Die Stadt muss damit der Arbeitszeitreduzierung zustimmen. Den weiteren Antrag der Mitarbeiterin, von Rufbereitschaft befreit zu werden, hat das Gericht dagegen abgewiesen. Beide Parteien können gegen die Entscheidung Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg einlegen.

Teilzeitwunsch eindeutig und rechtzeitig formuliert

Die städtische Mitarbeiterin wurde seit dem 14.1.2014 als Leiterin eines städtischen Fachbereichs beschäftigt. Ihr sind 6 Mitarbeiter*innen unterstellt. Am 29.1.2015 beantragte sie schriftlich, die Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich auf 36 Stunden ab dem 1.5.2015 zu verringern. Die Arbeitszeit sollte zukünftig so verteilt werden, dass sie montags bis donnerstags 8 Stunden und freitags nur noch 4 Stunden arbeitet. 


Damit hatte die Mitarbeiterin ihren Teilzeitwunsch eindeutig und rechtzeitig geltend gemacht. Der Anspruch auf Teilzeit setzt nämlich nur voraus, dass das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestanden hat und, dass der Arbeitgeber mehr als 15 Arbeitnehmer*innen beschäftigt. 


Dieser allgemeine Teilzeitanspruch ist gesetzlich geregelt in § 8 Teilzeit und Befristungsgesetz (TzBfG). Der Antrag auf Teilzeitbeschäftigung ist an keine besondere Form gebunden, kann also auch mündlich gestellt werden. Das ist allerdings nicht empfehlenswert, da ansonsten die Stellung des Antrags nicht nachgewiesen werden kann. Der Antrag muss klar formuliert sein, so dass der Arbeitgeber darauf nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann. Mit dem Wunsch auf Verringerung der Arbeitszeit kann auch eine bestimmte angestrebte Verteilung der Arbeitsstunden verbunden werden. Zeitlich muss der Antrag spätestens 3 Monate vor Beginn der Arbeitszeitreduzierung gestellt werden. 

Arbeitgeber muss auf Teilzeitwunsch reagieren

Äußern Arbeitnehmer*innen einen Teilzeitwunsch, muss der Arbeitgeber zunächst mit dem/der Mitarbeiter*in darüber ein Gespräch führen. Wird darin keine Einigung erzielt, muss der Arbeitgeber den Antrag spätestens einen Monat vor Beginn der gewünschten Teilzeit schriftlich ablehnen. Tut er das nicht, gilt per Gesetz ab dem gewünschten Beginn das Teilzeitverhältnis und auch mit der verlangten Verteilung der Arbeitszeit (§ 8 Abs. 5 S. 2, 3 TzBfG). 


Die Stadt reagierte auf das Schreiben ihrer Mitarbeiterin nicht. Erst im Prozess lehnte sie den Antrag ab. Das war nicht mehr rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist, so dass bereits gesetzlich das Teilzeitverhältnis begründet wird. Die Klage war daher erfolgreich. Die Stadt muss der Teilzeitbeschäftigung zustimmen.

Teilzeitwunsch war auch inhaltlich begründet

Unabhängig davon, dass die Arbeitgeberin den Prozess verloren hat, weil sie sich nicht an die gesetzlichen Formalitäten gehalten hat, ist das Arbeitsgericht aber auch der Auffassung, dass der Mitarbeiterin der Teilzeitanspruch zusteht. 


Arbeitgeber können den Anspruch nur erfolgreich ablehnen, wenn betriebliche Gründe entgegenstehen. Das müssen nachvollziehbare und auch hinreichend gewichtige Erwägungen sein. Dazu muss der Arbeitgeber in 3 Stufen vortragen: (1) wie sieht sein bisheriges Organisationskonzept aus, das der von ihm als notwendig erachteten Arbeitszeitregelung zugrunde liegt; (2) inwiefern weicht der Teilzeitwunsch von diesem Konzept tatsächlich ab; (3) und wenn das so ist, inwiefern führt die Abweichung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung betrieblicher Belange oder des betrieblichen Organisationskonzepts. Die Mitarbeiterin hatte vorgetragen, dass ihr Fachbereich personell überbesetzt sei und gerade freitags ihre Anwesenheit regelmäßig ab mittags nicht mehr erforderlich sei. Ihre Schwerbehinderung erfordere außerdem eine längere Erholung am Wochenende. Diesen konkreten Vortrag hat das Gericht als plausibel angesehen;  die Stadt habe dem keine ausreichenden Einwände entgegensetzen können.

Besonderer Teilzeitwunsch steht schwerbehinderten Menschen zu

Da die Mitarbeiterin schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 war, konnte sie ihren Wunsch auf Teilzeit auch darauf stützen, dass die Teilzeitbeschäftigung wegen der Art oder der Schwere ihrer Behinderung notwendig ist (§ 81 Abs.5 Sozialgesetzbuch (SGB) IX). Dieser Anspruch besteht auch in Kleinbetrieben und bei einer Beschäftigung von noch nicht 6 Monaten. Außerdem müssen die vom Arbeitgeber vorgetragenen betrieblichen Belange von erheblichem Gewicht sein, also sich als zwingende Hinderungsgründe darstellen.

Kein Anspruch von Rufbereitschaft befreit zu werden

Die Mitarbeiterin der Stadt hatte neben ihrem Teilzeitwunsch auch verlangt, zukünftig aus gesundheitlichen Gründen von Rufbereitschaft und Überstunden befreit zu werden. Den Antrag, von Bereitschaftsdiensten freigestellt zu werden, hat das Arbeitsgericht Neuruppin abgewiesen. 


