Die Verkäuferin war im vergangenen Jahr aufgrund von Lockdowns mehrfach für ganze Monate in Kurzarbeit, zunächst im Juni und Juli und noch einmal im Oktober. Die übrige Zeit überbrückte sie in Absprache mit ihrer Arbeitgeberin mit Urlaub.
Der Gewerkschaftliche Rechtsschutz vertritt die Klägerin
Weil die Arbeitgeberin ihr daraufhin den Urlaubsanspruch für 2020 um ¼ gekürzt hatte (3 von 12 Monaten), klagte sie auf Feststellung, dass ihr auch für dieses Jahr ein ungekürzter Urlaub zustehe. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. März 2021 – 6 Sa 824/20).
Karsten Jessolat, der die Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht vertritt, ist jedoch zuversichtlich, die Richter*innen des Bundesarbeitsgerichts davon überzeugen zu können, dass eine solche Kürzung unzulässig ist.
Hierfür spricht einiges:
- Das deutsche Urlaubsrecht sieht eine solche Kürzungsmöglichkeit nicht vor, anders als beispielsweise bei Elternzeit.
- Auch im SGB III, das die Kurzarbeit regelt, findet sich keine entsprechende Vorschrift.
- Die Beklagte beruft sich auf eine Entscheidung des EuGH, der eine Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit für zulässig erachtet ( EuGH v. 8.11.2012, C-229/11 und C 230/11, Rs. Heimann und Toltschin). Denn die Kurzarbeit sei mit Teilzeitarbeit vergleichbar, denn ein Kurzarbeiter gewinne, ähnlich einem Teilzeitbeschäftigten, eine vorhersehbare und frei gestaltbare Freizeit, die er nutzen könne, um sich auszuruhen oder Freizeittätigkeiten nachzugehen. Es handelte sich in dem Fall um eine Transfer-Kurzarbeit. Diese ist aber nicht mit der hier vorliegenden konjunkturellen Kurzarbeit vergleichbar, weil Beschäftige eben keine planbare Freizeit erhalten.
Rechtsprechung des EuGH ist nicht auf diesen Fall übertragbar
Das Bundesarbeitsgericht hat zwar entschieden, dass der Urlaubsanspruch während eines Sabbaticals gekürzt werden kann, diese Situation ist aber nicht mit konjunktureller Kurzarbeit zu vergleichen:
- Bei Sabbaticals und auch bei der Transfer-Kurarbeit sind Zeit und Umfang der Reduzierung verbindlich festgelegt, so dass der Beschäftige seine Freizeit planen und gestalten kann. Dies ist bei konjunktureller Kurzarbeit nicht der Fall. Der Arbeitgeber darf Kurzarbeit kurzfristig beenden, etwa wenn er einen neuen Auftrag erhält.
- Von Kurzarbeitergeld profitiert in erster Linie der Arbeitgeber, da es grundsätzlich seiner Risikosphäre zuzurechnen ist, wenn er keine Arbeit für die Belegschaft hat. Ohne Kurzarbeitergeld behalten die Arbeitnehmer*innen ihren Lohnanspruch. Es ist deshalb nicht einzusehen, warum sie bei Kurzarbeit ihren Urlaubsanspruch verlieren sollen.
- Während der Kurzarbeit bestehen für Arbeitnehmer*innen zahlreiche Pflichten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit. Wer diesen nicht nachkommt, riskiert eine Sperrzeit. Dadurch ist die Freizeitgestaltung erheblich eingeschränkt.
- Dürfte man den Urlaubsanspruch anteilig kürzen, so stünden Kurzarbeiter*innen schlechter als Bezieher*innen von Arbeitslosengeld I, da für diese ein „Urlaub“ besteht (Berechtigung, 21 Kalendertage pro Jahr unter Fortzahlung des Arbeitslosengeldes ortsabwesend zu sein.
Vorbericht des Bundesarbeitsgerichts
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