Der Kläger hatte sich schon einmal per SMS krank gemeldet. Das passte dem Arbeitgeber nicht. Die nachfolgende Abmahnung hatte aber dann ihre Fehler. Copyright by Adobe Stock/carballo
Der Kläger hatte sich schon einmal per SMS krank gemeldet. Das passte dem Arbeitgeber nicht. Die nachfolgende Abmahnung hatte aber dann ihre Fehler. Copyright by Adobe Stock/carballo

Der junge Mann aus dem Raum Heilbronn - wir nennen ihn mal Herrn Michels - arbeitete als Mitarbeiter im Bereich Qualität. Sein Arbeitgeber - lassen Sie uns ihn Herr Lauer nennen - hatte mit ihm eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag über die Meldung einer Arbeitsunfähigkeit geschlossen.
 

Jede Arbeitsverhinderung musste Herr Michels unverzüglich melden

Danach musste Herr Michels seinem unmittelbaren direkten Vorgesetzten jede Arbeitsverhinderung unverzüglich mitteilen. Auch die voraussichtliche Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit war von dieser Mitteilungspflicht umfasst. Ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit sollte er außerdem schon eine ärztliche Bescheinigung vorlegen.
 
Im Sommer dieses Jahres meldete sich Herr Michels und teilte mit, es gehe ihm nicht gut. Er gehe zum Arzt und könne deshalb zur Spätschicht nicht erscheinen. Herr Michels und Herr Lauer stritten sich später vor dem Arbeitsgericht darüber, ob der Erkrankte sich nach dem Arztbesuch nochmals erneut gemeldet hatte. Herr Lauer sagte, das sei nicht geschehen. Gegenteiliges ließ sich aber später nicht mehr beweisen.
 

Herr Lauer kündigte trotz ärztlichem Attest

Als Herr Michels dann am Folgetag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegte, nahm sein Arbeitgeber, Herr Lauer, das trotzdem zum Anlass, ihn zu kündigen. Damit war der junge Mann jedoch nicht einverstanden. Gemeinsam mit seinen Prozessbevollmächtigten des DGB Rechtsschutzes zog er vor das Arbeitsgericht.
 
Herr Lauer verwies im Prozess darauf, er sei darauf angewiesen, dass erkrankte Arbeitnehmer unverzüglich mitteilten, wie lange sie voraussichtlich fehlten. Er müsse schließlich im Bereich der Qualität die vorhandenen Prüfungsaufgaben rechtzeitig und zuverlässig verteilen können. Herr Michels habe das auch gewusst.
 

Herr Lauer verwies auf eine einschlägige Abmahnung

Früher sei es darüber hinaus auch schon einmal zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Krankmeldung gekommen. Herr Lauer habe deshalb schon einmal eine Abmahnung ausgesprochen. Damals habe sich Herr Michels per SMS an seinen Vorgesetzten gewandt und ihm mitgeteilt, aufgrund einer schlaflosen Nacht könne er nicht zur Arbeit kommen und werde sich im Laufe des Tages erneut melden. Letzteres sei jedoch nicht geschehen.
 

Die frühere Abmahnung verwies auf respektloses Verhalten

Diese frühere Abmahnung legte der Chef dem Gericht vor. Darin stand geschrieben, Herr Michels habe nicht nur ein respektloses Verhalten gegenüber seiner Führungskraft gezeigt, sondern auch gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.
 
Dazu schreibt das Arbeitsgericht in seinem späteren Urteil, es bliebe völlig unklar, worin genau diese arbeitsvertraglichen Pflichten bestünden, gegen die er verstoßen haben solle. Es käme zum Beispiel in Betracht, dass die Information per SMS nicht gewünscht sei. Es könnte auch sein, dass der Arbeitgeber meine, Herr Michels sei vielleicht gar nicht arbeitsunfähig gewesen, da er nur auf eine schlaflose Nacht hingewiesen habe.
 

Genaues enthielt die Abmahnung nicht

Es kämen auch noch weitere, denkbare Pflichtverstöße in Betracht, die Herr Lauer mit der Abmahnung rügen wollte. Fakt sei, Herr Michels habe anhand der Abmahnung überhaupt nicht erkennen können, was genau er falsch gemacht habe und welches vertragsgerechte Verhalten Herr Lauer von ihm künftig erwartete.
 
Wolle Herr Lauer wegen des Fehlverhaltens seines Arbeitnehmers kündigen, müsse er die Regeln des Kündigungsschutzgesetzes einhalten. Danach sei eine Kündigung wegen des Verhaltens eines Beschäftigten nur dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und schuldhaft verletzt habe.
 

