Die pädagogische Mitarbeiterin eines Nürnberger Unternehmens stritt mit dem Arbeitgeber um ihre Urlaubsansprüche. 29 Urlaubstage standen der Frau laut Arbeitsvertrag zu. Sie hatte mit ihrem Arbeitgeber im Vertrag außerdem vereinbart, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden müssen. Geschieht das nicht, sollte das zum endgültigen Erlöschen des betreffenden Anspruchs führen.
Die Klägerin wurde im Urlaub krank
In der Zeit vom 7. September bis zum 18. September hatte die Klägerin Urlaub beantragt, den der Vorgesetzte auch mündlich genehmigte. Allerdings trat ab dem 18. August Arbeitsunfähigkeit auf. Diese dauerte bis zum 12. September. Ende August schrieb die Frau aber eine Mail an ihre Kolleginnen, in welcher sie darauf hinwies, dass sie nach Rücksprache mit ihrem Vorgesetzten bereits am 31. August ihren Dienst wieder aufnehmen werde.
Sie erschien an diesem Tag auch am Arbeitsplatz. Bei ihrem Erscheinen erfuhr sie von Morddrohungen einiger Schüler eines Kurses auch ihr gegenüber. Sie nahm die Tätigkeit nicht auf und fuhr wieder nach Hause. Ihre Kolleginnen übernahmen durchgehend die Krankheitsvertretung.
Weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen folgten
Ihr Arzt beschrieb die Pädagogin weiter bis zum 4. September krank. Danach wurde es etwas unübersichtlich. Am 15. September stellte der Arzt der Klägerin eine Folgebescheinigung unter Bezugnahme auf die Erstbescheinigung vom 18. August aus. Daraus ergab sich eine weitere Arbeitsunfähigkeit bis zum 18. September. Diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mailte die Klägerin erst am 22. September an den Arbeitgeber.
Am 17. September legte die Klägerin eine weitere Krankmeldung bis zum 2. Oktober vor. Weil die Klägerin sich noch in der Probezeit befand, kündigte der Arbeitgeber nun das Arbeitsverhältnis und stellte die Beschäftigte unwiderruflich unter Anrechnung ihres Resturlaubsanspruchs bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung frei.
Nach Ende des Arbeitsverhältnisses war für die Klägerin noch nicht alles geklärt
Urlaubsabgeltung für noch offene Urlaubsansprüche zahlte der Arbeitgeber nicht. Diese gab es nämlich aus seiner Sicht nicht. Ab dem 7. September habe es keine ordnungsgemäße Krankschreibung der Klägerin mehr gegeben. Den Urlaub habe er in der Freistellung angerechnet.
Damit war die Frau nicht einverstanden und forderte über ein halbes Jahr nach der Kündigung schriftlich die Zahlung offener Urlaubsabgeltung für zwölf Tage. Vertreten durch Cornelia Kuschew vom DGB Rechtsschutzbüro Nürnberg erhob sie Klage. Nun muss der Chef Urlaubsentgelt nachzahlen. Der Anspruch der Klägerin sei nicht verfallen, stellt das Gericht fest. Die Klägerin habe sich auch völlig korrekt krank gemeldet.
Intransparente Klauseln gelten nicht
Die Klausel des Formular-Arbeitsvertrages, wonach Ansprüche innerhalb einer Frist von drei Monaten schriftlich geltend zu machen sind, hielt das Arbeitsgericht für intransparent. Die Ausschlussfrist solle nämlich generell für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gelten, auch diejenigen auf den gesetzlichen Mindestlohn.
Ein derart umfassender Ausschluss sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zulässig. Die Klausel im Arbeitsvertrag der Klägerin könne deshalb nicht aufrechterhalten werden. An die Stelle der vertraglichen Ausschlussfrist trete die gesetzliche Bestimmung.
Das ergebe sich aus den weitreichenden Folgen von Ausschlussfristen. Aus der Verfallsklausel müsse klar ersichtlich sein, welche Rechtsfolgen Vertragspartner zu erwarten hätten und was zu tun sei, um deren Eintritt zu verhindern. Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstelle und auf diese Weise dem Arbeitgeber ermögliche, begründete Ansprüche abzuwehren bzw. Arbeitnehmer*innen von der Durchsetzung bestehender Rechte abzuhalten, führe zu einer unangemessenen Benachteiligung.
Die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist finde daher keine Anwendung. Es spiele deshalb keine Rolle, dass die Klägerin ihre Ansprüche erst über ein halbes Jahr nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht habe.
Das Gericht hatte keine Bedenken hinsichtlich der AU-Bescheinigungen
Die Klägerin habe auch nachgewiesen, dass sie durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war. Das ergebe sich aus dem vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei nicht dadurch erschüttert, dass die Klägerin Ende August per E-Mail ihren Kolleginnen mitgeteilt haben, sie werde die Arbeit wieder aufnehmen. Daraus ergebe sich nicht, dass die Klägerin arbeitsfähig gewesen sei.
Die zum Ausdruck gebrachte Hoffnung, mit der Aufnahme des Dienstes dem Arbeitgeber entgegenzukommen, zeige vielmehr, dass die Klägerin trotz Arbeitsunfähigkeit den Dienst aufnehmen wollte. Unstreitig sei sie zwar erschienen, habe ihre Arbeit jedoch nachweislich nicht aufgenommen.
Der beantragte und genehmigt zu Urlaub stehe dem nicht entgegen. Die Klägerin sei während des Urlaubes krank gewesen. In diesen Fällen werde der genehmigte Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht angerechnet.
Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg.
Das sagen wir dazu:
Die Geltung von Ausschlussfristen führt immer wieder zu Streitigkeiten im Arbeitsverhältnis.
Grundsätzliches lesen Sie hier:
BAG erklärt übliche Ausschlussfristen für unwirksam
Für interessierte Leser*innen hier auch noch eine weitere, anderslautende Entscheidung aus Nürnberg. Der Unterschied zum hiesigen Fall bestand darin, dass die Ausschlussfrist dort in einem „Altvertrag“ vereinbart wurde.
Ausschlussfristen nicht wegen Mindestlohn unwirksam
Gilt eine Ausschlussfrist, sind formale Vorgaben zu beachten. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Klageerhebung allein reicht nicht, um die Ausschlussfrist zu wahren
Das sagen wir dazu