Die Klägerin ist seit März 2003 als Heimarbeiterin für das beklagte Unternehmen aus der Kunststofffertigung tätig. Dieses beliefert internationale Automobil- und Gerätehersteller.
Heimarbeit im Sinne des Heimarbeitergesetzes ist kein Homeoffice
Bei Heimarbeit arbeitet man in selbst gewählter Arbeitsstätte erwerbsmäßig im Auftrag eines Unternehmens, dem man die Verwertung der Arbeitsergebnisse überlässt. Heimarbeiter sind keine Arbeitnehmer, da sie nicht weisungsgebunden sind. Obwohl Heimarbeiter nicht dieselben Rechte wie ein Arbeitnehmer haben, gibt es doch einen gewissen Schutz, was die Bezahlung, Beendigung des Auftragsverhältnisses und auch den Urlaub anbelangt.
Weniger Projekte = geringere Auslastung der Heimarbeiter*innen
Im Sommer 2018 bekam die Beklagte die Konjunkturflaute in der deutschen Automobilbranche zu spüren. Vor allem die modularen Baugruppen fielen weg und damit die für die Heimarbeit maßgeblichen Projekte.
Ende August erhielten deshalb viele Heimarbeiter die Kündigung. Die Klägerin zählte nicht dazu. Doch erst ab März 2019 gab es für sie wieder so viel Arbeit wie vor der Flaute.
Acht Monate lang war das Entgelt deutlich niedriger als üblich
Die Klägerin erhielt im Zeitraum Juli 2018 bis Februar 2019 schwankende Zahlungen zwischen 300 € und 1.000 €, durchschnittlich 760 €. Im ersten Halbjahr 2018 lag der Durchschnitt bei 2.170 €. Deshalb machte die Klägerin ihren Anspruch auf Entgeltsicherung nach dem Heimarbeitergesetz geltend.
Da die Beklagte die Forderung ablehnte, erhob der DGB Rechtsschutz Siegen für die Klägerin eine Zahlungsklage auf mehr als 11.000 €.
Heimarbeiter sind regelmäßig auf Aufträge angewiesen
Deshalb regelt das Heimarbeitsgesetz eine Entgeltsicherung. Kündigt der Auftraggeber das Heimarbeitsverhältnis, kann der Heimarbeiter für die Dauer der Kündigungsfrist das Entgelt weiter beanspruchen, das er im Durchschnitt der letzten 24 Monate vor der Kündigung erzielt hat. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall.
Kündigt der Auftraggeber nicht, reduziert aber die regelmäßige Arbeitsmenge mindestens um ein Viertel, hat der Heimarbeiter ebenfalls einen Anspruch auf Entgeltsicherung. Das Arbeitsgericht hatte hier also diese Frage zu klären:
Hat die Beklagte die Arbeitsmenge ab Juli 2018 um mindestens ein Viertel verringert?
Die Beklagte, vertreten durch Verband der Siegerländer Metallindustriellen, verneint diese Frage. Das ergebe sich bei einer Gesamtbetrachtung des Kalenderjahrs oder der letzten 12 Kalendermonate. Urlaubs- und Krankheitszeiten seien aus einer Berechnung herauszunehmen.
Das Arbeitsgericht jedoch bejaht diese Frage. Dafür hat es sich die Zeit von Juli 2017 bis Juni 2018 angeschaut. Eine Gesamtbetrachtung mit Blick auf den kumulierten Verdienst der Klägerin habe nicht stattzufinden.
Keine Entgeltsicherung nach Auslauf der fiktiven Kündigungsfrist
Das Gericht hat der Klägerin eine Entgeltsicherung zugesprochen. In der Höhe lag es mit rund 8.000 € unter den geforderten 11.000 €. Für die Höhe des Anspruchs hat es einen Zeitraum von 24 Wochen vor Reduzierung der Arbeitsmenge angesetzt. Damit kam es zu dem durchschnittlichen Entgelt, welches auch die Heimarbeiterin selbst berechnet hatte.
Allerdings sprach das Gericht nur die Differenzen aus sechs Monaten zu. Bei einer Kündigung zum Zeitpunkt der reduzierten Arbeitsmenge hätte das Heimarbeitsverhältnis zu Ende Dezember 2018 geendet. Im Hinblick auf Sinn und Zweck der Vorschrift zur Entgeltsicherung, sei diese für Monate außerhalb der Kündigungsfrist nicht anzuwenden.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig
UPDATE:
Die Parteien haben sich in zweiter Instanz verglichen. Der Arbeitgeber zahlt das nach, wozu ihn das Arbeitsgericht verurteilt hatte.