Die Weiterbeschäftigung muss unzumutbar wein

Wolle der Arbeitgeber kündigen, dürfe er des Weiteren nicht mehr erwarten können, dass der Arbeitnehmer in Zukunft das Vertragsverhältnis störungsfrei erfülle. Der Arbeitgeber müsse sodann die Interessen des Arbeitnehmers mit seinen eigenen Interessen gegeneinander abwägen und dabei zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für ihn nicht mehr zumutbar sei.
 
Falls Herr Michels sich nicht ordnungsgemäß krank gemeldet habe, könne das durchaus ein Grund für eine Kündigung sein. Dann habe er nämlich eine Nebenpflichten aus seinem Arbeitsverhältnis verletzt. Allerdings dürfe Herr Lauer dann nicht schon gleich kündigen, sondern müsse dem Gericht nachweisen, dass er Herrn Michels zuvor schon einmal einschlägig abgemahnt habe. Das gebiete der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der im Kündigungsschutzrecht gelte.
 

Eine Abmahnung kann den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflussen

Beruhe die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers auf einem Verhalten, dass er steuern könne, sei im allgemeinen davon auszugehen, dass ein entsprechender Hinweis darauf in der Zukunft ein vertragsgerechtes Verhalten hervorrufen könne. Den Bestand des Arbeitsverhältnisses beeinflusse ein Arbeitgeber dadurch dann positiv.
 
Zu diesem Zweck müsse der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen. Darauf dürfe er nur dann verzichten, wenn er von vorneherein nicht damit rechnen konnte, dass der Mitarbeiter sein Verhalten ändern würde oder wenn die Pflichtverletzung so schwerwiegend gewesen sei, dass er auch diese einmalige Pflichtverletzung nicht mehr hinnehmen musste.
 

Der Arbeitsvertrag enthielt keine Pflicht zur nochmaligen Meldung

Herr Lauer habe Herrn Michels gekündigt, weil dieser sich zwar krankgemeldet, nach dem Arztbesuch jedoch nicht erneut Kontakt mit ihm aufgenommen habe, so das Arbeitsgericht. Eine dementsprechende Pflicht enthalte jedoch weder der Arbeitsvertrag noch das Gesetz. Herr Michels habe nach seinem Arbeitsvertrag nur die Pflicht gehabt, im Falle seiner Arbeitsunfähigkeit sofort eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Das habe er auch getan.
 
Selbst wenn jedoch eine Pflicht, sich unverzüglich nach dem Arztbesuch erneut zu melden, bestanden haben solle, reiche die vorhergehende Abmahnung keinesfalls aus, um sie zur Grundlage einer verhaltensbedingten Kündigung machen zu können. Herr Lauer habe nämlich keine ordnungsgemäße Abmahnung ausgesprochen. Ein konkretes Fehlverhalten führe die Abmahnung nicht an.
 

Die Kündigung hielt nicht stand

Damit wurde Herr Lauer seinen Mitarbeiter letztlich nicht los. Das Arbeitsgericht Heilbronn entschied, dass er ihn weiter beschäftigen musste. Herrn Michels bleibt aber für die Zukunft die Empfehlung, genau darauf zu achten, dass er im Falle einer Arbeitsunfähigkeit alles richtig macht. Geschieht das nicht, wird er erwarten können, zeitnah noch einmal vor dem Arbeitsgericht verhandeln zu müssen.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Dieses positive Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn könnte wieder einmal Anlass dazu geben, Tipps für Arbeitgeber zu formulieren. Die nehmen Abmahnungen nämlich oft auf die leichte Schulter. Irgend ein Brief, in dem Mitarbeitern irgendetwas vorgeworfen wird, reicht aber nicht dafür aus, eine Kündigung zu rechtfertigen. Das Fehlverhalten muss darin schon ganz genau beschrieben sein.

Da heißt es „Butter bei die Fisch“. Konkret, detailliert und zweifelsfrei beschreiben muss der Arbeitgeber ein Fehlverhalten. Das kann er aber nur, wenn es dieses Fehlverhalten so konkret, detailliert und zweifelsfrei auch gegeben hat. Ist das nicht der Fall, wird er darauf eine Kündigung ohnehin nicht stützen können.

Halten sich Arbeitgeber an die Regeln, muss die Justiz weniger häufig entscheiden

Beherzigen Arbeitgeber die Vorgaben der Rechtsprechung, müssten möglicherweise nur halb so viele Kündigungsschutzklagen beim Arbeitsgericht geführt werden. Wenn dieser Tipp an Arbeitgeber genau dazu führt, ist das für alle Betroffenen von Vorteil

Wer sich für weitere Informationen zu Abmahnung und Kündigung interessiert, dem sei folgendes empfohlen:

Abmahnung wegen 30 Sekunden Fußballschauens während der Arbeitszeit

Sechs Abmahnungen ergeben keine Kündigung

Eine Abmahnung muss zutreffen – und zwar in allen Punkten!