Betreuer müssen im Interesse der von ihnen betreuten Menschen handeln und dürfen Corona-Impfungen nicht strikt verweigern. Copyright by Adobe Stock/gradt
Betreuer müssen im Interesse der von ihnen betreuten Menschen handeln und dürfen Corona-Impfungen nicht strikt verweigern. Copyright by Adobe Stock/gradt

Berufsbetreuer übernehmen die gesetzliche Vertretung in der Gesundheitsfürsorge, wenn Betreute dazu selbst nicht mehr in der Lage sind. Zur Gesundheitsfürsorge zählen auch Impfungen gegen Corona.
 

Betreuer verweigert Impfung

Ein Frankfurter Rechtsanwalt, der als Berufsbetreuer unter anderem für eine 93-jährige, demente Frau bestellt war, wollte diese ebenso wie zwei andere von ihm Betreute von einer Corona-Schutzimpfung abhalten.
 
In allen drei Verfahren wirkte er einer Impfung entgegen, weil er das damit verbundene Risiko im Verhältnis zum Nutzen für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der betreuten Personen als schwerwiegender erachtete.
 

Anwalt erhebt Verfassungsbeschwerde

Das Betreuungsgericht forderte den Anwalt zur Stellungnahme auf. Anschließend entließ es den Betreuer. Ihm fehle die Eignung, die Angelegenheit der betroffenen Personen zu besorgen. Die zweite Instanz bestätigte diese Entscheidung. Hiergegen erhob der Anwalt Verfassungsbeschwerde.
 
Er rügte dabei eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Gerichte hätten seine Auffassung zur Risiko-Nutzen-Abwägung einer Impfung für die Betroffenen nicht angehört. Die Impfung sei wegen der noch nicht zu überblickenden Nebenwirkung mit einem "Russisch Roulette" gleichzusetzen.
 

Bundesverfassungsgericht sieht keinen Grundrechtsverstoß

Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Der Betreuer sei vor seiner Entlassung sehr wohl gehört worden. Einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebe es damit nicht.
 
Auch sonstige Grundrechte stünden seiner Entlassung nicht entgegen. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz verpflichte den Gesetzgeber, ein System der Hilfe und des Schutzes für betreute Menschen vorzusehen, wenn diese nicht mehr erkennen könnten, dass eine medizinische Behandlung zur Abwehr erheblicher Erkrankungen erforderlich sei oder danach nicht handeln könnten.
 

Mutmaßlicher Wille ist maßgeblich

Das Gesetz sehe vor, dass der Wille einer betreuten Person wegen ihres grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts für die Betreuer und die staatlichen Organe handlungsleitend sei. Dieser Wille könne nur ersetzt werden, wenn ein tatsächlicher oder mutmaßlicher Wille nicht festgestellt werden könne.
 
Wenn eine ärztliche Maßnahme - wie hier möglicherweise die Impfung - medizinisch angezeigt sei und ihre Unterlassung eine begründete Gefahr für Leben oder Gesundheit des Betreuten darstelle, müsse das Betreuungsgericht es genehmigen, wenn der Betreuer nicht einwilligen wolle.
 
Geschehe das nicht, sei der Betreuer aufgrund seiner besonderen Verantwortung für die betreute Person zur Einwilligung in die Maßnahme verpflichtet. Eine dauerhafte Nichterfüllung dieser Pflicht rechtfertige die Entlassung eines Betreuers.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Im Arbeitsverhältnis darf der Arbeitgeber seine Beschäftigten grundsätzlich nicht zu einer Corona-Schutzimpfung zwingen. Im Dienstverhältnis sieht es ähnlich aus.

Lesen Sie dazu:
9 Fragen zur Coronaimpfung im Arbeitsrecht

Gibt es eine Impfpflicht für Beamt*innen und Soldat*innen?
Der Fall hier liegt jedoch anders. Hier geht es nicht darum, selbst zu bestimmen, ob man sich impfen lassen möchte oder nicht. Betreuer übernehmen die Verantwortung für andere Menschen in den Lebensbereichen, für die sie als Betreuer bestellt sind.

Durch die Übernahme einer Betreuung gibt der Mensch aber seine eigenen Interessen nicht vollständig auf. Betreuer müssen ihre Entscheidungen an diesen mutmaßlichen Interessen der Betreuten orientieren. Gesundheitsschutz ist ein hohes Gut, dass verfassungsrechtlichen Rang genießt. Persönliche Meinungen anderer Personen sind demgegenüber nachrangig.

Der entlassene Betreuer, um den es in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ging, stand nicht in einem Arbeitsverhältnis. Die Entscheidung des Gerichts lässt sich aber auch auf Personen übertragen, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses Betreuungsaufgaben übernehmen, etwa Heimleitungen.

Rechtliche Grundlagen

Art 2 I GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.