LINKS:
Hier können Sie das Urteil im Volltext nachlesen
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Das sagen wir dazu:
Hoffentlich bleibt diese gute Entscheidung zum Mindestschutz der Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter bestehen.
Diese haben keinen Anspruch darauf, eine bestimmte Menge an Aufträgen zu bekommen, sind aber wirtschaftlich auf die Aufträge angewiesen. An dieser Überlegung hat sich das Arbeitsgericht erfreulicherweise orientiert. Denn die Entgeltsicherung bei reduzierten Aufträgen soll verhindern, dass Unternehmen Heimarbeiter „am langen Arm verhungern“ lassen. Das passiert nämlich, wenn das Heimarbeitsverhältnis zwar nicht gekündigt wird, aber eben auch nicht so viel Arbeit in Auftrag gegeben wird wie bisher.
Dass der Entgeltschutz für die Monate außerhalb der Kündigungsfrist nicht greift, hat das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden. Daran konnten die Siegener Arbeitsrichter „nicht rütteln“.
Rechtliche Grundlagen
Allgemeiner Kündigungsschutz
(1) Das Beschäftigungsverhältnis eines in Heimarbeit Beschäftigten kann beiderseits an jedem Tag für den Ablauf des folgenden Tages gekündigt werden.
(2) Wird ein in Heimarbeit Beschäftigter von einem Auftraggeber oder Zwischenmeister länger als vier Wochen beschäftigt, so kann das Beschäftigungsverhältnis beiderseits nur mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.
(3) Wird ein in Heimarbeit Beschäftigter überwiegend von einem Auftraggeber oder Zwischenmeister beschäftigt, so kann das Beschäftigungsverhältnis mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, beträgt die Kündigungsfrist zwei Wochen.
(4) Unter der in Absatz 3 Satz 1 genannten Voraussetzung beträgt die Frist für eine Kündigung durch den Auftraggeber oder Zwischenmeister, wenn das Beschäftigungsverhältnis
1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
fünfzehn Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
zwanzig Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.
(5) § 622 Abs. 4 bis 6 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
(6) Für die Kündigung aus wichtigem Grund gilt § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.
(7) Für die Dauer der Kündigungsfrist nach den Absätzen 2 bis 5 hat der Beschäftigte auch bei Ausgabe einer geringeren Arbeitsmenge Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe von einem Zwölftel bei einer Kündigungsfrist von zwei Wochen, zwei Zwölfteln bei einer Kündigungsfrist von vier Wochen, drei Zwölfteln bei einer Kündigungsfrist von einem Monat, vier Zwölfteln bei einer Kündigungsfrist von zwei Monaten, sechs Zwölfteln bei einer Kündigungsfrist von drei Monaten, acht Zwölfteln bei einer Kündigungsfrist von vier Monaten, zehn Zwölfteln bei einer Kündigungsfrist von fünf Monaten, zwölf Zwölfteln bei einer Kündigungsfrist von sechs Monaten und vierzehn Zwölfteln bei einer Kündigungsfrist von sieben Monaten des Gesamtbetrages, den er in den dem Zugang der Kündigung vorausgegangenen 24 Wochen als Entgelt erhalten hat. Bei Entgelterhöhungen während des Berechnungszeitraums oder der Kündigungsfrist ist von dem erhöhten Entgelt auszugehen. Zeiten des Bezugs von Krankengeld oder Kurzarbeitergeld sind in den Berechnungszeitraum nicht mit einzubeziehen.
(8) Absatz 7 gilt entsprechend, wenn ein Auftraggeber oder Zwischenmeister die Arbeitsmenge, die er mindestens ein Jahr regelmäßig an einen Beschäftigten, auf den die Voraussetzungen der Absätze 2, 3, 4 oder 5 zutreffen, ausgegeben hat, um mindestens ein Viertel verringert, es sei denn, dass die Verringerung auf einer Festsetzung gemäß § 11 Abs. 2 beruht. Hat das Beschäftigungsverhältnis im Fall des Absatzes 2 ein Jahr noch nicht erreicht, so ist von der während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses ausgegebenen Arbeitsmenge auszugehen. Die Sätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn die Verringerung der Arbeitsmenge auf rechtswirksam eingeführter Kurzarbeit beruht.
(9) Teilt ein Auftraggeber einem Zwischenmeister, der überwiegend für ihn Arbeit weitergibt, eine künftige Herabminderung der regelmäßig zu verteilenden Arbeitsmenge nicht rechtzeitig mit, so kann dieser vom Auftraggeber Ersatz der durch Einhaltung der Kündigungsfrist verursachten Aufwendungen insoweit verlangen, als während der Kündigungsfrist die Beschäftigung wegen des Verhaltens des Auftraggebers nicht möglich war.
Das sagen wir dazu