Rufbereitschaft stellt keine Mehrarbeit oder Überstunden dar. Sie ist Arbeitszeit nur dann, wenn Arbeitnehmer*innen im Rahmen der Rufbereitschaft tatsächlich zur Arbeit herangezogen werden. 


Das Gericht ging nach den tatsächlichen Angaben der Parteien im Prozess davon aus, dass die Mitarbeiterin im Beschäftigungszeitraum nur 2,5 Std. tatsächlich im Rahmen der Rufbereitschaft Arbeiten leisten musste. Dies stelle eine geringe Belastung dar, die ihr auch unter Berücksichtigung ihrer Schwerbehinderung zumutbar sei. Das Gericht war außerdem der Auffassung, dass die Mitarbeiterin in ihrer besonderen Position als Leiterin des Fachbereichs sich von der Rufbereitschaft nicht ganz zurückziehen sondern Dienste zumindest anteilig übernehmen müsse, zumal sie selbst die Einteilung vornehmen kann.

Anmerkung der Redaktion:

Es ist für Beschäftigte nicht immer leicht, ihren Teilzeitwunsch durchzusetzen. Arbeitgeber sperren sich häufig und zeigen sich unflexibel und unfähig, verständlichen im Interesse der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder – wie hier – aus gesundheitlichen Gründen geäußerten Teilzeitwünschen nachzukommen. Es ist deshalb ein großer Erfolg, dass im vorliegenden Fall mit Hilfe des DGB Rechtsschutzes der Teilzeitwunsch durchgesetzt werden konnte. Wenn auch  die Einwände der Stadt hier im Wesentlichen aus formellen Gründen erfolglos waren, macht das Gericht erfreulicherweise deutlich, dass der Anspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung auch inhaltlich begründet war und nachvollziehbare betriebliche Gründe nicht entgegenstanden. Weder die Möglichkeit der Gleitzeit noch die herausgehobene Position eines Mitarbeiters schließen generell eine Beschäftigung in Teilzeit aus.


Die Abweisung des Antrags auf Befreiung von Rufbereitschaft überzeugt dagegen nicht. Richtig ist zwar, dass anders als im Falle von Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft, die gesamte in Rufbereitschaft verbrachte Dienstzeit nicht als Arbeitszeit zu bewerten ist. Arbeitszeit ist nur die während der Rufbereitschaft tatsächlich geleistete Arbeit. Dennoch kann auch Rufbereitschaft als solche eine gesundheitliche Belastung sein, die ein schwerbehinderter Mensch aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben kann. Nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) IX (§ 81 Abs.4 Ziff.4) ist der Arbeitgeber zur behinderten Umgestaltung der Arbeitsorganisation und des Arbeitsablaufs verpflichtet. Dazu kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) auch eine andere Verteilung der Arbeiten gehören. Der Anspruch ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil schwerbehinderte Arbeitnehmer*innen dann nur noch Teile der geschuldeten Arbeitsleistung ausführen können. Während der Rufbereitschaft sind Arbeitnehmer *innen verpflichtet, sich auf Abruf zur Arbeit an einem dem Arbeitgeber anzuzeigenden selbst gewählten Ort aufzuhalten und z. B. das Mobil-Telefon anzuschalten. Sie müssen in der Lage sein, ihre Arbeit alsbald wieder aufzunehmen. Wirkliche Freizeit ist das nicht; allein die Anspannung, die damit verbunden ist, dass mit einem jederzeitigen Arbeitseinsatz zu rechnen ist, kann der notwendigen Erholung entgegenstehen und einen schwerbehinderter Menschen gesundheitlich übermäßig belasten. Dies muss allerdings durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werden. 


Darüber hinaus kann auch der tatsächliche Einsatz während der Rufbereitschaft zu Mehrarbeit führen, wenn dadurch der schwerbehinderte Mensch am jeweiligen Tag mehr als 8 Stunden Arbeit leisten muss (§ 124 Sozialgesetzbuch - SGB -  IX). Es kommt nach der Rechtsprechung des BAG nicht darauf an, ob im tariflichen Sinne Mehrarbeit vorliegt. Der schwerbehinderte Mensch soll vor einer Überbeanspruchung geschützt werden, die aus medizinischen Gründen mit einer Überschreitung eines 8-Stunden-Arbeitstages verbunden ist. Schwerbehinderte Menschen müssen von ihrem Arbeitgeber lediglich verlangen, von Mehrarbeit frei gestellt zu werden. Dann kann der Arbeitgeber eine derartige Arbeitsleistung  nicht mehr abfordern. Dies hat die städtische Mitarbeiterin getan, so dass sie bei Arbeiten, die während der Rufbereitschaft auszuführen sind, und zur Überschreitung eines 8-Stunden-Arbeitstages führen, nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Dies bedeutet aber, dass die Mitarbeiterin an Tagen, an denen sie schon 8 Stunden gearbeitet hat, auch keine Rufbereitschaft mehr übernehmen kann, da ein Diensteinsatz an diesem Tag die Grenze von 8 Stunden überschreiten würde. 


Es ist davon auszugehen, dass das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg diese Fragen im Berufungsverfahren klären muss. Wir werden zu gegebener Zeit weiter berichten.

Das Urteil des Arbeitsgericht Neuruppin, vom 4. August 2015, 2 Ca 454/15 kann hier im Volltext nachgelesen werden:


Die in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann hier im Volltext nachgelesen werden:

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 4.10.2005, 9 AZR 632/04

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.3.2006, 9 AZR 411/05

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2006, 9 AZR 176/06

 

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