz über die Familienpflegezeit (Familienpflegezeitgesetz - FPfZG)

§ 12 Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers - Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

§ 81 Pflichten des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen - Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (Artikel 1 des Gesetzes v. 19.6.2001, BGBl. I S. 1046)

Ansprüche auf Lage der Arbeitszeit:

§ 8 Verringerung der Arbeitszeit - Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG)

§ 15 Abs. 5-7 Anspruch auf Elternzeit - Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG)

§ 3 Pflegezeit und sonstige Freistellungen - Gesetz über die Pflegezeit (Pflegezeitgesetz - PflegeZG)

§ 2a Inanspruchnahme der Familienpflegezeit - Gesetz über die Familienpflegezeit (Familienpflegezeitgesetz - FPfZG)

§ 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers - Gewerbeordnung

Weitere Ansprüche:

Tarifliche Ansprüche, z.B. Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD)

§ 15 Arbeitszeiten und sonstige Rahmenbedingungen und

§ 16 Teilzeitbeschäftigung, Telearbeit, mobiles Arbeiten und Beurlaubung zur Wahrnehmung von Familien- oder Pflegeaufgaben

Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG)

(auch Landesgleichstellungsgesetze)